Die Energiewende steht und fällt mit der Fähigkeit, wetterabhängige Stromerzeugung zuverlässig in das Energiesystem zu integrieren. Während Speichersysteme oft als Schlüssel zur Lösung dieses Problems dargestellt werden, wird die Komplexität ihrer systemischen Integration häufig unterschätzt. Ein Beitrag von Gastautor Herbert Saurugg.
Lesetipp: Falls Sie den ersten Teil dieser Serie noch nicht gelesen haben, finden Sie ihn hier zum Nachlesen.
Ein Teil des Problems besteht auch darin, dass die Netzbetreiber regulatorisch auf den Netzbetrieb beschränkt sind. Für den notwendigen Umbau des Stromversorgungssystems wären jedoch mehr Systemintegratoren erforderlich, die die unterschiedlichen Ansprüche, Erwartungen und Planungen sektorübergreifend moderieren und den volkswirtschaftlich höchsten Nutzen suchen.
Vernetztes Denken fehlt
Dies führt immer wieder zu unverständlichem Verhalten, etwa wenn PV und Speicher beim Netzanschluss separat betrachtet werden, anstatt als systemische Einheit. Es geht nicht darum, dass PV und Speicher theoretisch gleichzeitig rückspeisen könnten, sondern darum, eine Definition zu finden, die festlegt, was maximal über den Netzanschluss rückgespeist werden darf. Dafür wäre wiederum eine übergeordnete Orchestrierung erforderlich, da dies zu bestimmten Zeiten vielleicht sogar hilfreich sein könnte – und natürlich auch in die andere Richtung. Es braucht hier ein deutlich flexibleres Denken und Handeln. Wenn derzeitige Regulative dagegensprechen, ist das aufzuzeigen und nach Möglichkeit zu ändern.
Großbatteriespeicher spielen in Österreich bislang keine große Rolle, da ihre derzeit installierte Gesamtkapazität von rund 0,1 GWh im Vergleich zum täglichen Stromverbrauch von etwa 150 GWh vernachlässigbar ist. Wirtschaftlich waren sie bisher gegenüber etablierten Pumpspeicherkraftwerken kaum konkurrenzfähig, und es fehlen tragfähige Geschäftsmodelle für einen breiten Ausbau, was sich aber mit sinkenden Preisen ändern wird. Ihr Einsatz beschränkt sich bislang auf wenige Pilotprojekte und spezielle Anwendungen.
Auch hier mangelt es anscheinend an einer systemischen Planung: Eigentlich sollten die Netz- oder besser gesagt die Systembetreiber angeben, wo Speicher am wirkungsvollsten eingesetzt werden können, um Netzengpässe zu reduzieren. Speicher an anderen Stellen sollten entsprechende Netzverstärkungen oder Entgelte bezahlen müssen.
Zudem verhindern weitere Hürden eine rasche Umsetzung. Das betrifft etwa den notwendigen Platzbedarf, Bauvorschriften oder schlichtweg fehlende Netzanschlusskapazitäten, die erst durch umfassende Maßnahmen sichergestellt werden können, was aber Zeit erfordert. Auch hier fehlt offensichtlich eine vorausschauende Planung auf allen Seiten.
Falsche wirtschaftliche Anreize
Auch die wirtschaftlichen Anreize sind nicht nachhaltig gestaltet. Die ersten Speicherbetreiber können hohe Gewinne erzielen, weil sie an lukrativen Stunden teilnehmen. Sobald jedoch eine gewisse Sättigung eintritt und die Zahl der profitablen Stunden sinkt, bleibt die Versorgung in weniger attraktiven Zeiten ungesichert – dann muss wohl die Allgemeinheit einspringen.
Wir haben es hier mit einem klassischen Allgemeingut-Problem („Commons“) zu tun. Bei Allgemeingütern handelt es sich um Ressourcen, die allen zur Verfügung stehen und von denen niemand ausgeschlossen werden kann, wie etwa saubere Luft oder öffentliche Sicherheit. Da der Markt allein keine ausreichenden Anreize für den Schutz und die nachhaltige Nutzung dieser Güter bietet, bedarf es koordinierter Maßnahmen und Regulierungen, um eine Übernutzung oder Vernachlässigung zu verhindern. Im Kontext des Strommarktes bedeutet dies, dass eine gemeinsame, koordinierte Strategie notwendig ist, um die Stabilität und Nachhaltigkeit des Systems zu gewährleisten und gleichzeitig den individuellen Eigennutz mit dem Gemeinwohl in Einklang zu bringen.
Wenig beachtete Nebenwirkungen
Hinzu kommen noch wenig beachtete Nebenwirkungen. Jeder zusätzliche Wechselrichter, Speicher, jede Ladebox oder sonstige leistungselektronische Komponenten verändern die elektrischen Charakteristika des Netzes. Dadurch können bisher nicht bekannte Resonanzeffekte oder Stabilitätsprobleme auftreten, wie sie etwa beim Blackout auf der Iberischen Halbinsel Ende April 2025 bereits zu beobachten waren. Diese Wechselwirkungen sind komplex, schwer vorhersagbar und erfordern völlig neue Ansätze in der Systembetrachtung und -steuerung. Diese Probleme sind zwar grundsätzlich lösbar, erfordern jedoch Zeit, da viele der Effekte erst bei der Umsetzung im Netz auftreten und entsprechende Erfahrungswerte fehlen. Zudem lassen sich viele Maßnahmen nicht von heute auf morgen umsetzen.
Fehlende Differenzierung
Batteriespeicher werden zudem häufig als Universallösung dargestellt. Dabei werden die sehr unterschiedlichen Anwendungsfälle gerne ausgeblendet. Das beginnt damit, dass beim Speicherbedarf eine Zeitspanne von 12 Zehnerpotenzen – von „instantan“ in wenigen Millisekunden (Netzschutz, Netzstabilität) bis zu Jahrzehnten – zu betrachten ist. Das bringt völlig unterschiedliche Anforderungen für den Einsatz des jeweiligen Speichers mit sich.
Derartige differenzierte Betrachtungen sind derzeit kaum wahrnehmbar. Der Fokus liegt eindeutig auf den wirtschaftlich lukrativen Bereichen, etwa der Bereitstellung teurer Regelleistung oder von Speicherkapazitäten für wenige Stunden. Spätestens nach dem Blackout auf der Iberischen Halbinsel ist vielen bewusst geworden, wie wichtig die Momentanreserve ist und dass auch hierfür dringend ein Ersatz erforderlich ist. Während diese Leistung bei konventionellen Kraftwerken konstruktionsbedingt fixer Bestandteil und somit in den Kosten enthalten war, muss sie nun extra ausgeschrieben und extra abgegolten werden. Auch hier stellt sich wieder die Frage, wer dafür aufkommen muss.
Daher stellt sich immer dringlicher die Frage, wie die nach und nach hinzukommenden Kosten fair aufgeteilt und zugerechnet werden können. Durch die derzeitige Einzelteilbetrachtung und Förderung gerät der energiewirtschaftliche Aspekt der Leistbarkeit zunehmend unter Druck.
Ein Vergleich von Äpfeln und Birnen
In Österreich wird immer wieder darauf hingewiesen, dass wir dringend Gaskraftwerkskapazitäten als Backup-Lösung für die Wintermonate benötigen und eine dringende Erneuerung des bestehenden Gaskraftwerkparks ansteht. Die Vertreter der erneuerbaren Energien sind hingegen oft der Auffassung, dass Gaskraftwerke durch Batteriespeicher ersetzt werden könnten. Dabei werden gerne Kalifornien oder Texas als Beispiele genannt, wo mittlerweile tatsächlich große Mengen an Batteriespeichern zum Einsatz kommen. Dabei werden jedoch mehrere Faktoren außer Acht gelassen.
In beiden Ländern ist die Sonneneinstrahlung rund doppelt so hoch wie in Österreich, wodurch ein deutlich höherer Erntefaktor erzielt werden kann. Auch die saisonalen Schwankungen sind in beiden Ländern deutlich geringer, sodass in der Regel über einen Zeitraum von 6 bis 9 Stunden eine konstante wetterabhängige Erzeugung sichergestellt werden kann.
Die Erzeugungsleistung liegt dabei relativ konstant über das ganze Jahr zwischen 16 und 24 Gigawatt (GW). Somit lässt sich auch ein wesentlich effizienterer Speicherbetrieb realisieren, d. h., das Nachladen mit erneuerbarem Strom ist in der Regel sichergestellt. In Kalifornien stehen mittlerweile 16 GW mit 60 GWh Speicherkapazität bei einer gleichzeitigen Last zwischen 20 und 46 GW zur Verfügung. Beachtenswert ist, dass Heimspeicher in Kalifornien – anders als in Österreich – aus gutem Grund eine untergeordnete Rolle spielen.
Die kalifornische Abendrampe wird aktuell jeweils zu rund 20–25 % aus Gaskraftwerken und Großbatteriespeichern sowie zu rund 10 % aus Wasserkraftwerken bereitgestellt. Die kalifornischen Großbatterien sind Großteils als 4-Stunden-Speicher ausgelegt, was für tägliche Lastverschiebung ausreicht. Auch wenn der Einsatz von Gaskraftwerken zurückgeht, spielen diese wie auch Importkapazitäten weiterhin eine wichtige Rolle. Entscheidend ist, dass sie verfügbar sind.
Lesertipp der Redaktion: Die Serie wird in der kommenden Print-Ausgabe fortgesetzt! Testen Sie unser Fachmagazin und holen Sie sich gleich jetzt mit unserem kostenlosen Probeabo Ihren persönlichen Wissensvorsprung!

Herbert Saurugg, MSc, ist ein international anerkannter Experte für Blackout- und Krisenvorsorge sowie Präsident der Gesellschaft für Krisenvorsorge (www.gfkv.org). In zahlreichen Publikationen, Keynotes und auf seinem umfangreichen Fachblog (www.saurugg.net) vermittelt er praxistaugliche Lösungsansätze und unterstützt Gemeinden, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie Unternehmen bei einer ganzheitlichen Krisenvorsorge.
© Businessfoto Wien
Hinweis: Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.





















