Gewerbe/Handwerk: Erholung rascher als erwartet, aber noch unvollständig

Gewerbe/Handwerk: Erholung rascher als erwartet

(c) Gerd Altmann / Pixabay

Das österreichische Gewerbe und Handwerk ist dabei, den Einbruch durch die Corona-Krise aufzuholen. Die Umsätze bzw. Auftragseingänge sind im ersten Halbjahr 2021 wertmäßig um 5,6 Prozent gestiegen, besser als das BIP insgesamt (+4,8 Prozent). Auf den Vorkrisenumsatz fehlten im Halbjahr allerdings noch 700 Mio. Euro – die Erwartung fürs vierte Quartal sind aber positiv, auch in konsumnahen Branchen.

„Die Erholung von der Corona-Pandemie hat im Gewerbe und Handwerk rascher eingesetzt als erwartet“, sagte Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich, bei der Präsentation der vierteljährlichen Konjunkturumfrage. „Allerdings ist diese Erholung unvollständig: Auf das Vorkrisenniveau fehlten uns im ersten Halbjahr noch rund 700 Mio. Euro.“

Lage mehrheitlich gut bewertet

„Insgesamt wird die Geschäftslage von den Betrieben im dritten Quartal fast wieder so gut bewertet wie vor der Corona-Pandemie“, kommentierte auch Christina Enichlmair von KMU Forschung Austria. 34 Prozent der Gewerbe- und Handwerksbetriebe nennen die Geschäftsentwicklung im dritten Quartal „gut“, 18 Prozent „schlecht“ und 48 Prozent „saisonüblich“.

Zwischen den Branchen sind die Unterschiede aber beträchtlich. So konnten alle investitionsgüternahen Branchen im dritten Quartal 2021 gestiegene Auftragsbestände verzeichnen – im Durchschnitt um knapp ein Fünftel gegenüber dem Vergleichsquartal 2020. Besonders hoch waren diese Zuwächse bei Hafnern, Platten-/Fliesenlegern und Keramikern (+31 Prozent), bei Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechnikern (+29 Prozent) sowie bei Dachdeckern, Glasern und Spenglern (+27 Prozent).

Konsumnahe Branchen verbessert

Unter den konsumnahen Branchen meldeten für das dritte Quartal 23 Prozent der Betriebe Umsatzsteigerungen, 24 Prozent aber Rückgänge. Zum Vergleich: Im Anfangsquartal 2021 hatten sogar 71 Prozent ein Umsatzminus geschrieben.

Der Saldo ist mit einem Prozentpunkt Minus zwar noch knapp negativ, nähert sich aber Werten vor der Corona-Pandemie an.

Christina Enichlmair, KMU Forschung Austria

Umsatzsteigerungen verzeichneten relativ viele Betriebe bei den Mechatronikern (44 Prozent) sowie – von niedrigem Niveau kommend – bei Mode und Bekleidungstechnik (43 Prozent), Personaldienstleistern und Sicherheitsgewerbe (40 Prozent) sowie der Fahrzeugtechnik (37 Prozent). Besonders häufig gab es im dritten Quartal noch Umsatzrückgänge bei Friseuren (50 Prozent der Betriebe) oder Kunsthandwerkern (38 Prozent). Die „zwei Gesichter“, welche die Corona-Pandemie im Gewerbe und Handwerk offengelegt hatte, dürften freilich bald der Vergangenheit angehören. Für das vierte Quartal überwiegen bei den konsumnahen Branchen die positiven Erwartungen.

Hoher Personalbedarf

Auf einem historischen Hoch ist der Personalbedarf, der für das vierte Quartal 2021 angemeldet wurde: „Eine geplante Erhöhung um fünf Prozent ist der höchste Wert, den wir jemals für ein viertes Quartal verzeichnet haben“, betonte Enichlmair.

Spartenobfrau Scheichelbauer-Schuster: „Diese geplante Erhöhung des Personalbedarfs würde einer zusätzlichen Beschäftigung von rund 35.000 Personen entsprechen.“ Damit dieser Bedarf erfüllt werden könne, müssten viele Schrauben gedreht werden: „Wir müssen das Reservoir an arbeitslosen Personen bestmöglich ausschöpfen, wir brauchen Anreize, damit ältere Fachkräfte länger im Betrieb bleiben sowie umfassende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, damit die Beschäftigung von Frauen steigen kann. Und wir brauchen mehr Mobilität, damit die Menschen Zukunftschancen dort ergreifen, wo Jobs auf sie warten.“

Lehre im Aufwind

Klar im Aufwind sieht Scheichelbauer-Schuster das Image der Lehre, befeuert nicht zuletzt durch das Vorbild der jungen österreichischen Spitzenfachkräfte, die bei EuroSkills in Graz im September historische 33 Medaillen in 48 Berufen geholt haben – davon mehr als die Hälfte in Handwerks- und Gewerbeberufen.

Die Lehrlingszahlen sind mehr als erfreulich. Wir haben im Gewerbe und Handwerk aktuell 47.294 Lehrlinge, um 0,8 Prozent mehr als vor einem Jahr. Bei den Lehranfängern beträgt das Plus sogar 4,4 Prozent, um 580 mehr als vor einem Jahr. Und es könnten sogar noch mehr sein, es gibt tausende offene Lehrstellen, weil die Ausbildungsbetriebe nicht genügend Bewerberinnen und Bewerber finden, um diese zu besetzen.

Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk

Qualifikation auf gutgemacht.at besiegelt

Ein rundum positives Resümee gibt es für die Zusammenarbeit mit der Plattform gutgemacht.at der Kleinen Zeitung. „Die Kooperation zwischen gutgemacht.at und der Sparte Gewerbe und Handwerk hat sich als sehr fruchtbar erwiesen“, sagte Thomas Spann, Geschäftsführer der Kleinen Zeitung: „Rund 860.000 Userinnen und User informieren sich dort pro Jahr aktiv über Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen.“ Für diese seien rund 70.000 Bewertungen abgegeben worden – „eine Form von digitaler Mundpropaganda“. Und: Mehr als 2.000 Betriebe haben auf gutgemacht.at ihre Qualifikation – mit dem Gütesiegel „Meisterbetrieb“ oder „staatlich geprüfter Betrieb“ – in die Auslage gestellt.

Das Gewerbe und Handwerk leistet sehr viel für die Weiterentwicklung der Qualifikationen. Seit 2018 wurden im Gewerbe und Handwerk 20 Lehrausbildungsordnungen überarbeitet und 14 neue Lehrberufe geschaffen. Von jenen 78 Meister- sowie 19 Befähigungsprüfungsordnungen, die zur Überarbeitung anstehen, wurden bereits mehr als zwei Drittel fertiggestellt.

Reinhard Kainz, Bundesspartengeschäftsführer

Diese Modernisierung trägt spürbar zur Attraktivität der Höherqualifizierung bei. Im schwierigen Corona-Jahr 2020 konnten 4.318 Personen ihre Meister- oder Befähigungsprüfung erfolgreich abschließen. Damit wurde der hohe Wert des Jahres 2019 (4.366) nahezu gehalten und gegenüber 2018 (3.904) ein Zuwachs von mehr als 10 Prozent erreicht.

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