Die österreichische Regierung stellt für den Ausbau von Photovoltaikanlagen im Jahr 2023 rund 600 Mio. Euro an Fördermittel zur Verfügung und will damit die Energiewende deutlich beschleunigen. Immer mehr Menschen wollen sich daran beteiligen, nicht zuletzt auch wegen der gestiegenen Strompreise. Was vielen nicht bewusst ist, sind einfache physikalische Zusammenhänge, die dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung machen könnten.
Die ganze Problematik beginnt damit, dass Strom ein sehr empfindliches Gut ist und zu jedem Zeitpunkt genau so viel Strom erzeugt werden muss, wie gerade verbraucht wird. Das war im bisherigen großtechnischen System relativ einfach möglich, weil es zum einen die Momentanreserve in der Schwungmasse der Generatoren und zum anderen den Speicher in der Primärenergie gab. Die Momentanreserve regelt permanent Schwankungen aus rein physikalischen Gründen aus. Konventionelle Kraftwerke sind aber aus bekannten Gründen nicht mehr erwünscht und sollen nun durch Stromerzeugungsanlagen wie PV- und Windkraftanlagen ersetzt werden, was auch schon umfassend geschehen ist.
Dabei gibt es jedoch zwei wesentliche Grundprobleme: Erstens verfügen die neuen EE-Anlagen über keine Momentanreserve, welche die Schwankungen ausgleichen könnte. Es gibt zwar Ansätze mit Leistungselektronik und großen Batteriespeichern, aber bisher fast nur im Pilotstadium. Die bestehenden Anlagen werden aber bereits in großem Umfang abgeschaltet oder sind zu bestimmten Zeiten, in denen viel EE-Strom zur Verfügung steht, immer weniger am Netz. Damit steigt die Anfälligkeit des Stromversorgungssystems für Großstörungen.
Unter Umständen fehlen dann die Puffer, um größere Ausfälle oder Schwankungen aufzufangen. Und niemand weiß genau, wo die Grenze der Belastbarkeit liegt. Wie in jedem komplexen System gibt es dann Kipppunkte, an denen es von einem Moment auf den anderen zu einem Phasenübergang und im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch des Systems oder größerer Teile davon, kommen kann. Dies wird dann auch als Blackout bezeichnet, das uns zum Glück bisher erspart geblieben ist.
Das zweite große Problem besteht darin, dass die bisherigen Großkraftwerke Verbrauchsschwankungen relativ einfach ausgleichen konnten, indem sie die in den Primärenergieträgern Kohle, Gas, Uran oder auch Wasser gespeicherte Energie nutzten. Auch das nehmen wir als selbstverständlich hin, obwohl Wind oder Sonne nicht flexibel abrufbar sind.
Im jetzigen Mischsystem funktioniert das zwar noch ganz gut, aber es führt auch zu erheblichen und teuren Ausgleichsmaßnahmen. So explodierten in Österreich von 2011 bis 2022 die Kosten für das Engpassmanagement zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität von 2 auf 718 Mio. Euro. Das zahlen alle Kunden über die Netzentgelte. Gleichzeitig gab es bisher kaum einen Speicherausbau, um dieses Problem auch auf der erneuerbaren Seite anzugehen. Natürlich gibt es immer mehr Heimspeicher und noch größere Batteriespeicher in Elektroautos. Aber das sind alles keine Größenordnungen im Vergleich zu unserem täglichen Stromverbrauch.
Die derzeit effektivste und effizienteste Speichertechnologie mit dem höchsten Wirkungsgrad sind Pumpspeicherkraftwerke. Wir haben in Österreich eine theoretische Speicherkapazität von 3.300 Gigawattstunden (GWh). Im Vergleich dazu hat Deutschland nur eine Speicherkapazität von 40 GWh. Mit diesen Speicherkapazitäten könnte sich Österreich je nach Jahreszeit theoretisch 3 bis 15 Tage nur aus den Speicherseen mit Strom versorgen. Deutschland könnte dies für maximal 30 bis 60 Minuten. Die Ausbaupotenziale sind überschaubar und scheitern meist am Bürgerwiderstand.
Wenn heute im Burgenland der Wind optimal weht, wird an einem Tag so viel Überschussstrom aus Windkraft erzeugt, dass damit rund 240.000 große Elektroautos von leer auf vollgeladen werden könnten. Wenn der Wind am nächsten Tag wieder abflaut, bräuchte man wieder 80.000 Elektroautos, um nur das Burgenland mit rund 300.000 Einwohnern mit Strom zu versorgen. Heutige Heimspeicher haben etwa ein Siebtel der Kapazität von Autobatterien. Zudem können Batterien nie vollständig entladen werden, noch würde heute eine Koordination funktionieren.
Hinzu kommt, dass hier gerne Äpfel mit Birnen verglichen werden. So wird etwa die im Labor maximal mögliche Leistung einer PV-Anlage als installierte Leistung verkauft. Diese sagt aber wenig über die tatsächlich verfügbare Leistung aus, die bei PV nachts gleich Null ist und in der Regel kaum mehr als 70 % der maximalen Leistung (Kilowatt-Peak; kWp) beträgt. Hinzu kommen saisonale Schwankungen. Das Gleichgewicht im System muss jedoch zu jedem Zeitpunkt aufrechterhalten bleiben.
Ähnlich wird mit den Speicherkapazitäten bei Batteriespeichern verfahren. Auch hier werden die Maximalwerte addiert und als tatsächlich verfügbare Leistung dargestellt. Weder sind alle Speicher immer voll, noch sind diese systemdienlich konfiguriert. Man kann sich also mit der Statistik sehr gut selbst täuschen.
Eigentlich ist es noch problematischer: Die meisten Speicher verhalten sich sehr ähnlich und laden zur gleichen Zeit und sind zur gleichen Zeit voll – meist um die Mittagszeit, wenn der Speicherbedarf am höchsten wäre. Und abends entladen sich alle wieder ähnlich, so dass die Verbraucher oft zur ähnlichen Zeit wieder Strom aus dem Netz beziehen müssen. Dadurch wird das System zusätzlich belastet statt entlastet. Hier fehlt ein orchestriertes Vorgehen. Etwas, das wir in der Energiewende derzeit leider häufig erleben: Es geht fast nur um Einzelteiloptimierung und kaum um Systemoptimierung, was das System störanfälliger macht und vor allem die Kosten explodieren lässt.
Die dritte wesentliche Komponente ist die Infrastruktur, die alles miteinander verbindet und jederzeit für Ausgleich sorgt: die Netze, aber auch die dafür notwendigen Betriebsmittel wie Transformatoren. Hier passiert die nächste Selbsttäuschung. Viele PV-Anlagenbesitzer sind auf den ersten Blick zu Recht der Meinung, dass sie die Infrastrukturkosten nicht bezahlen wollen, weil sie ja einen Großteil ihres Stroms selbst erzeugen oder sogar mehr, als sie selbst verbrauchen können. In anderen Produktsegmenten wäre das kein Problem, das könnte man einfach lagern. Bei Strom geht das nicht so einfach, weil es ein Just-in-Time-Produkt ist.
Jeder Kunde möchte jedoch zu jeder Zeit den Lichtschalter betätigen können, auch wenn die Sonne nicht scheint oder der Speicher schon leer ist. Und auch wenn das nur wenige Male im Jahr nötig ist, erwartet man, dass es jederzeit möglich ist. Dafür muss aber auch für diese wenigen Zeitpunkte eine Schatteninfrastruktur vorgehalten werden, die dann sehr teuer wird. Zum anderen wurde die bisherige Infrastruktur nie für Großverbraucher wie Elektroautos oder Wärmepumpen bzw. für große PV-Anlagen gebaut.
Mit zunehmender Skalierung wird es daher immer häufiger zu lokalen und regionalen Problemen und Überlastungen kommen, vor allem wenn die Politik weiterhin Rahmenbedingungen setzt, die mit der Physik nicht in Einklang zu bringen sind. Mit der reinen Förderung des PV-Ausbaus ohne begleitenden, deutlich zeit- und ressourcen-intensiveren Netz- und Speicherausbau werden die Störungen absehbar zunehmen und im schlimmsten Fall zu einem (Teil-)Systemausfall führen.
Abschließen daher noch ein paar Gedanken zum Thema Autarkie: Eine Autarkie auf Objektebene ist in der Regel wenig sinnvoll und sehr teuer. Zudem ist die Energieversorgung eine Gemeinschaftsaufgabe. Vielmehr bräuchten wir hier ein Energiezellensystem, in dem Erzeugung, Speicherung und Verbrauch lokal oder regional ausbalanciert werden können und eine definierte Rückfallebene für Notfälle vorgehalten werden kann. Davon sind wir leider noch weit entfernt, weil unser Denkrahmen immer noch im bisher sehr erfolgreichen großtechnischen System gefangen ist, obwohl wir gleichzeitig die Rahmenbedingungen und die Komplexität massiv erhöhen.
Dazu ist es zwingend erforderlich, über die bisherigen Systemgrenzen hinaus zu denken und andere Energiedomänen wie Wärme oder Mobilität mit einzubeziehen. Auch wenn es die eine oder andere Bewegung in diese Richtung gibt, bewegt sich die Regulierung noch weitgehend im alten Denkrahmen und verhindert neue Ansätze. Ein systemischer Ansatz ist kaum erkennbar. Es ist also noch viel zu tun. Der erste Schritt beginnt beim Systemverständnis, wo gilt: Nur wer das Ganze kennt und versteht, versteht auch die Details und nicht umgekehrt. Dieser Beitrag kann hoffentlich einige Mythen ins rechte Licht rücken und ein paar neue Impulse geben.