Handelsbranche 2020: 4.040 Geschäfte geschlossen, Trend setzte sich 2021 fort

Handelsbranche 2020: 4.040 Geschäfte schließen

Der Handel ist für die österreichische Wirtschaft von zentraler Bedeutung. 77.700 Unternehmen mit insgesamt 598.600 unselbstständig Beschäftigten sind in der Handelsbranche (Einzelhandel, Großhandel, Kfz-Handel) tätig. Gemeinsam erzielen sie einen Umsatz von mehr als 266 Mrd. Euro und eine Bruttowertschöpfung von 39 Mrd. Euro, so das Ergebnis der letzten Strukturerhebung der KMU Forschung Austria im Auftrag des Handelsverbandes.

Der heimische Handel ist der Beschäftigungs- und Wirtschaftsmotor der Republik Österreich. Die Händler stellen fast ein Viertel aller Betriebe der österreichischen Volkswirtschaft. Unsere Branche ist der zweitgrößte Arbeitgeber und der umsatzstärkste Wirtschaftsbereich des Landes. Allein im Einzelhandel sind mehr als 330.000 Mitarbeitende beschäftigt. Im Vergleich mit vielen anderen Branchen sind wir ein wirtschaftlicher Riese, aber in der politischen Wertschätzung noch immer ein Zwerg.

Rainer Will, Geschäftsführer Handelsverband

Die Politik und vor allem die Bundesregierung ist aufgerufen, dies rasch neu zu bewerten und neu zu leben. Konkret bestehen pandemiebedingte und strategische Handlungserfordernisse, die umzusetzen sind, um die Branche zu stabilisieren, Arbeitsplätze zu sichern und künftig wettbewerbsfähiger zu machen.

Von 2015 bis 2019 hat sich der Handel dynamisch entwickelt und wesentlich zum Wachstum der österreichischen Wirtschaft beigetragen. Mit Beginn der Corona-Pandemie hat dieser positive Trend ein abruptes Ende gefunden. Die Anzahl der Handelsunternehmen ist allein 2020 um 4.040 (-5%) gesunken, wenn man die Neueröffnungen von den Schließungen abzieht. Die Umsätze sind branchenübergreifend um 4% zurückgegangen.

Jahresumsatz 2021 im Einzelhandel bei rund 74,5 Mrd. Euro

Der Handelsverband und das WIFO haben eine Gesamtjahresprognose 2021 für den stationären österreichischen Einzelhandel von 74,4 Mrd. Euro brutto abgeleitet. Eine moderate Steigerung von rund 3% gegenüber dem Krisenjahr 2020. Bereinigt man allerdings um die durchschnittlichen Preissteigerungen im Gesamtjahr, ist der stationäre Handel im Vorjahr real mit ca. 1,5% nur halb so viel gewachsen.

Handel ist nicht gleich Handel. Manche profitieren von der Krise, insbesondere der internationale Onlinehandel. Andere verlieren massiv, etwa der Mode- und Schuhhandel, Juweliere oder stationäre Retail-Formate von Generalisten. Viele Non-Food-Händler, kleine Einzelkämpfer aber auch große Traditionshäuser, existieren nur mehr auf dem Papier. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Diversität der Handelslandschaft, Stadt- und Ortskerne sind absehbar negativ.

Rainer Will

2G Regelung drückt Umsätze in vielen Handelsbranchen massiv

Zwar hatte sich die wirtschaftliche Lage der Handelsbranche in den ersten drei Quartalen des Vorjahres deutlich verbessert, doch der neuerliche bundesweite „harte Lockdown“ im November und Dezember sowie der seit 16. November geltende „Lockdown für Ungeimpfte“ drücken auf die Handelsumsätze. Von Normalbetrieb kann im Handel also bei weitem nicht die Rede sein, Shoppen ist in den Geschäften abseits der Grundversorgung weiterhin nur mit gültigem 2G-Nachweis möglich.

Menschen ohne Corona-Impfung oder Genesungsnachweis dürfen selbst mit einem negativen PCR-Test nicht mehr im Non-Food-Handel einkaufen. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung kann seither beispielsweise keine Schuhe oder Winterjacken mehr im stationären Handel einkaufen. Deren Kaufkraft hat sich in der wichtigsten Zeit des Geschäftsjahres für den Handel hin zu den digitalen Giganten verschoben.

Neben dem volkswirtschaftlichen Schaden verstärkt die 2G-Regelung im Handel auch die Spaltung in der Bevölkerung, ohne das Infektionsgeschehen zu beeinflussen. Denn der Lebensmittelhandel beweist täglich, dass sicheres Shopping für alle Menschen in unserem Land aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauern, des losen Kundenkontaktes und bestehender Sicherheitsmaßnahmen garantiert ist.

Schließungen des Handels haben keine signifikanten Auswirkungen auf Infektionsgeschehen

Letzte Woche hat auch Christian Drosten (Charité Berlin), der bekannteste Virologe Deutschlands, in seinem Podcast bestätigt, dass eine Schließung des Handels keine signifikanten Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen hat. Zahlreiche nationale wie internationale Studie (u.a. US-amerikanische Nationale Akademie der Wissenschaften; Conseil scientifique COVID-19 in Frankreich; Stanford University; Epidemiologische Abklärung der AGES) belegen dies.

Ein Nachbessern der Bundesregierung bei den Corona-Entschädigungen für die Handelsbranche ist mehr als erforderlich, denn viertausend Geschäfte haben das Jahr 2021 nicht überlebt und mussten schließen. Je kleiner der Betrieb, je weniger digital, je abhängiger vom Tourismus, desto dicker ist das Minus und der Schuldenberg. Aber auch viele beschäftigungsintensive Traditionshäuser sind bereits in Insolvenzgefahr.

Jeder weitere Lockdown im Handel würde das Händlersterben massiv befeuern, obwohl man kaum wo sicherer ist als im Handel, der nachweislich ein Corona-Safespot ist. Wir müssen sicherstellen, dass die Hilfen endlich treffsicher ankommen. Die hohen Fixkosten drücken auf das Eigenkapital und die Liquidität. Wir müssen dafür sorgen, dass die Händler weder kurzfristig am Lockdown zugrunde gehen noch langfristig an Financial Long Covid.

Stephan Mayer-Heinisch, Handelsverband-Präsident

Drei Forderungen des österreichischen Handels an die Politik

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