Studie: Der österreichische Handel nach 15 Monaten Pandemie

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Nach wie vor sind die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie im österreichischen Handel deutlich spürbar. Durchschnittlich verzeichneten die heimischen Handelsunternehmen einen Umsatzeinbruch von 25 Prozent im Verlauf der Pandemie. Und fast jeder zweite österreichische Händler rechnet auch heuer mit Corona-bedingten Umsatzeinbußen.

Bei mehr als jedem zweiten Händler (52 %) gingen die Umsätze sogar um mehr als 25 Prozentpunkte zurück. Am stärksten betroffen waren jene Geschäftszweige, die wegen der verhängten Lockdowns mit langen Schließungen zu kämpfen hatten. Dazu zählen unter anderem Juweliere, Optiker und Fotoserviceanbieter (minus 39 %) aber auch der Großhandel (minus 36 %). Insgesamt konnte nur jeder dritte Händler steigende Umsätze verzeichnen (31 %).Die Folgen der Corona-Pandemie werden auch im laufenden Geschäftsjahr weiterhin deutliche Spuren hinterlassen: Für das Jahr 2021 erwartet fast die Hälfte der Handelsunternehmen (43 %) sinkende Umsätze von durchschnittlich minus vier Prozent. Besonders betroffen sind hier kleine Unternehmen, bei denen das Minus sogar bei sieben Prozent liegt.

„Die Pandemie hat den österreichischen Handel wie ein Vorschlaghammer getroffen. Jedes zweite Geschäft musste einen Umsatzrückgang von mehr als 25 Prozent bis hin zum Totalausfall verkraften. Die jüngsten Öffnungsschritte machen Hoffnung, doch die Krise ist noch nicht überstanden. Derzeit kämpfen die heimischen Händler um jeden Euro in der Kasse und damit um jede Konsumentin und jeden Konsumenten. Heuer erwartet zwar die Mehrheit der Betriebe leicht steigende Umsätze, immerhin 43 Prozent rechnen jedoch mit noch höheren Verlusten als schon im Corona-Jahr 2020″, analysiert Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

Leichte Erholung erwartet

Die Erwartungen der befragten österreichischen Handelsunternehmen hinsichtlich der Kundenfrequenz im Laufe des Jahres 2021 sind hingegen vorsichtig optimistisch: 28 Prozent der österreichischen Handelsunternehmen rechnen mit einer leichten Erholung bis zehn Prozent, nur jeder Zehnte erwartet eine deutliche Erholung mit mehr als zehn Prozent gesteigerter Frequenz. 41 Prozent gehen davon aus, dass die Kundenfrequenz auf dem aktuellen Niveau bleiben wird, zwei von zehn Unternehmen (21 %) rechnen mit einer Verschlechterung der Kauflaune durch die Wirtschaftskrise. Insgesamt hat sich die Kundenfrequenz im bisherigen Verlauf der Coronakrise deutlich negativ entwickelt und ging um durchschnittlich 31 Prozent zurück. Das sind zumindest die Ergebnisse einer Umfrage des Handelsverbandes und der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die 136 Mitglieder des österreichischen Handelsverbands befragt wurden. Die Umfrage bildet damit die gesamte Branche über alle Größenklassen und Warengruppen – vom EPU und KMU bis hin zum filialisierten Unternehmen – ab.  

Regionalität und Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch

Ein Blick in die Zukunft zeigt: Die befragten Handelsunternehmen sehen zahlreiche Veränderungen für den Handel bzw. das Konsumverhalten als Folge der Corona-Krise. So rechnen 81 Prozent auch nach der Krise vermehrt mit Online-Bestellungen und folglich mit einem Rückgang von Einkäufen in stationären Filialen (48 %). Auch der Ruf nach heimischen Produkten und Dienstleistungen wird lauter. Die Hälfte der Unternehmen (52 %) sieht hier eine Steigerung der Nachfrage nach Regionalität, 40 Prozent erkennen einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit. „Gerade hier können vor allem kleinere Unternehmen punkten. EPU und KMU überzeugen durch Authentizität und spezielles Kundenservice – sie sind nahe an den Konsumentinnen und Konsumenten und dadurch mit Nachhaltigkeitsbestrebungen und Regionalitätsversprechen besonders glaubwürdig. Außerdem können sie in Krisenzeiten oftmals rasch und flexibler agieren, um direkt auf die akuten und aktuellen Wünsche der Kundschaft anzusprechen“, kommentiert Martin Unger, Leiter der Strategieberatung EY-Parthenon sowie Verantwortlicher für den Handel & Konsumgütersektor bei EY Österreich.

Lieferverzögerungen und Lieferantenausfälle

Die Entwicklungen rund um COVID-19 in den letzten Monaten haben auch ein großes Maß an Planungsunsicherheit in Sachen Lagerstand erzeugt. Fast zwei Drittel der Händler (62 %) geben an, sich mit einer Steigerung des Lagerstandes konfrontiert zu sehen, drei Viertel (78 %) der befragten Unternehmen haben mit Lieferverzögerungen oder Lieferantenausfällen zu kämpfen.“

Corona führt zu massiven Verwerfungen in der Supply Chain. Acht von zehn Händler kämpfen mit Lieferverzögerungen, während gleichzeitig fast zwei Drittel aller Betriebe durch die harten Lockdowns Altwarenbestände aufgebaut haben“, so Will.Obwohl es wichtig ist, potenzielle Käufer ins Geschäft zu holen oder die Warenkörbe zu vergrößern, möchte mehr als die Hälfte der Unternehmen (59 %) auf die Verstärkung von Preis- und Rabattaktionen verzichten, nur jedes zehnte (9 %) plant deutliche Vergünstigungen für alle Konsumenten. „Ausgelöst durch die Corona-Krise zeichnet sich ein Wandel im Privatleben, in der Gesundheitsvorsorge, bei sportlichen Betätigungen, im Beruf, in der Ausbildung und natürlich auch beim Konsum ab. Die Kundinnen und Kunden kaufen bewusster ein, oftmals weg von Billigpreisen hin zu qualitativ hochwertigen Produkten. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, nicht durch gedrückte Preise, sondern durch Angebotsvielfalt, Service und Qualität herauszustechen“, analysiert Unger.

„Wir gehen heuer von einer den Umständen entsprechenden, positiven Umsatzentwicklung der österreichischen Händler über dem Vorjahresniveau aus. Allerdings sind die in der Pandemie gelernten Trends aus Kundensicht unumkehrbar und viele kleine Händler werden sich künftig schwertun. Es wird zu massiven Strukturveränderungen im Handel kommen. Daher braucht es mehr staatliche Unterstützung für KMU-Händler, eine rasche Senkung der Lohnnebenkosten sowie die sofortige Abschaffung der Mietvertragsgebühr.“

Harald Gutschi, Sprecher der Geschäftsführung der UNITO/Otto-Gruppe Österreich: 

Hausaufgaben

Der Handelsverband hat sich als erste Organisation in der Corona-Krise für ein Vorziehen der bereits paktierten Steuerreform eingesetzt, um die Kaufkraft der Bevölkerung nachhaltig abzusichern. Eine signifikante Entlastung des Faktors Arbeit ist aus HV-Sicht alternativlos, um den Wirtschaftsstandort Österreich langfristig abzusichern. Überdies fordert der Handelsverband die Abschaffung der Mietvertragsgebühr (ein Relikt aus den Zeiten Maria Theresias) sowie die Schaffung des neuen Aufbaulehrgangs „eCommerce-Fachwirt:in“, um dem akuten Fachkräfte- und Lehrlingsmangel entgegenzuwirken.

Überfällige regulative Hausaufgaben gibt es auch auf dem Gebiet des digitalen Fairplays: Um langfristig faire Wettbewerbsbedingungen mit großen Plattformen wie Amazon zu erreichen, müssen diese stärker in die Pflicht genommen werden. Der Handelsverband hat hierzu zwei Ansätze entwickelt, die einerseits den Verbraucherschutz vor Produktfälschungen und andererseits die Teilnahme asiatischer Händler bei Sammel- und Verwertungssystemen betreffen. In beiden Fällen wäre eine Plattformhaftung wichtig, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.„Nach der Gesundheitskrise gilt es nun, die Wirtschaftskrise mit derselben Entschlossenheit zu bekämpfen. So soll etwa die Einführung einer Plattformhaftung bei Produktfälschungen und bei unvollständiger Bezahlung der Abfallentsorgungsgebühren anfallen, wenn die auf Marktplätzen gelisteten Drittstaaten-Händler nicht direkt in Anspruch genommen werden können. An einer globalen Mindeststeuer von zumindest 15 Prozent führt ebenfalls kein Weg mehr vorbei. Wir brauchen diese Regelung so rasch wie möglich, allerspätestens bis Ende des Jahres“, so Handelssprecher Rainer Will.

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