Die weltweite Covid-19 Pandemie hat dem Stellenwert von Online-Shops eine neue Dimension gegeben. Entweder man hat die digitale Verkaufsfläche, oder Unternehmen nutzen die geänderten Rahmenbedingungen zum Aufbau eines neuen Shops.
Eine Studie des Marktforschungsinstituts Marketagent prognostiziert für das Jahr 2027 eine knappe Verdopplung der digitalen Kommunikation auf 29%. Für das Einkaufsverhalten stellen die Ergebnisse eine Vervierfachung der E-Commerce Ausgaben in Österreich in Aussicht, mit einem Anteil von über 20% am gesamten Einzelhandelsumsatz in einigen Jahren. Zu berücksichtigen ist bei den Zahlen, dass der Corona-Effekt und das damit verbundene geänderte Shopping-Verhalten zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht absehbar war und die prognostizierten Werte in der Realität noch höher sein können.
Das Shopsystem
Beim Einstieg in E-Commerce spielt – wie immer bei fundierten Entscheidungen mit längerer Perspektive – die Strategie eine wichtige Rolle. Es geht um Fragen zum Geschäftsmodell, der avisierten Zielgruppe und deren Erwartungen, die Einordnung der Wettbewerber bzw. dem damit verbundenen Marktpotenzial für den digitalen Verkauf von Produkten. E-Commerce kann zu Beginn das Verkaufen über einen Marktplatz wie Amazon oder eBay sein. Nach ersten Erfahrungen oder der bewussten Entscheidung für einen eigenen Online-Shop gibt es eine Vielzahl von wichtigen Weichenstellungen.
Eine fundamentale Grundlage ist das gewählte Shopsystem. Beim Blick auf die größten Online-Shops führen internationale Systeme wie von Magento, Salesforce Commerce Cloud, OXID eShop oder Hybris. Doch bereits vor der Entscheidung für ein bestimmtes System ist die Wahl zwischen unterschiedlichen Varianten. Die Bandbreite umfasst Open-Source Lösungen mit individueller Anpassung (wie OXID), das oft für KMU interessante „gemietete“ Software as a Service – abgekürzt SaaS (wie Jimdo) – oder On-Premises-Lösungen mit Inhouse-Verwaltung bei starkem Sicherheitsfokus (wie Gambio). Je nach System sind Funktionen wie Produktsuche, Bestandsmanagement, Check-out, Kundenkonten und Bestellmanagement inkludiert. Eine interessante Übersicht bietet in diesem Zusammenhang der Shopsystem-Guide von Mollie.
Die sieben Erfolgsfaktoren
Doch welche Anforderungen und Erwartungen haben Online-Shopper? Welche Services werden vom Online-Händler verlangt? Untersuchungen ergeben im Kern sieben Erfolgsfaktoren für Online-Shops. Der Erfolg ergibt sich im Überblick aus einer gelungenen Mischung der Parameter Design, Usability, Sortiment, Preis-Leistung, Service, Bezahlung & Check-out sowie Versand & Lieferung.
Der erste Erfolgsfaktor Design beeinflusst den ersten Eindruck aus Kundensicht, verbunden mit der Verweildauer und der Chance für den Kaufabschluss. Oft gilt das Sprichwort „weniger ist mehr“, eine klare Struktur mit einem neutralen Hintergrund verschaffen Übersicht. Inhaltlich bezieht sich das neben Bildern auf informative Produktbeschreibungen bzw. verständliche Informationen zu den Bezahlmöglichkeiten und Versandbedingungen. Der zweite Erfolgsfaktor Usability hängt eng mit dem Design zusammen. Benutzerfreundlichkeit wird von den Shop-Besuchern als selbstverständlich empfunden, so soll die Suchfunktion problemlos funktionieren und relevante Ergebnisse mit Qualität liefern.
Hilfreich ist auch, wenn für die möglichen Käufer die Verfügbarkeit der interessanten Produkte erkennbar ist. Das für Käufer attraktive Preis-Leistung Verhältnis verbindet als dritter Erfolgsfaktor das Sortiment mit den zu bezahlenden Kosten. Neben dem Preis für ausgewählte Produkte – selektiv eingesetzte Rabatte und Sonderangebote können zusätzliche Impulse schaffen – bezieht sich die Beurteilung auch auf die Kosten für die Zustellung oder eine kostenfreie Lieferung ab einem Mindestbestellwert. Eng damit verbunden ist die Übersichtlichkeit des Warenkorbs bzw. Sicherheit beim Umgang mit Daten und Zahlungen. Services wie Kontaktmöglichkeiten oder eine unkomplizierte Retourenabwicklung runden die Erfolgsfaktoren ab. Eine Studie des E-Commerce-Center (ECC) Köln vertieft diesen Überblick.
Google ist und bleibt die Grundlage
Es ist alles gut vorbereitet, aber es fehlt der „Traffic“? Die Klaviatur der Instrumente der digitalen Kommunikation ist vielfältig. Bei vielen Online-Shops ist die Präsenz in Google eine entscheidende Grundlage, mögliche Käufer „googeln“ bei der Recherche nach interessanten Produkten und Plattformen zum Kaufen. Während Suchmaschinenoptimierung (SEO) langfristig sicherstellt, dass der Online-Shop für relevante Suchbegriffe gefunden wird, bringt Performance-Marketing kurzfristige Ergebnisse. Mit Google Ads und Shopping-Anzeigen werden die Nutzer über bezahlte Werbung auf das Angebot im digitalen Shop aufmerksam, Social Media Kampagnen mit Zielgruppen-Targeting und Display Advertising ergänzen die Möglichkeiten.
Zu den Klassikern des digitalen Marketings zählt der Newsletter, mit einem professionellen Tool werden die Gestaltung und Funktionen wie Anmeldeformulare oder Abonnenten-Verwaltung unterstützt. Über automatisierte Kampagnen können z.B. Warenkorb-Abbrecher angesprochen werden, wichtig sind in Zusammenhang mit Newsletter-Marketing die Berücksichtigung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und die Verpflichtung zur Einholung der Permission über ein Opt-in Verfahren. Zusätzlich bieten Marktplätze wie Amazon oder Vergleichsportale wie Geizhals die Möglichkeit für Aufmerksamkeit unter den Online-Shoppern.
Als laufende Begleitung gehört die regelmäßige Analyse zum Betreiben eines erfolgreichen Online-Geschäfts. Tools wie Google Analytics ermöglichen das Tracking der Kampagnen, das Einordnen der Interessierten im Shop und das Überprüfen des Verhaltens beim Navigieren durch die Seiten bis zum Warenkorb. Bei A/B-Tests kann durch vergleichende Alternativen der Mehrwert von möglichen Optimierungen mit Zahlen fundiert werden. Die Realität wird eine Verbindung aus langfristigem Durchhaltevermögen und kurzfristigen Erfolgen sein. Weiterführende Artikel geben regelmäßig Tipps und Anregungen.
FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner ist Leiter des berufsbegleitenden Masterlehrgangs „Digital Marketing“ der Fachhochschule St. Pölten. Mehr Infos dazu finden Sie unter: https://www.fhstp.ac.at/de/studium-weiterbildung/digital-business-innovation/digital-marketing
Interview mit Stephan Grad,
Chief E-Commerce Manager bei
A-Commerce
Wie beurteilen Sie E-Commerce in Österreich?
E-Commerce in Österreich ist im Aufwind, Covid hat hier definitiv nachhaltig das Bewusstsein für die Notwendigkeit von E-Commerce geschärft. Dennoch muss man immer noch die Perspektive wahren. Im Vergleich zu unseren Nachbarn Deutschland und der Schweiz sind wir immer noch das Schlusslicht der DACH Region. Dies liegt leider daran, dass viele Unternehmen die Herausforderungen von E-Commerce nicht ernst nehmen, somit kein dediziertes Team dafür aufbauen und dann auch die entsprechenden Budgets nicht freigeben. Allzu oft glauben viele Entscheidungsträger immer noch, dass ein Onlineauftritt nicht viel kosten darf – sind ja schließlich nur ein paar Bilder und Code Zeilen.
Welche Tipps haben Sie für die Aufbau eines neuen Online-Shops?
Der technologische Aufbau des Shops selbst ist einfach geworden, was man jedoch zuerst braucht sind 2 Dinge: Eine Strategie und dann ein daran angepasstes Lastenheft. Die Strategie muss ausweisen, was das eigentliche Ziel des Onlineshops ist. Eine Strategie lässt sich grob in 3 Zielsetzungen einteilen: Umsatz, Deckungsbeitrag oder Branding. Je nach Zielsetzung ergeben sich gänzlich unterschiedliche Anforderungen an den tatsächlichen Shop und an das technologische Setup.
Sobald sich das Unternehmen auf die Strategie geeinigt hat, kann man auf Basis dieser Ziele und unter Einbindung der bestehenden Systemlandschaft ein prozessgetriebenes Anforderungsprofil erstellen. Hier gilt unsere Vorgabe: Jede Stunde, die ich vorab in ein qualitativ hochwertiges Anforderungsprofil erstelle, spare ich mir 10x in der tatsächlichen Umsetzung. Mit diesem Anforderungsprofil ist es dann sehr einfach, nicht nur die passenden Systeme zu identifizieren, sondern auch die richtige Umsetzungsagentur ausfindig zu machen.
Welche häufigen Fehler lassen sich beim Betreiben eines Online-Shops vermeiden?
Einen Onlineshop kaufe ich nicht einmal und betreibe ihn dann die nächsten 5 Jahre. Ein Onlineshop gleicht mehr einem lebenden Organismus. Die erste Version ist quasi die Basis, und im Idealfall wird diese Basis von nun an wöchentlich verbessert und an die Kundenbedürfnisse weiter angepasst. All dies muss auf der Grundlage der Echtdaten erfolgen, die man durch die laufenden Transaktionen gewinnt. Im E-Commerce zählt persönliche Meinung nur dann, wenn keine Daten vorhanden sind. Und zum Glück gibt es für 99,9% aller Anwendungsfälle valide Daten und Statistiken.
Welche internationalen Trends werden auch nach Österreich kommen?
Die wichtigsten Trends aktuell sind SaaS Commerce und die Einführung von Loyalty Programmen. SaaS Systeme ermöglichen mir die einfache Internationalisierung und damit auch Skalierung meines E-Commerce Geschäfts, ohne dass ich mich über Infrastruktur Gedanken machen muss. SaaS Systeme sind die klare Zukunft im E-Commerce Bereich und werden On-Premise Systeme in den kommenden Jahren komplett ablösen.
Der zweite Megatrend ist die Einführung von Omnichannel Loyalty Programmen. Wir alle wissen, dass Neukundenakquise immer teurer und aufwändiger wird, daher ist es essenziell aus Erstkäufern wiederkehrende Kunden zu machen. Dies kann nur durch einfach aufgebaute Loyalty Systeme passieren, die einen tatsächlichen Mehrwert dem Kunden bieten und die noch dazu sowohl online als auch offline funktionieren.
Zum Abschluss, haben Sie einen zum Betreiben eines Online-Shops unmittelbar umsetzbaren Tipp?
E-Commerce wird von Woche zu Woche komplizierter und umfangreicher. Eine Person alleine kann all die relevanten Themen in keinster Weise mehr überblicken. Daher ist es bereits vom Start weg essenziell, das richtige Team aufzubauen. Unterschiedliche Skill-Sets aus Technik, Onlinemarketing, UX & UI, Prozessdesign und Logistik sind gefragt, von einer zentralen Position aus gesteuert, die Einblick in jeden Teilbereich des Unternehmens hat.