Der PV-Markt ist in Österreich zum Gigawatt-Markt geworden. Was einerseits viel Freude bereitet, macht andererseits auch Probleme. Denn der Netzanschluss wird immer öfter zum Stolperstein. Hubert Fechner im Interview (Teil II).
Erst vor kurzem ging die Meldung durch die Presse: Fast 100.000 Förderungen wurden genehmigt, insgesamt stehen heuer 600 Mio. Euro zur Verfügung an Fördermittel zur Verfügung. Dennoch werden die Sorgenfalten immer größer. Über 60 Prozent klagen schon jetzt über lange Wartezeiten und fehlende Einspeisemöglichkeiten, da die Stromnetze oftmals zu schwach sind, um den in sonnigen Zeiten zu erwartenden Überschuss aufzunehmen. Im Stromnetz müssen Angebot und Nachfrage ja bekanntlich jederzeit ausgeglichen sein, ansonsten sind Spannungs- bzw. Frequenzprobleme vorprogrammiert – die schlechtesten Falls das Netz abstürzen lassen.
Nur auf Netzausbau zu setzen ist aber falsch
„Natürlich ist ein weiterer Netzausbau notwendig“, klärt PV-Experte Hubert Fechner, Obmann der Technologieplattform Photovoltaik Austria (TPPV) auf. Das Netz auf eine speziell in sonnigen Zeiten zu erwartenden Maximalleistung zu pushen sei jedoch volkswirtschaftlicher Unsinn. Abgesehen davon wird sich die Situation rund um den Netzzugang weiter verschärfen, da Photovoltaik und Windkraft schneller wachsen als die Netze.
Mit erhöhtem Eigenverbrauch und Batteriespeichern direkt beim (privaten) PV-Strom-Erzeuger, wie das vielfach propagiert wird, lässt sich das Problem aber leider auch nicht lösen.
Und nicht jede erzeugte Spitzenenergie, z.B. in der Sommerzeit zu Mittag, womöglich an einem Sonntag mit wenig Stromverbrauch, kann im Netz untergebracht werden. Da nützt es auch nichts, wenn die Energie in großen Pumpspeichern geparkt werden könnte – die Leitungen dorthin bzw. die Transformatoren und Umspannwerke sind für den erzeugten Strom zu schwach.
Eigenverbrauch, Sektorenkopplung und Energiemanagement
Den eigenen Sonnenstrom zuerst selbst einmal zu verbrauchen, unter anderem für die Heizung und/oder das eigene E-Auto (natürlich über eine intelligente Wallbox), wird vielfach schon praktiziert. Auch Speicherbatterien werden immer öfters genutzt. Das alles wird als Sektorenkopplung bezeichnet. Dabei sorgt das intelligente Energiemanagement nicht nur dafür, dass alles funktioniert, sondern macht die Anlage auch wirtschaftlicher. Das ist gut für den Sonnenstromerzeuger, löst das aber das grundsätzliche Problem der Netzeinspeisung, nicht.
Experte Fechner dazu: „Die Stromspeicher bei Privaten haben keine netzdienliche Funktion. Sie werden bei Sonnenaufgang bereits geladen, sind um 10 Uhr voll und können danach nichts mehr puffern.“ Will heißen: Der mittägliche Überschuss wird ins Netz geschickt. „Es wäre daher sinnvoll, private Stromspeicher nur dann zu fördern, wenn sie auch so betrieben werden, dass sie Spannungsspitzen im Stromnetz verhindern.“
Technisch sei das durchaus machbar: Verknüpft mit Online-Wetterdaten beginnt der Speicher beispielsweise erst um 11 Uhr zu laden und beendet den Vorgang so gegen 15 Uhr. Etwaige Mittagsspitzen im Netz werden dadurch verhindert. Das gilt freilich nicht nur für den privaten Bereich, sondern auch den gewerblichen.
Leistungsspitzen sind teuer
Der TPPV-Experte regt auch an: „Man sollte Anreize bieten, auch im kleinen Bereich stromnetzfreundlich zu agieren. Im eigenen Umfeld Energie managen und das Stromnetz so wenig wie möglich zu belasten, vermeidet Leistungsspitzen. Das führt dann auch entsprechend zu günstigeren Strompreisen.“ Darauf zu schauen, dass keine Stromspitzen ins Netz geschickt werden (Fechner: „Hier ist Regulierung gefordert:“) und vom Netz keine spezifisch hohen Leistungen zu beziehen, wäre angesagt.
Hier müsse es sehr bald klare Schritte geben. Will man hohe Leistung ins Stromnetz schicken oder daraus beziehen, wird das entsprechend teuer: „Frei nach dem Motto: Der schnelle Strom kostet mehr.“ Dieser Wandel müsse natürlich auch mit den entsprechenden Maßnahmen unterstützt werden. Smart Meter sollen es zukünftig erlauben, unterschiedliche Strompreise zu definierten Zeiten abzurechnen. Spätestens dann wird sich jeder – auch der Private – darum kümmern, dass er seine Energie managt.
Eine 5 kW-PV-Anlage wird dann nie 5 kW ins Netz schicken, da sein Energiemanagement dafür sorgt, dass alles über 4 kW in die Batterie umgeleitet wird – oder halt ins Auto. Geht das nicht, wird eben abgeregelt.
Aggregatoren für intelligente Verbindungen
Momentan stehen sich die von Netzbetreibern zentral gesteuerte Netze und die von sogenannten „Prosumern“ bzw. „Flexumern“ betriebenen lokalen Energieerzeuger diametral gegenüber. „Bisher hat das Managen von Energie bis zum Letztverbraucher der Energieversorger übernommen. Trete ich jetzt aber selbst als Energieerzeuger auf, muss ich mich auch ein bisschen ums Management kümmern“, fordert Fechner. Es kann nicht sein – und es wird auch kaum funktionieren – dass mehrere hunderttausend Privatanlagen von den rund 130 österreichischen Netzbetreibern gemanagt werden.
Eine Idee, die in Australien übrigens schon seit etwa drei Jahren in der Praxis funktioniert bzw. in Deutschland ähnlich geplant ist, ist die Einrichtung von so genannte Aggregatoren. Diese übernehmen die regionale Kommunikation und Steuerung von etwa 5.000 lokalen PV-Stromerzeugern bzw. deren Energiemanagement und dienen damit als Bindeglied zu den überregionalen Netzen und deren Anforderungen für eine störungsfreie Stromversorgung.
Der Netzbetreiber teilt dem Aggregator dann beispielsweise mit, dass e in den nächsten Minuten zu Veränderungen kommen wird, beispielsweise, weil die Netzspannung zu hoch ist und/oder es Strom- oder Frequenzprobleme gibt. Der Aggregator kommuniziert online mit den Wechselrichtern der regionalen Stromerzeuger (PV-Anlagen) und schickt die entsprechenden Steuerbefehle, um den soeben kommunizierten Problemen entgegenzuwirken. „Das System ist etabliert. Auch Fronius agiert in dieser Form in Australien als Aggregator“, weiß Fechner. Ein Aggregator übernimmt somit auf Anforderung des Netzbetreibers die Verantwortung für die Systemstabilität und unterstützt diese.
In diesem Sinne sehr interessant: Das deutsche Forschungsprojekt C/sells lieferte bereits grundlegende Antworten wie ein zellulär strukturiertes, im überregionalen Verbund agierendes Energiesystem funktionieren kann. Einzelne Liegenschaften oder auch Verteilnetzbereiche können dabei Zellen bilden, die sich zunächst selbst versorgen indem Energieerzeugung und Last möglichst vor Ort mit intelligentem Energiemanagement ausgeglichen werden. Die verbleibenden Energiebilanzen werden zur Optimierung des Systems mit anderen Zellen ausgetauscht. Durch diesen Zellverbund entsteht dann eine effiziente und robuste Energieinfrastruktur.
Energiemanagement fördern
Eine solche neue Systemstruktur bedarf jedoch auch einer breiten politischen Unterstützung. Fechner nimmt sich hier kein Blatt vor den Mund: „Man müsste eigentlich von der direkten PV-Förderung weggehen, hin zur Förderung von Energiemanagement – natürlich auch unter den entsprechenden regulatorischen Voraussetzungen. Auf der untersten Ebene kann nicht jede produzierte kWh aus einer PV-Anlage ins öffentliche Netz geschickt werden. Umgekehrt können aber Spitzenverbraucher, wie Wärmepumpe oder E-Autos, auch nicht zu jeder Zeit beliebig aus dem Netz gespeist werden.“
Und er präzisiert: „Das Energiemanagement wird auf der untersten Ebene einen hohen Stellenwert einnehmen – auch wenn es derzeit leider noch wenig Anreize dafür gibt. Lokales Energiemanagement wird schon bald eine immens hohe Bedeutung bekommen.“
Wie sich die Netzbetreiber diesem Thema stellen und vor allem, wie schnell man diese Flexibilität ins Netz bringen muss, um das 2030er Ziel mit 100 Prozent Strom aus Erneuerbarer Energie zu realisieren, soll in der nächsten ELEKTRO|branche.at-Ausgabe aufgezeigt werden.
Dipl. Ing. Hubert Fechner, MSc., MAS ist Obmann des 2008 gegründeten Vereins Technologieplattform Photovoltaik Austria (TPPV).