Laptops, Smartphones, Speichermedien, Drucker & Co enthalten beim Kauf Endkonsument:innen-Abgaben, die Künstler:innen als Ausgleich für legale Privatkopien ausbezahlt werden. Nun soll das über 40 Jahre alte System auf den KFZ- und Spielwarenhandel, sowie auf neue Produktkategorien (etwa Kühlschränke!) ausgerollt werden. Wirtschaftsvertreter:innen und Unternehmen wehren sich und fordern ein Ende der hochbürokratischen, wettbewerbsverzerrenden Abgaben.
Eine Studie hat es jedenfalls bestätigt: Die Kosten für Einhebung, Verteilung und Kontrolle sind höher als die Abgaben insgesamt einbringen. Die Abgabe wird auf Speichermedien und Vervielfältigungsgeräte aufgeschlagen und stellt mit insgesamt 30 Mio. Euro pro Jahr eine wichtige Einnahmequelle für Künstler:innen dar.
Das System wird mit der technologischen Entwicklung immer komplexer: „Eine Finanzierung über den Geräteverkauf ist nicht mehr zeitgemäß, da wir nicht mehr speichern und kopieren, sondern streamen“, erklärt Robert Pfarrwaller, Obmann des Bundesgremiums Elektro- und Einrichtungsfachhandel der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und CEO von Rexel Austria, das sich geänderte Konsumverhalten.
Ein weiteres (und weitaus größeres) Problem ist der hohe bürokratische Aufwand für Unternehmen. „Unternehmen stehen heute in einem globalen Wettbewerb und vielfältigen Krisen gegenüber. Eine weitere marktverzerrende Belastung und ein Mehr an Bürokratie ist das schlechteste Signal, das man geben kann“, stellt Peter Seiwald klar, Tiroler Unternehmer und Obmann des Bundesgremiums Maschinen- und Technologiehandel der WKÖ.
Studie belegt: Aufwand höher als Einnahmen
Die Abgabe betrifft zwar Endkonsument:innen, die negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind aber enorm. Eine Studie von Economica im Auftrag der beiden Bundesgremien belegt: Die Umsetzung verursacht höhere Kosten als die Abgaben schlussendlich ausmachen.
Weiters ist ein hohes bis sehr hohes Qualifikationsniveau für die Berechnungen notwendig. Durch die daraus resultierenden höheren Preise, so die Expertin, sind heimische Händler gegenüber dem Online-Handel nicht konkurrenzfähig: Knapp 31 Mio. Euro Umsatz entgehen dem heimischen Handel, der Verlust der Bruttowertschöpfung entlang der gesamten Wertschöpfungskette beträgt 7,93 Mio. Euro. „Für jeden Euro Bruttowertschöpfung gehen weitere 46 Cent bei den Vorleistern und 11 Cent durch nicht getätigte Konsumausgaben verloren – das muss im Jahr 2023 besser gehen“, so Dvorak.
„Speicher sind in immer mehr Geräten zu finden, die Umsetzung wird für unsere Unternehmen daher immer aufwändiger. Da auch rückwirkende Zahlungen möglich wären, müssten Unternehmen Rückstellungen aufbauen, die in Krisenzeiten wie heute besonders belastend sind“, so Pfarrwaller, und kritisiert: „Es ist aber nicht nachvollziehbar, dass sämtliche Technologien für die Finanzierung von Künstler:innen herangezogen werden, erst recht wenn sie gar nicht zum privaten Kopieren genutzt werden. Oder haben Sie jemals von singenden Kühlschränken gehört?“
„Was ist Arbeitszeit wert?“
Die Entwicklungen bedeuten für den Handel einen markanten Reputationsverlust. Gerade in Konsumkrisen werden Endkonsument:innen besonders preissensibel und wandern in Richtung ausländischer Online-Shops ab.
Die Individualisierung in der Abrechnung stellt eine hohe Belastung dar und fordert den Einsatz immer besser qualifizierter Kolleg:innen. Die regelmäßigen Kontrollen durch Wirtschaftsprüfer bremsen in der Umsetzung der eigentlichen Kernaufgaben, bestätigt Gellermann: „Neben der Herausforderung Fachkräftemangel sind damit höhere Lohnkosten und eine steigende Unzufriedenheit bei den Mitarbeiter:innen verbunden. Denn wer arbeitet schon gerne mit einer negativen Kosten-Nutzen-Analyse?“
Best practise: Finnland macht es vor
Auch Kathrin Bremer, tätig für Legal and Government Relations für Dell Technologies, kritisiert die Unwirtschaftlichkeit des Systems. „Unternehmen sind bereits durch hohe Bürokratie-Vorgaben, hohe Steuern und hohe Energiekosten belastet. Es gibt simplere und technologieoffene Lösungen mit einem minimalen Administrations-Aufwand, die es zu nutzen gilt“, gibt Bremer zu bedenken.
So ist in Finnland bereits seit 2015 eine Budgetlösung implementiert. Die Höhe wird seitens der finnischen Regierung festgelegt, unterstützt durch Markterhebungen zur Privatkopiennutzung und einem Beratungskomitee. „Durch dieses simple Modell ist auch das Problem der derzeit praktisch nicht stattfindenden Differenzierung in Consumer und Commercial Goods machbar. Heute funktionieren Vorabfreistellungen quasi nicht und die Rückforderung ist so komplex, dass viele Unternehmen sich diese reine Endkonsument:innen-Abgabe nicht zurückholen. Die Abgabenzahlungen sind heute dadurch viel höher als den Verwertungsgesellschaften rechtlich zustehen würde“, ergänzt Bremer.
Da in Europa in vielen Ländern ein ähnliches, historisch gewachsenes System für Speichermedienvergütungen implementiert ist, macht die Expertin auf eine sehr reale Gefahr für die europäische Wirtschaft aufmerksam, sollten die Abgaben auf weitere Sektoren ausgerollt werden: „Im schlimmsten Fall ist die Erweiterung dieses ineffizienten Systems in Österreich eine Blaupause für andere europäische Länder“, so Bremer.
Digitale Transformation bedingt Paradigmenwechsel
„Zusammengefasst haben wir es mit einer hochgradig ineffizienten Abgabe zu tun, die selbst die Kernaufgabe nicht schafft: Das über 40 Jahre alte System kann das Problem der nachhaltigen Finanzierung heimischer Künstler:innen nicht lösen“, fasst Robert Pfarrwaller zusammen und fordert: „Es wird Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden und ein System nach finnischem Vorbild zu implementieren.“
Unterstützung vom Handelsverband
Unterstützung für das Anliegen hat bereits der Handelsverband signalisiert. „Es besteht der Verdacht, dass ausländische Online-Händler, die direkt Endkonsument:innen beliefern, die Speichermedienvergütung wohl häufig nicht oder nicht ordnungsgemäß abführen. Dadurch entsteht eine beträchtliche Wettbewerbsverzerrung zulasten des österreichischen Handels“, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Eine grundlegende Veränderung des Systems könnte hier Abhilfe schaffen.