Schweizer FH-Beben: Euronics setzt seine Händler vor die Tür

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Euronics International hat der Schweizer Lizenznehmerin die Lizenzrechte zur Nutzung der Marke „Euronics“ entzogen. Für die Schweizer Euronics-Markenhändler wird nun eine Lösung gesucht. Diese könnte etwa über deutsche Sub-Lizenzen laufen.

Nicht nur in Österreichs Fachhandelslandschaft geht’s mitunter recht turbulent zu, auch der CE-Handel in unserem Nachbarland ist seit vielen Jahren im Umbruch. Nach dem Ende des Onlinehändlers PCP/Steg Electronics im Herbst 2023, der Ankündigung des Verkaufs von Melectronics im Februar 2024 und der Integration der Coop-Tochter Microspot.ch in Interdiscount im Winter 2023/2024 rumort es jetzt fleißig weiter.

Interdiscount schließt sich Euronics International an

So gab die Coop-Tochter Interdiscount mit seinen rund 170 Filialen Ende Februar eine Partnerschaft mit Euronics International bekannt. In der entsprechenden Pressemitteilung pries Hans Carpels, Präsident der Dachorganisation Euronics GEIE, die Bedeutung des Beitritts von Interdiscount zur Gruppe und „des damit verbundenen Beitrags zu dem Weg, der Euronics zur Nummer 1 in Europa gemacht hat“. Es sei „der perfekte Weg, um ein (aus geschäftlicher Sicht) herausforderndes Jahr zu beginnen und unser Ziel, bis 2025 einen Umsatz von 27 Mrd. Euro zu erreichen, weiter zu untermauern. Wir erwarten eine reibungslose Integration und sind überzeugt, dass Interdiscount auch viel Know-how einbringt.“

Außer um „Know-how“ dürfte es der Einkaufskooperation beim Beitritt von Interdiscount wohl auch um den Beitrag zum Gruppen-Umsatz gehen. 2023 erzielte die Coop-Tochter immerhin einen Nettoerlös von fast einer Milliarde Franken (ca. 1,02 Mrd. Euro); etwas mehr als (die andere Coop-Tochter) Fust mit 966 Millionen Franken (987 Mio. Euro). Interdiscount und Fust sind flächenmäßig eher größer angelegte Retailer, die es in dieser Form in Österreich eigentlich nicht gibt.

Wer oder was ist Coop?

Coop zählt (nebst Migros) zu den größten Detailhandels- und Großhandelsunternehmen der Schweiz. Sie ist als Genossenschaft mit rund 2,5 Mio. Mitgliedern organisiert. Unter dem Eigennamen betreibt Coop etwa Supermärkte, Warenhäuser, Restaurants, Apotheken und sogar Tankstellen. Zur Coop-Gruppe gehören außerdem die Baumarktkette „Jumbo“, die beiden CE-Ketten „Interdiscount“ und „Dipl. Ing. Fust“, das Möbelhaus „Livique“ und der Beleuchtungs-Fachmarkt „Lumimart“. 2011 wurde außerdem der auch hierzulande bekannte Gastronomie- und Gewerbegroßhandel Transgourmet der Gruppe einverleibt.

Folgen für Euronics Schweiz AG

Vor rund einem Monat noch eine kleine Randnotiz wird inzwischen das ganze Ausmaß dieser Entwicklung für die Schweiz klar. Gemeinsame Recherchen von ELEKTRO|branche.at und unseren Kollegen von CEtoday ergaben nämlich, dass die „Euronics Schweiz AG“ künftig nicht mehr so heißen darf. Euronics International entzog der langjährigen Schweizer Einkaufsorganisation ganz einfach die Lizenz für die Nutzung der Markenrechte.

Zum besseren Verständnis: Das Netzwerk der Schweizer Einkaufskooperation umfasst ca. 150 Outlets unabhängiger Einzelhändler – eine also auch aus österreichischer Sicht klassische Fachhandelsorganisation. Einziger Unterschied zu Österreich: In der Schweiz gibt es unter den Händlern mehr Spezialisten und weniger Mischbetriebe. Außerdem setzen dort viele Händler nach wie vor stark auf die Unterhaltungselektronik.

Wachstum durch Größe?

Laut Euronics-Schweiz-Verwaltungsratspräsident Thomas Kellenberger will Euronics International als Nummer 1 in Europa weiterhin wachsen. „Das geht aber nur, wenn anstelle reiner Fachhandelskooperationen, große Retailer mit an Bord sind.“ Diese Konsequenz habe Euronics International gezogen, und damit auch gegenüber anderen Ländergesellschaften manifestiert, was zukünftig von ihnen erwartet wird. 

VR-Präsident Thomas Kellenberger muss die Euronics Schweiz AG umfirmieren. © Netzmedien
VR-Präsident Thomas Kellenberger muss die Euronics Schweiz AG umfirmieren. © Netzmedien

Der Entzug der Markenrechte hat jetzt weitreichende Folgen insbesondere für Händler, die sich anno dazumal für ein komplettes Euronics-Branding entschieden haben. Diese tätigten im Ladenbau und in ihrer Marketingkommunikation bedeutende Investitionen in die Markenpräsenz. Als Reaktion auf den Entzug der Nutzungsrechte der Marke laufen nun aber Verhandlungen, um eine Lösung für die Euronics-Marken-Händler in der Schweiz zu finden.

Schweizer Händler bald mit deutscher Unterlizenz?

„Euronics International hat zugesagt, in Zusammenarbeit mit Euronics Deutschland die bestehenden Händler in der Schweiz mit einer Unterlizenz auszustatten“, sagt Kellenberger. Die entsprechenden Gespräche seien bereits weit fortgeschritten. Sehr wohl wird man aber den Namen der Firmenzentrale im Schweizer Frauenfeld ändern müssen – wobei man dies ohnehin schon fast gewohnt ist. Nachdem das Unternehmen vor zehn Jahren von Interfunk Schweiz zu Euronics Schweiz AG umfirmiert hat, steht nun eben ein erneuter Namenswechsel bevor.

Laut Kellenberger ist zudem die organisatorische Führung der Zentrale im Moment Gegenstand laufender Abklärungen. „Wir wissen noch nicht, ob wir wieder einen vollamtlichen Geschäftsführer engagieren oder ob wir die Zentrale schlanker führen werden.“ Der im vergangenen Herbst als Ersatz für den abgetretenen Norbert Lüthi engagierte Interims-CEO Peter Meyer ist aktuell noch beratend tätig. Auf die Frage, ob sich Kellenberger sein Präsidium, das er ja erst seit 2022 innehat, so vorgestellt habe, sagt er: „Nein, beim besten Willen nicht. Aber es herrscht ein rauer Wind in der CE-Branche und mit diesen Veränderungen müssen wir jetzt klarkommen.“

Und was bedeutet das Ende der Lizenzpartnerschaft für die Konditionen als Einkaufsgenossenschaft? Dazu Kellenberger: „Bei Euronics International kauft niemand ein. Die Einkäufe gehen immer über den Landes- oder DACH-Vertrieb. Auf dieser Ebene geht es um die nachgelagerten Konditionen, die von Umsatzzielen abhängig sind. Diese Konditionen werden aus separaten Töpfen der globalen Industrie gespeist. Wenn man Aufwand und Ertrag rechnet, verlieren wir hier nichts.“

Neudefinition der Einzelhandelslandschaft

Hans Carpels schrieb in seiner Pressemitteilung Ende Februar: „Euronics ist bereit, neue Territorien zu erkunden und die Einzelhandelslandschaft im Bereich der technischen Konsumgüter in der Schweiz und darüber hinaus neu zu definieren.“ Was das für Händler (also Carpels‘ „darüber hinaus“) auch in anderen Ländern bedeuten könnte, kann derzeit in der Schweiz quasi live mitverfolgt werden. Auch wenn die Aktiengesellschaft in der Schweiz nach der Umfirmierung weiter besteht: Die Euronics Schweiz AG als Einkaufsgenossenschaft unabhängiger Fachhändler ist dort jedoch Geschichte.

Dieser Beitrag entstand in enger Kooperation mit unserem geschätzten Schweizer Kollegen Marc Landis von CEtoday (hier geht’s zu seinem Beitrag) und im Rahmen des internationalen Recherchenetzwerkes CEN.

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