Für die österreichische Elektro- und Elektronikindustrie war das Jahr 2022 wirtschaftlich erfolgreich. Ausgehend von einer bereits steigenden Produktion (+17,1 Prozent) im Vergleichszeitraum 2021, schloss die abgesetzte Produktion 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit einem Wert von 23,34 Mrd. Euro, was eine erneute Steigerung von 15,7 Prozent bedeutet. Sämtliche bedeutende Sparten verzeichneten dabei beachtliche Zuwächse, wobei die Sparte Elektronische Bauelemente mit 31,1 Prozent die stärkste Steigerungsrate aufwies.
Verglichen mit dem Jahr 2021 waren sowohl bei den Auftragseingängen (+16,8 %), wie auch bei den Umsätzen (+18,8 %) deutliche Zuwächse erkennbar. Das in der heimischen Elektro- und Elektronikindustrie eingesetzte Eigenpersonal konnte 2022 von einem bereits hohen Niveau nochmal um 4,7 Prozent gesteigert werden und lag mit Jahresende 2022 bereits bei knapp 72.000 Beschäftigten.
Die Branche ist weiterhin vor allem im Ausland aktiv, wobei die Exportquote im Vergleich zum Vorjahreszeitraum konstant bei 84,2 Prozent gehalten werden konnte. Der Umsatz, der 2022 im Ausland erwirtschaftet wurde, betrug 22,74 Mrd. Euro. Mit einem Anteil von 63,7 Prozent stellt der EU-Raum nach wie vor den wichtigsten Exportmarkt für die Branche dar.
Betrachtet man einzelne Staaten, so ist Deutschland mit einem Gesamtanteil von 29,6 Prozent der wichtigste Exportpartner. Der Anteil der Produkte der Elektro- und Elektronikindustrie an den Gesamtausfuhren Österreichs belief sich 2022 auf 10,5 Prozent. Gemessen an der abgesetzten Produktion stellte die Elektro- und Elektronikindustrie 2022 die drittgrößte Industriesparte in Österreich dar.
„Angesichts der vielfältigen Krisen ist das eine höchst erfreuliche Entwicklung und zeigt die Krisenfestigkeit dieser wichtigen Branche“, sagt Marion Mitsch, Geschäftsführerin des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie im Rahmen der Jahrespressekonferenz. „Die EEI mit einem Anteil von 9 Prozent am produzierenden Bereich in Österreich ist als Wirtschaftsmotor unverzichtbar, gewährleistet Standortsicherheit und bietet spannende und zukunftsweisende Jobs.“
Situation des Wirtschaftsstandortes Österreich spitzt sich zu
Trotz der bisher gezeigten Krisenresistenz kommen die heimischen Industrieunternehmen durch die seit vielen Monaten anhaltend hohe Inflation, stark gestiegene Lohnkosten sowie hohe Material- und Energiekosten zunehmend unter Druck. Eine aktuelle Umfrage der rund 300 Mitgliedsunternehmen der Elektro- und Elektronikbranche belegt diese Entwicklung. Die stetig steigenden Kosten führen dazu, dass der Wirtschaftsstandort Österreich zunehmend an Attraktivität verliert.
Auch Berechnungen der Statistik Austria zeigen eine Verschlechterung der Lage. So sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal real im Vergleich zum Vorjahresquartal um 1,1 Prozent, was vor allem auf die rückläufige Wirtschaftsleistung von Handel und Industrie zurückzuführen ist.
Forderungen nach Maßnahmen zur Abfederung der Inflation
Als eine wesentliche Ursache der sinkenden Wirtschaftsleistung identifiziert Hesoun die anhaltend hohe Inflation in Österreich. Diese liegt im Schnitt der letzten 12 Monate bei rund 10 Prozent. Aktuell mit August 2023 liegt die Inflation EU-weit laut Eurostat bei 5,3 Prozent, während Österreich im August mit 7,5 Prozent einen deutlich höheren Wert aufweist. Österreichs wichtigster Wirtschaftspartner Deutschland kommt mit einer Inflation von 6,1 Prozent merklich unter der österreichischen Inflationsrate zu liegen.
Hesoun begrüßt Maßnahmen der Regierung zur Abfederung der Inflation als wichtigen ersten Schritt. „Das alltägliche Leben muss leistbar bleiben! Das beinhaltet, dass Energie und Wohnen nicht zur Kostenfalle werden. Andernfalls verlieren wir an Kaufkraft und der Abschwung ist nicht mehr aufzuhalten. Eine solche Entwicklung sehen wir in unserem Nachbarland Deutschland, das sich bereits in einer Stagnation befindet.“
Auch für die heimischen Betriebe, die die hohe Inflation und steigende Preise zu tragen haben, braucht es Entlastungen. „2022 betrug die Erhöhung des Kollektivvertrags in der EEI 9,9 Prozent. Ein ähnlich hoher Abschluss im nächsten Frühjahr, von dem wir aufgrund der derzeitigen Wirtschaftslage ausgehen müssen, würde viele unserer Unternehmen unter enormen finanziellen Druck bringen. Österreich als Wirtschaftsstandort verliert so zunehmend an Attraktivität“, so Hesoun.
Im Vergleich: In Deutschland wurde 2022 eine Kollektivvertragserhöhung von rund 5 Prozent beschlossen, die für zwei Jahre gilt. Für Österreich bedeutet das einen extremen Wettbewerbsnachteil.
„Unternehmen stellen sich die Frage, ob es sich überhaupt noch rentiert, in Österreich zu investieren. Wirtschaftsräume wie die USA oder Asien locken mit enormen Wirtschaftshilfen und haben eine weitaus unternehmensfreundlichere Struktur mit beispielsweise rascheren Genehmigungsverfahren. Das gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit und mittelfristig den Wohlstand in unserem Land“, sagt Hesoun.
Er fordert eine Senkung der Lohnkosten, weniger Bürokratie und wirksame Maßnahmen für eine rasche Reduktion der Inflationsrate. An die Gewerkschaft gerichtet appelliert Hesoun, mit Weitblick, Maß und Ziel in die nächstjährigen Verhandlungen zu gehen. „Wenn die Kollektivvertragsabschlüsse auch künftig so hoch abgeschlossen werden und immer mehr Unternehmen aus Österreich wegziehen, werden wir zunehmend Arbeitsplätze verlieren und damit Know-how und Wertschöpfung!“. Eine weitere Folge wären fallende Einnahmen der öffentlichen Hand.
Forderungen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels
„Die Entlastung der Kostenstruktur für Unternehmen ist auch bedeutsam im Kampf um die besten Köpfe“, so Mitsch. „Das Lohnniveau in der EEI ist ein außerordentlich hohes. Mehrkosten, verursacht durch hohe Kollektivvertragsabschlüsse wie im letzten Jahr oder durch gestiegene Material- und Energiekosten tragen allesamt die Unternehmen, die zunehmend an ihre Grenzen stoßen, wie wir aus aktuellen Mitgliedsbefragungen wissen. Um qualifizierte Fachkräfte zu bekommen bzw. zu halten, sind adäquate Gehälter unumgänglich – und hier braucht es Unterstützung und Anreize seitens der Politik, um das auch weiterhin möglich zu machen.“
Die Elektro- und Elektronikindustrie bietet eine Vielzahl spannender Jobs, die aufgrund der heutigen Herausforderungen im Hinblick auf Dekarbonisierung und Digitalisierung stetig mehr werden und an Bedeutung zunehmen.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es laut FEEI zudem mehr Ausbildungsplätze im MINT-Bereich und die Attraktivierung des zweiten Bildungswegs. Wichtig ist der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, um auch Frauen bzw. Alleinerziehenden die Möglichkeit zu geben, Vollzeit zu arbeiten. Einen weiteren Hebel sieht die Interessenvertretung in der Vereinfachung und Beschleunigung des qualifizierten Zuzugs. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer länger im Arbeitsprozess zu halten, wird als kurzfristige Lösung begrüßt.
Der FEEI ist in der Causa selbst sehr aktiv und startet in den nächsten Wochen gemeinsam mit anderen Organisationen der Branche eine groß angelegte Kampagne zur Gewinnung von Fachkräften, die besonders bei jungen Menschen Neugierde auf die Zukunftsbranche wecken soll. Weitere Informationen dazu folgen in Kürze.