Der österreichische Handel musste im zweiten Quartal 2023 laut Statistik Austria einen inflationsbereinigten Umsatzrückgang von 3,9 % verkraften. Im Lebensmitteleinzelhandel liegt das Minus bei 1,6 %, im Großhandel bei 5,9 % und der Handel mit Nicht-Nahrungsmitteln verbuchte ein reales Minus von 6,4 %. Der preisbereinigte Halbjahresvergleich 2023 (vs. 1. HJ 2022) zeigt für den gesamten Handel einen Umsatzeinbruch von 3,4 %.
„Der Handel verzeichnete heuer im zweiten Quartal in fast allen Warengruppen starke Verluste aufgrund der multiplen Krisen, die einen heftigen Kaufkraftrückgang ausgelöst haben. Vor allem im Non-Food-Handel sind die jüngsten Zahlen besorgniserregend, die Umsätze sind um 6,4 Prozent regelrecht erodiert“, bilanziert Rainer Will, Geschäftsführer des unabhängigen, überparteilichen Handelsverbandes.
„Im Lebensmitteleinzelhandel zeigt das Minus von 1,6 Prozent deutlich, dass sich drei Viertel aller Menschen inflationsbedingt auf den Kauf günstiger Lebensmittel beschränken. Krisengewinner sucht man im österreichischen Handel vergeblich, fündig wird man hingegen bei den Energiekonzernen und globalen Nahrungsmittelproduzenten“, so der bundesweite Sprecher des österreichischen Handels.
Handel in der Krise
Die neuesten Zahlen der Statistik Austria und des Kreditschutzverbandes 1870 bestätigen die herausfordernde Lage im Handel, auf die der Handelsverband seit vielen Monaten hinweist.
Die Herausforderungen werden sich im zweiten Halbjahr noch verstärken, sollte die verfügbare Kaufkraft weiter sinken und die exorbitante Steigerung bei den Fremdkapitalzinsen und Mietkosten anhalten. Das belegt auch die jüngste Konsumentenbefragung des Handelsverbandes:
- 65% der Österreicher fühlen sich finanziell gestresst
- 63% haben ihre Haushaltsausgaben im Handel eingeschränkt
- 77% kaufen verstärkt günstige Lebensmittel & Eigenmarken
- 19% müssen sich auf den Kauf lebensnotwendiger Güter beschränken
- 16% können zurzeit nicht alle Schulden ordnungsgemäß bedienen
- 12% können nicht alle eingehenden Rechnungen bezahlen
Gleichzeitig können im Handel zurzeit mehr als 20.000 Jobs nicht zeitnah besetzt werden. Der heimische Einzelhandel bietet beispielsweise zurzeit rund 14.700 offene Stellen – teilweise mit deutlicher Überzahlung – an.
Lichtblick: Stimmung der Konsument:innen verbessert sich
Immerhin: Im Sommer hat sich die Stimmung der Konsument:innen sichtlich gebessert. So ist das allgemeine Zukunftsvertrauen im August laut HV-Konsumbarometer den dritten Monat in Folge gestiegen. Auch die Einkommenserwartung für die nächsten Monate hat sich leicht verbessert. Den Höhepunkt der Inflation sieht die Bevölkerung überschritten: Inzwischen rechnet eine deutliche Mehrheit der Befragten nur noch mit leicht steigenden bis gleichbleibenden Preisen.
In der Folge hat sich auch die Konsumneigung zuletzt wieder verbessert – freilich von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend: Sagten im Mai noch 68 % der Befragten, sie hätten ihre Ausgaben im Handel in den letzten Wochen eingeschränkt, waren es im August nur noch 63 %.
Vom Ausgabenverzicht am stärksten betroffen sind weiterhin die Branchen Möbel, Uhren/Schmuck und Bekleidung. Am wenigsten gespart wird laut Eigenangaben bei Drogeriewaren/Hygieneprodukten und Bio-Lebensmitteln.
Umsatz verlagert sich auf Dienstleistungen
Die österreichischen Dienstleistungsunternehmen haben im 1. Halbjahr 2023 laut Statistik Austria übrigens ein sattes Umsatzplus von 8,7 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres erwirtschaftet. Das geht v.a. auf einen Umsatzzuwachs von +21,3 % im Bereich Beherbergung und Gastronomie zurück.
Bereits im Gesamtjahr 2022 waren die Ausgaben für Dienstleistungen laut Kreutzer Fischer Partner sprunghaft um +20,8% angestiegen. Davon entfielen auf die Gastronomie Mehrausgaben von 4,1 Mrd. Euro (+ 41,3 %), auf Urlaube 3,6 Mrd. Euro (+60,5 %) und auf die Freizeitgestaltung 2,3 Mrd. Euro (+27 %).
Der Handel ist also aufgrund der Inflation nicht nur mit einer schwächelnden Nachfrage konfrontiert, sondern zusätzlich mit einer verstärkten Konkurrenz durch den Freizeitsektor. Der Handelsverband fordert angesichts der multiplen Herausforderungen von der Bundesregierung erneut eine Zukunftsagenda für den Handel, die mit einer Deregulierungsoffensive einhergehen muss.