Hubert Fechner: „Wir brauchen mehr Flexibilität“

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Die Energiewende läuft, Strom wird immer wichtiger. Neben der Wasserkraft stehen vor allem Photovoltaik und Windkraft im Mittelpunkt. Dabei muss auch die Struktur der Energieversorgung komplett neu überdacht werden. ELEKTRO|branche.at hat darüber mit dem international anerkannten österreichischen Experten Hubert Fechner gesprochen.

Seit über 20 Jahren redet man intensiver übers Thema Photovoltaik – wobei der Anlagen-Zuwachs in den ersten Jahren eher gemächlich war. So richtig los gings erst 2020 – seitdem steigt die Anzahl der neu installierten PV-Systeme rasant an: 2020 mit 341 MWp, 2021 mit 740 MWp und für 2022 wird mit rund 1.000 MWp gerechnet. Hubert Fechner: „In 20 Jahren haben wir mit Müh und Not 3 GWp installiert. Das war aber nicht mehr als ein nettes Vorspiel. Richtig los mit der Entwicklung in der Photovoltaik geht es jetzt erst.“

Der Experte rechnet damit, dass man in Österreich bis zur Klimaneutralität 40 GW und mehr benötigt, selbiges bestätigen übrigens auch zahlreiche internationale Studien. Diese besagen auch, dass Photovoltaik und Windkraft ein größeres Steigerungspotenzial haben als die Wasserkraft, die weltweit bereits zu etwa 60-70 Prozent ausgebaut ist. „Neue Wasserkraftwerke sind schwierig, weil es ja immer auch ein massiver Eingriff in die Natur ist. Das wollen die Menschen nicht.“ Nicht zuletzt ist die dynamische Entwicklung im PV-Bereich auch an den Zahlen der (von der Abwicklung her eher unglücklichen) PV-Förderungs-Calls bestens ersichtlich.

PV Zubau 2010 2021 hubert fechner
© PV Austria

Hubert Fechner: „Markt durch Förderfaktoren verzerrt“

„Das Fördersystem ist ein Wahnsinn. Es ist schlimm, wenn wir unsere Energiezukunft auf einer derartigen Absurdität aufbauen“, so Fechner. Aufgebaut vor vielen Jahren für ein paar hundert Menschen, ist es bei 100.000 und mehr Anträgen pro Call ein teures und ineffektives Nadelöhr. „Ein dummes System mit hohen Verwaltungskosten“.

Ein dummes System mit hohen Verwaltungskosten.

Hubert Fechner über das österreichische PV-Fördersystem

Der Vorschlag des PV-Experten: „Die von Energieministerin Leonore Gewessler angesprochene Streichung der Mehrwertsteuer auf die Anschaffung einer PV-Anlage könnte eine große und unbürokratische Abhilfe sein. Während Corona hat man es ja auch geschafft von heute auf Morgen die Steuersätze zu ändern. Und auf Holz-Pellets zahlt man auch nur mehr 13 Prozent MwSt. Es gibt daher eigentlich keinen Grund, das nicht auch für die Photovoltaik umzusetzen.“ Derzeit legt sich hier aber bekanntlich der Finanzminister quer.

„Man muss endlich wegkommen vom Glauben, dass das die Photovoltaik eine unbedeutende Nischentechnologie für ein paar Motivierte ist. Aus der kleinen Nachfrage von so genannten Öko-Spinnern ist eine Massenentwicklung geworden“, fordert Hubert Fechner ein nachhaltiges Umdenken in Politik und Verwaltung.

Erneuerbare: wichtige Energielieferanten

Derzeit hat rund 20 Prozent der gesamten Primärenergie mit Strom zu tun. Das wird massiv steigen. „Man geht allgemein davon aus, dass es zukünftig rund 40 bis 60 Prozent sein werden“, gibt Hubert Fechner zu bedenken. Der Sektor werde massiv boomen. Man brauche sich nur den gestiegenen Bedarf bei der e-Mobilität, im Wärmebereich und der Digitalisierung ansehen.

Österreich sei dabei in der guten Lage, mit der bereits bestehenden Wasserkraft, der Windkraft und der Photovoltaik drei erneuerbare Energieträger mit gutem Potenzial zu haben. Stößt man bei der Wasserkraft allerdings schon an die Grenzen, geht das Potenzial beim Wind von derzeit 13 Prozent in Richtung 20 bis 25 Prozent. Die Photovoltaik ist von 3 Prozent (2019) auf 5 Prozent im Jahr 2021 gestiegen, die Zuwachsraten bei den Anlagen steigen hier inzwischen exponentiell. Zudem würden sich Windkraft und Sonnenstrom laut Fechner einander perfekt ergänzen: Liefern PV-Module vor allem in sonnigen Jahreszeiten am meisten Strom, so erzeugen Windräder rund zwei Drittel ihrer Energie im Winterhalbjahr.

Das Stromnetz als Nadelöhr?

Hemmnisse erlebt der Ausbau von Wind- und PV-Energie durch die verfügbare Aufnahmefähigkeit der Stromnetze. Auch wenn die Priorität selbstverständlich beim Eigenverbrauch liegt, „… mehr als 30 Prozent kann man im Haushalt aber kaum direkt verbrauchen“, weist Hubert Fechner auf die Problematik hin. Natürlich kann man sich daheim mit Stromspeicher oder dem Elektroauto einen (kurzfristigen) Ausweg schaffen, den gerade in sonnigen Zeiten zu erwartenden Überschuss muss aber der Netzbetreiber abnehmen. Und der hat immer öfter aber das Problem, dass die Netze zu schwach dafür sind, jeden bzw. jederzeit Sonnenstrom abzunehmen. Im Stromnetz müssen Angebot und Nachfrage ausgeglichen sein, sonst gibt es Spannungs- bzw. Frequenzprobleme, die im schlimmsten Fall der Fälle das Netz abstürzen lassen.

Sicher könne man den nun Netzbetreibern nun vorwerfen, dass sie den Ausbau verschlafen haben. Allerdings sei das, so Fechner, auch nur die halbe Wahrheit. „Natürlich ist weiterer Netzausbau notwendig. Um die Stromlieferungen jedoch jederzeit aufnehmen zu können, müsste das Netz auf unwirtschaftliche Maximalleistung gepusht werden. Da stellt sich dann die Frage, ob das sinnvoll ist.“ Zudem weiß heute niemand genau, wie viel Netz bei der rasanten Zunahme der Erneuerbaren und Zuwachs beim Stromverbrauch benötigt wird. „Volkswirtschaftlich ist es ein Unsinn, für eine begrenzte Zeit im Jahr die Stromnetzstruktur so stark auszubauen“, gibt Hubert Fechner zu bedenken.

Neue Netzstrukturen sind notwendig

Seit geraumer Zeit beschäftigt sich die Technologie Plattform Photovoltaik Austria, gemeinsam mit dem Bundesverband Photovoltaic Austria, daher konkret mit der Frage der Netzintegration mit innovativen, international aber bereits erprobten Lösungen. Fakt ist, dass es künftig ohne intelligentem Energiemanagement bei Konsumenten bzw. PV-Strom-Erzeugern sowie den Netzbetreibern nicht funktionieren wird.

Beide Systeme (PV-Anlage und Netz) müssen künftig miteinander kommunizieren und der Stromfluss muss, abhängig von der aktuellen Aufnahmefähigkeit, automatisch reguliert werden. Dadurch wird aber auch der kleine PV-Strom-Einspeiser (Mit-)Verantwortung für das Stromsystem übernehmen müssen. Wie das funktionieren kann und warum PV- und Windkraft-Anlagenbetreiber mittels effizientem und kostenregulierendem Energiemanagement in Verantwortung gezogen werden müssen, lesen Sie in der Fortsetzung dieser Interviewreihe.

Hubert Fechner © OVE

Dipl. Ing. Hubert Fechner, MSc., MAS ist Obmann des 2008 gegründeten Vereins Technologieplattform Photovoltaik Austria (TPPV).

Nach seinem Studium der Elektrotechnik/Energietechnik an der TU Wien schloss er weitere Studien in Umweltmanagement und Organisationsentwicklung ab. Von 1992-2008 war er am Österreichischen Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal (heute AIT) maßgeblich beteiligt an Aufbau und Leitung des Fachbereichs „Erneuerbare Energie“ und in weiterer Folge Studiengangleiter an der FH Technikum Wien.

Der international anerkannte Experte ist Stv. Vorsitzender des Photovoltaik Power Systems Programm der Internationalen Energieagentur (IEA). Zudem ist er als Evaluator des Schweizer Energieforschungsprogrammes, speziell in den Forschungsbereichen Photovoltaik und Smart Grids tätig.

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