Agro-PV: Das Beste zweier Welten

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Mit dem zunehmenden Photovoltaik-Ausbau sind auch die PV-Freiflächenanlagen wieder in den Blickpunkt geraten. Im Sinne der alten „Tank oder Teller“-Diskussion hat sich nun die österreichische Hagelversicherung aufgeschwungen und reitet – mit teilweise sehr fragwürdigen – Argumenten dagegen Sturm. Dabei lautet das Motto bei Agro-PV nicht „Tank oder Teller“, sondern „Tank und Teller“.

Von der Hagelversicherung werden kräftige Geschütze aufgefahren: Mittels Auftragsumfragen und einer eigenen Facebook-Gruppe (Bodenlose Frechheiten) wird regelmäßig impliziert, dass Freiflächen-PV-Anlagen wertvolle landwirtschaftliche Nutzflächen zur Lebensmittelproduktion zerstören, die Böden versiegelt und Ökosysteme zerstört werden. Garniert werden diese Behauptungen mit Fotos, die allesamt grässliche PV-Anlagen zeigen, die wirklich niemand haben möchte – außer vielleicht wirklich nur auf ehemaligen Mülldeponien oder anderen Brachflächen.

PV hilft der Landwirtschaft

„Tank oder Teller“ ist jedenfalls ein Dilemma. Photovoltaik, der Hoffnungsträger der Energiewende, braucht relativ viel Fläche, um Sonnenlicht in Strom umzuwandeln. Rund 180 Quadratmeter sind notwendig, um den gesamten Energiebedarf eines Menschen mit Solarenergie zu decken. Dass Dach- und Brachflächen für die Agenda 2030 nicht ausreichen werden ist ebenso klar, wie die Tatsache, dass es dabei durchaus zu Konflikten zwischen PV und Landwirtschaft kommen kann. Dabei schließen sich Nahrungsmittel- und Stromproduktion auf derselben Fläche überhaupt nicht aus – eher im Gegenteil. Die Landwirtschaft kann sogar massiv vom Einsatz von PV-Panels profitieren, wie immer mehr europäische Pilotanlagen beweisen. Agrophotovoltaik (auch als Agro- oder Agri-PV bezeichnet) nennt sich dieser Bereich, der von Hagelversicherung in ihrer Agitation aber leider verschwiegen bzw. ebenfalls schlechtgeredet wird.

In einer Presseaussendung vom Jänner 2022 attestierte der Hagelversicherer der Agrar-PV zwar, dass sich damit „…vordergründig gleichzeitig Strom und Nahrungsmittel auf einer Fläche erzeugen lassen“, indem die „auf Gestellen montierten Solarmodule die landwirtschaftlichen Kulturen beschatten und Strom produzieren“. Allerdings sei die Agrar-PV „ein relativ junges Thema im Bereich von Forschung und Entwicklung“, weshalb es auch noch viele offene Fragen gebe.

Um diese Aussage quasi wissenschaftlich zu untermauern, berief sich der Hagelversicherer in der Presseaussendung sogar auf einen gewissen Univ.Prof. Dipl.Phys. Dr. Wolfgang Liebert vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien. „Insbesondere fehlen umfassende Untersuchungen zur Technikfolgenabschätzung. So müsste beispielsweise geklärt werden, welche Kostenfaktoren, Energieaufwände und Treibhausgasbilanz für die Aufständerung und den Aufbau von Bewässerungsinfrastrukturen bei Agrar-PV zu berücksichtigen wären. Welche Nutzungspotenziale und welche ungewollten Folgen bestehen?“, fragt sich Liebert, der sich Anfang der 2000er Jahre auch schon eingehend mit den Plutoniumbeständen in Deutschland beschäftigte.

Bei genauerem Hinsehen zwei durchwegs fragwürdige Argumentationen. Nachdem PV-Anlagen generell (also auch auf Dächern und Brachflächen) Montagematerial und Aufständerungen benötigen ist nämlich nicht davon auszugehen, dass sich die „Energieaufwände“ und die „Treibhausgasbilanz“ bei Aufständerungen für Agro-PV und für Brachflächen (die laut Hagelversicherung ja ok sind) großartig unterscheiden.

Agro-PV spart sogar sehr viel Wasser

Und was das Argument mit der Bewässerungsinfrastruktur betrifft: Auf einer Fahrt durchs Marchfeld nahe Wien wird man zwar jede Menge Bewässerungsanlagen sehen, aber praktisch keine Agro-PV-Anlagen. Bewässerungsanlagen sind – angesichts des Klimawandels – im intensiven Obst- und Gemüseanbau de facto unerlässlich. Jetzt einfach zu unterstellen, dass der Aufbau einer Bewässerungsanlage lediglich wegen einer Agro-PV-Anlage notwendig wäre, ist einen Wissenschaftlers eigentlich unwürdig. Und darüber hinaus sogar falsch, wie schon allein ein einzelner Bericht über den deutschen Landwirt Fabian Karthaus zeigt. Er ist übrigens einer der Ersten, der unter Photovoltaikmodulen Himbeeren und Heidelbeeren anbaut.

Originaltext des Beitrags: Die erste Ernte im vergangenen Jahr war gut. Gewöhnlich werden Beeren im Freiland oder im Folientunnel angebaut. Doch Hitzesommer sind für die Pflanzen inzwischen auch in Deutschland ein zunehmendes Problem. Der Schatten unter den Solarmodulen kann die Erträge steigern. Die Moduldächer sparen Wasser, denn die Verdunstung ist viel geringer, sagt Karthaus. „Wir haben das bei uns hier mal gemessen. Die Verdunstung liegt im Vergleich zur Pflanze im Freiland bei ungefähr einem Viertel.“  – hier geht’s zum vollständigen Beitrag unserer Kollegen von DW.

Was nicht ist …

…darf auch nicht sein. Liebert bleibt jedenfalls bei seiner Meinung – bzw. der Meinung der Hagelversicherung. „Ausgerechnet Agrarflächen für PV um- oder mitnutzen zu wollen, ist gegenwärtig jedenfalls nicht nachvollziehbar. Wenn alle sehr gut bis gut geeigneten Dachflächen in Österreich mit Aufbau von PV-Anlagen genutzt würden, wäre das Ziel des 2021 verabschiedeten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes von 11 TWh/a PV-Strom bis 2030 wohl erreichbar. Nochmals mindestens dasselbe PV-Potenzial bestünde, wenn beispielsweise die 200 Quadratkilometer an gewerblichen Brachflächen für PV genutzt werden könnten. Die in den letzten zehn Jahren zusätzlich versiegelten Flächen in Österreich hätten ein Potenzial von mehreren Dutzend TWh/a gehabt. Daher sollte man mit PV-Anlagen dorthin gehen, wo nichts oder nichts mehr wächst“, sagt Liebert.

Himbeeren unterm Solar-Dach

Die wohl beeindruckendste Agro-PV-Anlage steht derzeit auf einer Himbeerplantage im niederländischen Gelderland. Statt unter Folientunnel reifen die Früchte unter Solarmodulen. Diese schützen die Sträucher nicht nur vor zu viel Regen und Hagel (damit wäre dann auch keine Versicherung mehr nötig, Anm.), sondern produzieren gleichzeitig auch Strom. Damit genügend Licht durchkommt, wurden speziell angefertigte semitransparente kristalline Module verwendet. Auf diese Weise lassen sie etwa 25 Prozent des Sonnenlichts zu den Himbeeren durch. Die Erträge sind zwar um circa 20 Prozent geringer als unter den Folientunneln, allerdings wird dadurch auch ein Sonnenbrand der Pflanzen verhindert. Außerdem wird die Erntearbeit berechenbarer und kann einfacher durchgeführt werden, weil die Temperaturen auf der Plantage erträglicher sind. Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil ist, dass die Module zumindest 30 Jahre lang halten, die Folientunnel jedoch alle sechs Jahre ausgewechselt werden müssen – das spart Rohstoffe bzw. Plastik. Aktuell werden die PV-Module soweit optimiert, dass sie mehr Licht durchlassen und der Ertrag nur noch max. zehn Prozent hinter den Folientunneln liegt (Hier geht’s zum vollständigen Bericht auf energiezukunft.eu).

Agro-PV: Himbeerplantage
Auf einem Teil der holländischen Himbeerfarm werden (zum Vergleich) noch konventionelle Folientunnel zum Schutz der Beeren genutzt. Jetzt soll die gesamte Plantage mit Solarmodulen abgedeckt werden, dies entspricht einer Anlagengröße von 3 Megawatt. © Baywa R.E.
Die Himbeersträucher sind auf 2,50 Meter Höhe mit Solarmodulen überdacht. Solarprojektentwickler BayWa r.e. entwickelte dafür ein spezielles Montagesystem. © Baywa R.E.

PV im Weinbau

Auch der Bodenseeraum spielt in Sachen Agro-PV inzwischen ganz vorne mit, steht dort doch auch die deutschlandweit größte Agrophotovoltaikanlage. Für das Projekt “Agrophotovoltaik – Ressourceneffiziente Landnutzung” wurden unter der Leitung des Fraunhofer ISE über eine Ackerfläche von einem Drittel Hektar der Demeter Hofgemeinschaft Heggelbach Solarmodule installiert. Es stellte sich heraus, dass die Doppelnutzung der Fläche zu einer Steigerung der Landnutzungseffizienz um über 60 % führt.

„Agro-PV passt sehr gut zu Dauerkulturen wie dem Obst- und Weinbau und bietet viele Vorteile“, erklärt Ulrich Mayr, Fachbereichsleiter Sorten und Öko-Anbau beim KOB Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee. Unter anderem verweist er dabei auf die hohen Investitionskosten (rund 22.000 Euro pro Hektar) für Hagelschutznetze, die durch Agro-PV Anlagen ersetzt werden könnten. Im Weinbau würde Agro-PV nicht nur vor Hagel und Frost schützen, auch lasse sich der Alkoholgehalt der Trauben steuern, indem die PV-Module eine verfrühte Weinernte verhindern. Weitere große Pilotversuche zur Agro-PV im Obst- und Weinbau sind nun in Rheinland-Pfalz sowie in Bayern geplant. Dabei soll übrigens auch untersucht werden, wie sich die Photovoltaik besser (also unauffälliger) ins Landschaftsbild einfügen kann.

23.300 Kilowattstunden

Hierzulande findet sich eine der größten Agro-PV-Pilotanlagen übrigens im niederösterreichischen Guntramsdorf. Sie besteht aus 60 bifazialen, also doppelseitig, vertikal montierten Modulen, die in zwei Reihen angeordnet sind. Die Anlage hat eine Leistung von 22,5 Kilowattpeak und soll rund 23.300 Kilowattstunden Sonnenstrom pro Jahr erzeugen. Durch die Anordnung der PV-Anlagen in Bahnen, so lassen sich hier z.B. Kartoffeln oder Brokkoli problemlos ernten.

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