Vier Krisenjahre hat der österreichische Handel hinter sich gebracht. Zeit für den Handelserband, eine Bilanz zu ziehen. Führende Branchenvertreter:innen haben daher im Rahmen einer Pressekonferenz den Status Quo des heimischen Handels dargelegt. Darüber hinaus wurden mit dem HV-Zukunftspaket „Österreich handelt“ wichtige Empfehlungen für das Superwahljahr 2024 vorgestellt.
„2024 ist nicht nur ein Jahr der Wahlen, sondern auch ein Jahr der Inflation. Daher braucht es abseits der Wahlversprechen vor allem Taten, um die Teuerungsspirale zu durchbrechen. Wir fordern eine Anti-Inflations-Strategie, insbesondere bei den öffentlichen Ausgaben. Zusätzlich erwarten wir uns eine Händleroffensive, um den 93.200 heimischen Handelsunternehmen Zukunftswachstum zu ermöglichen und damit die Rolle als Jobmotor des Landes mit 709.000 Beschäftigten abzusichern. Österreich muss wieder handeln, und zwar erfolgreich!“, so HV-Geschäftsführer Rainer Will.
Jahresumsatz 2023 real um -5,5 % gesunken
Im Gesamtjahr 2023 konnten die heimischen Einzelhändler laut WIFO-Prognose einen Umsatz von 75,3 Mrd. Euro erwirtschaften. Ein inflationsbereinigtes Umsatzminus von 3,6 % – und dies im Vergleich zum ebenfalls holprigen Jahr 2022. Für den gesamten Handel (Einzelhandel, Großhandel, KfZ-Handel) weist das WIFO 2023 sogar ein reales Minus von 5,5 % aus.
„Der Handel ist der Beschäftigungs- und Wirtschaftsmotor der Republik Österreich. Unsere Händler stellen ein Viertel aller Betriebe, wir sind zweitgrößter Arbeitgeber und umsatzstärkster Wirtschaftsbereich des Landes. Doch viele Händler, kleine Einzelkämpfer aber auch große Traditionshäuser, sind unverschuldet auf ihren Krisenkosten sitzengeblieben. Um Arbeitsplätze, Diversität der Handelslandschaft sowie Stadt- und Ortskerne zu erhalten, muss die Bundesregierung heuer endlich eine Händleroffensive starten“, ist Will überzeugt.
Inflationsbekämpfung hat oberste Priorität
Der entscheidende Negativ-Faktor ist die hohe Inflation. 2023 lag die Inflationsrate in Österreich bei 7,7 %. Im Euroraum waren es 5,4 %. Dieser Abstand von 2,3 Prozentpunkten macht große Sorgen. Daher muss die Inflationsbekämpfung oberste Priorität haben. Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass Österreich bei der Inflationsrate im Bereich Lebensmittel/Alkoholfreie Getränke mit +7,3 % (Datenstand Okt. 2023) bereits unterhalb des EU-Durchschnitts sowie des Schnitts der Eurozone liegt. Im Gegensatz zu Fernwärme (+57 %) und Gas (+59 %) sowie Gastronomie (+12 %) und Reisen (+10 %) hat der Lebensmittelhandel die Inflation im Vorjahr nicht befeuert.
Händlerbefragung: 1/3 hat 2023 mit Verlust abgeschlossen
Die jüngste Blitzumfrage des Handelsverbandes (n=218) bestätigt die herausfordernde Lage. So haben laut Eigenauskunft 34 % der Betriebe 2023 mit einem Verlust abgeschlossen, 26 % mit einem ausgeglichenen Ergebnis und 40 % mit einem Gewinn.
Die Pandemie und die Bürden, welche auf die Angestellten übertragen wurden, haben in den letzten 4 Jahren zu einem gravierenden Personalmangel geführt. 33 % der heimischen Händler klagen über zu wenige verfügbare Arbeitskräfte und einen starken Rückgang an Bewerbungen. Bundesweit gibt es derzeit rund 16.200 offene Stellen im Gesamthandel, die nicht zeitnah besetzt werden können. Immerhin um 3.800 weniger als im Vorjahr. Allein im Einzelhandel reden wir aber weiterhin von 11.600 offenen Stellen. Daher setzt sich der Handelsverband vehement für eine Arbeitsmarktreform ein.
Forderung 1: Mehr Beschäftigungsanreize
Forderung 2: Lohnnebenkosten senken
Forderung 3: Bürokratieabbau
Forderung 4: Gleiche Spielregeln für Alle
Forderung 5: Reduktion der Staats- und Länderausgaben
Weiter steigende Ausgaben heizen die Inflation an. Damit künftig in guten Jahren regelmäßig Überschüsse anfallen, braucht es eine glaubwürdige und strenge Ausgabenbremse. Vorbild könnte Schweden sein.
Handelsbetriebe: Zweckoptimismus mit vielen Herausforderungen
Wie sieht zurzeit die Versorgungslage aus? 28 % der Händler sehen sich mit Lieferverzögerungen aufgrund der Lage im roten Meer (Suez-Kanal) konfrontiert, allerdings betreffen diese i.d.R. nur wenige Teile des Sortiments (weniger als 25 %). 21 % der Handelsbetriebe verzeichnen zurzeit gestiegene Frachtkosten. Hier reden wir von Preissteigerungen zwischen 10 % und 25 %. Wie wird sich das auf unsere Kund:innen auswirken? 24 % der Händler erwarten temporäre, geringfügige Sortimentseinschränkungen, 36 % längere Lieferzeiten und 32 % einen leichten Preisanstieg für die Konsument:innen.
Aufgrund der multiplen Krisen der vergangenen vier Jahre haben die österreichischen Händler folgende Maßnahmen geplant, um ihre wirtschaftliche Existenz in 2024 abzusichern:
Reduktion von Werbespendings | 41 % | 44 % im Vorjahr |
Investitionsstopp | 35 % | 40 % im Vorjahr |
Expansionsstopp | 18 % | 27 % im Vorjahr |
Beantragung von Förderungen | 23 % | 26 % im Vorjahr |
Personalabbau | 33 % | 25 % im Vorjahr |
Filialschließungen | 10 % | 10 % im Vorjahr |
Beendigung der Geschäftstätigkeit | 11 % | 9 % im Vorjahr |
Händler erwarten heuer realen Umsatzrückgang von 2 %
Für das Gesamtjahr 2024 erwarten die heimischen Händler im Durchschnitt einen inflationsbereinigten Umsatzrückgang von 2 %. Mehr als ein Drittel (35 %) geht davon aus, heuer einen Verlust zu erwirtschaften. 39 % hoffen zumindest auf ein ausgeglichenes Ergebnis und 26 % gehen heuer von einem Gewinn aus.