Handelsverband, WIFO und Mindtake präsentierten ihre Prognosen für Gesamtjahr und das Weihnachtsgeschäft. Österreicher geben heuer 1,36 Mrd. Euro für Geschenke aus, der Jahresumsatz sinkt real um 1 Prozent (auf 72,5 Mrd. Euro).
Der Dezember ist für den Großteil der österreichischen Einzelhändler der wichtigste Monat im Geschäftsjahr, er gilt branchenintern als „5. Quartal“. Die absoluten Mehrumsätze, die durch das Weihnachtsgeschäft erzielt werden, haben in den letzten fünf Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie stetig zugelegt. Seit 2020 ist jedoch alles anders. Die Weihnachtsumsätze sind in den beiden Pandemiejahren deutlich gesunken.
Heuer mussten die österreichischen Händler zwar keine Lockdowns, allerdings explodierende Energiekosten, die höchste Inflation seit 1952 (11 % im Oktober) und einen beispiellosen Arbeitskräftemangel (35.000 offene Stellen) verkraften. Wie wirkt sich das alles auf die Umsätze im Weihnachtsgeschäft sowie im Gesamtjahr 2022 aus? Und welche Prognose lässt sich für das Geschäftsjahr 2023 ableiten?
Weihnachtsgeschäft 2022 bringt Mehrumsatz von 1,36 Mrd. Euro
„Das aktuelle Weihnachtsgeschäft verläuft angesichts der horrenden Inflation und des Kaufkraftverlustes breiter Teile der Bevölkerung zuletzt etwas besser. Die Umsatzprognose von Handelsverband und WIFO für den österreichischen Einzelhandel geht heuer von einem weihnachtsbedingten Mehrumsatz von 1,36 Mrd. Euro netto aus“, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Das entspricht zwar einem Plus von 220 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahr (1,14 Mrd. Euro netto), hier wurde das Weihnachtsgeschäft allerdings massiv durch einen harten Lockdown beeinflusst. Insgesamt wird das Umsatzvolumen heuer im Dezember auf nominell 7,28 Mrd. Euro geschätzt (Vorjahr: 6,72 Mrd. Euro). Inflationsbereinigt entspricht das einem Minus von 0,8 %.
Dezember-Mehrumsatz im Non-Food-Handel unter 2019
„Wir sehen heuer auch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Betrachtet man lediglich den Nichtlebensmittelbereich, liegen die Mehrumsätze im Dezember inflationsbereinigt um 11 Mio. Euro über dem Vorjahresniveau, aber um mehr als 150 Mio. Euro hinter 2019 zurück. Der Lebensmitteleinzelhandel erwirtschaftet heuer im Weihnachtsgeschäft inflationsbereinigte Mehrumsätze von 422 Mio. Euro, real 1,9 Prozent weniger als im Vorjahr“, sagt Marcus Scheiblecker, Senior Economist am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).
Das klassische Weihnachtsgeschäft wird definiert als Mehrumsatz im Dezember, der über den durchschnittlichen Umsätzen der Monate Jänner bis November liegt. Pandemiebedingt gab es hier jedoch seit 2020 zusätzliche Faktoren (z.B. unterjährige starke Umsatzschwankungen aufgrund von Schließungen im Handel), die eine exakte Abgrenzung dieser Mehrumsätze erschwert haben.
Kommende Woche treten im heimischen Handel die Last-Minute Shopper auf den Plan. Rund ein Drittel der Konsument:innen sichert sich erst in den letzten Tagen vor Heiligabend die Geschenke für die Lieben. Nach dem 24. Dezember werden dann Geldgeschenke eingelöst und das Gutscheingeschäft hat Hochkonjunktur bis weit in den Jänner 2023 hinein.
Top-Seller zu Weihnachten
„Im Schnitt werden die Österreicher:innen heuer 395 Euro für Geschenke ausgeben. Das ist um 68 Euro bzw. 15 % weniger als 2021 und auch deutlich weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Aufgrund der Teuerungskrise setzen so viele Christkinder wie noch nie auf Gutscheine, die 2022 vor Bekleidung und Spielzeug den ersten Platz der beliebtesten Geschenke erreichen. Auch Geldgeschenke sind heuer so beliebt wie noch nie“, erklärt Rainer Will.
Bei den bevorzugten Geschenken greift heuer laut einer Befragung von MindTake Research im Auftrag des Handelsverbandes jedes dritte österreichische Christkind im Einzelhandel zu Gutscheinen (38 %), Bekleidung (35 %) und Spielzeug (30 %), immerhin jedes Vierte zu Büchern (27 %), Süßigkeiten (27 %) und Parfum/Kosmetikprodukten (26 %), um die Vorlieben der Liebsten zu treffen. Spannend: Jede:r Zwölfte wird heuer alle Weihnachtsgeschenke im Onlinehandel bestellen, fast ein Zehntel der Bevölkerung verzichtet komplett auf den Kauf von Geschenken.
Einzelhandel 2022: Nomineller Umsatz steigt auf 72,5 Mrd. Euro
„Aus all diesen Faktoren leitet sich unsere Gesamtjahresprognose 2022 für den österreichischen Einzelhandel von 72,5 Mrd. Euro ab. Eine Steigerung von 6,3 % gegenüber dem Vorjahr. Bereinigt man allerdings um die durchschnittlichen Preissteigerungen, muss der heimische Einzelhandel heuer real ein Umsatzminus von 1 % verkraften und wirkt damit inflationsdämpfend“, so Will.
„Für 2023 erwarten wir, dass die Effekte des heurigen Weihnachtsgeschäfts stärker in den Jänner einwirken, insbesondere das Gutscheingeschäft sowie die Umtauschphase im stationären Handel nach Silvester. Ab Februar werden allerdings die höheren Kosten voll durchschlagen. Spätestens im zweiten Halbjahr 2023 hoffen wir auf eine Normalisierung des Preisniveaus, die auf eine Aufschwungphase durch staatliche Kaufkraftmaßnahmen treffen könnte.“
Händler reagieren mit Investitionsstopp & Reduktion von Werbespendings
Die jüngste Blitzumfrage des Handelsverbandes hat ergeben, dass rund ein Drittel der Betriebe mit den Umsätzen im Weihnachtsgeschäft zufrieden ist. 39 % werden im Gesamtjahr 2022 einen Verlust erwirtschaften, 38 % maximal ein ausgeglichenes Ergebnis. Laut einer aktuellen KSV1870 Hochrechnung verzeichnet der Handel im Branchenvergleich mit Abstand die meisten Insolvenzen. Bereits am Ende des dritten Quartals gab es heuer mehr Pleiten als im Gesamtjahr 2021, bis Jahresende wird der Handel rund 900 Firmenpleiten und 6.000 Geschäftsschließungen zu Buche stehen haben.
Vor diesem Hintergrund haben die österreichischen Händler folgende Strategien und Maßnahmen geplant, um ihre wirtschaftliche Existenz nach dem Weihnachtsgeschäft abzusichern:
- Investitionsstopp (50 %)
- Reduktion von Werbespendings (43 %)
- Personalabbau (35 %)
- Verkürzte Öffnungszeiten (28 %)
- Beantragung von Förderungen (25 %)
- Filialschließungen (10 %)
- Verhandlungen mit Vermietern über Bestandszinsreduktion (16 %)
- Verhandlungen mit Vermietern über anteilige Übernahme von Energiekosten (6 %)
5 Wünsche des österreichischen Handels an das politische Christkind
Seit Jahren existieren im Handel zwei Geschwindigkeiten. Die österreichischen Handelsbetriebe müssen mit einer Ritterrüstung, mit starren Zuschlägen und hohen Lohnnebenkosten einen wahren Hürdenlauf absolvieren. Die globalen Internet-Giganten ohne Betriebsstätte in Österreich können hingegen frei wie ein Vogel agieren und einen eleganten Sprint hin zu den Konsument:innen absolvieren. Daher sind neben den teuerungsinduzierten staatlichen Unterstützungsleistungen auch dringend lenkungspolitische Schritte erforderlich.
Der jahrelange Reformstau schlägt immer stärker auf unsere Betriebe durch. Die jüngsten Krisen machen dies transparenter denn je. Daher braucht es jetzt eine mutige Regierung, die den Fokus auch auf den Handel legt, um Arbeitsplätze und Ortskerne zu retten. Konkret fordert der HV:
- Energiekostenzuschuss II, von dem auch die heimischen Händler tatsächlich profitieren
- Umsetzung der überfälligen Arbeitsmarktreform
- Zeitnahe Umsetzung der globalen Mindeststeuer auf OECD-Ebene
- Regulative Entdiskriminierung des stationären Handels (u.a. Abschaffung der Mietvertragsgebühr, substanzielle Senkung der Lohnnebenkosten)
- Strukturreformen