Laut aktuellem Austrian Business Check des KSV1870 ist mehr als die Hälfte (58 %) der österreichischen Unternehmen vom akuten Arbeitskräftemangel betroffen. Besonders dramatisch gestaltet sich die Lage in der Industrie, wo bereits sieben von zehn Betrieben über fehlende Mitarbeiter klagen. Gleichzeitig wirkt der Personalmangel auch nach innen: Hohe Zusatzbelastungen für bestehende Mitarbeiter und der Kostenfaktor werden dabei als die häufigsten Folgen angesehen.
Zudem müssen Unternehmen häufig neue Aufträge aufgrund von zu wenig Arbeitskräften ablehnen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, planen 20 Prozent der Betriebe den Mitarbeiterstand im Jahr 2023, trotz wirtschaftlicher Herausforderungen, zu erhöhen – sofern man halt die Leute findet.
Der Arbeitskräftemangel ist nämlich allgegenwärtig. Während die generelle Geschäftslage von den Unternehmen mehrheitlich positiv (54 % bewerten mit „sehr gut“ oder „gut“) eingeschätzt wird, spitzt sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter zu. 58 Prozent der heimischen Betriebe sind derzeit von einem akuten Personalmangel betroffen, knapp die Hälfte (26 %) davon laut eigener Einschätzung sogar sehr.
Laut aktueller KSV1870-Umfrage ist insbesondere die Industrie (71 %) massiv betroffen; auf Branchenebene ist es vor allem die Bauwirtschaft (76 %), die mit fehlendem Personal zu kämpfen hat. „Der Mangel an Mitarbeitern ist ein Thema für die nächsten zehn Jahre, dem wir uns heute intensiv widmen müssen“, so Vybiral.
Auf Bundesländerebene fehlt es derzeit vor allem in Kärnten (73 %) und Oberösterreich (67 %) an Arbeitskräften. Dagegen sieht sich in Vorarlberg nur jedes fünfte Unternehmen (20 %) vom Personalmangel unmittelbar betroffen.
Folge: Hohe Zusatzbelastungen und steigende Kosten
Gleichzeitig hat der akute Personalmangel auch Auswirkungen auf die jeweilige innerbetriebliche Situation. So sind zuletzt die Belastungen für bestehendes Personal deutlich gestiegen und es benötigt mehr finanzielle Anreize, um Mitarbeiter in den Unternehmen zu halten. „Die Personalsuche ist das eine, gleichzeitig dürfen die Betriebe aber nicht darauf vergessen, auch für das bestehende Team attraktiv zu bleiben. Auch deshalb, weil es im Moment die Arbeitnehmer sind, die sich ihren Arbeitgeber defacto aussuchen können“, so Vybiral.
Zudem ist es eine besorgniserregende Entwicklung, dass immer mehr Unternehmen aufgrund fehlenden Personals zuletzt nicht nur Umsatzeinbußen hinnehmen, sondern auch neue Aufträge ablehnen mussten. „Hier lassen die Betriebe Geld quasi auf der Straße liegen“, so Vybiral. Als weitere Negativfolgen wurden eine geringere Produktauswahl, der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und eine verringerte Innovationsstärke genannt.
20 Prozent wollen Personal aufstocken
Laut aktueller Austrian-Business-Check-Umfrage mussten im Vorjahr zwölf Prozent der Unternehmen Arbeitskräfte einsparen, was zumeist der generellen Kostenentwicklungen geschuldet war. Auch in diesem Jahr dürfte dies bei jedem zehnten Betrieb der Fall sein, gleichzeitig planen jedoch 20 Prozent der Betriebe, ihren Personalstand zu erhöhen.
Insbesondere in der Industrie ist der Bedarf hoch, wo mehr als die Hälfte der Firmen die Mitarbeiterzahl ausbauen möchte. Parallel dazu rückt auch das Thema der Teilzeitarbeit immer mehr in den Vordergrund: Allein in den vergangenen beiden Jahren hat sich laut den Umfrageergebnissen der Anteil an Teilzeitarbeitskräften bei 28 Prozent der Betriebe erhöht. Es scheint so, dass immer mehr Menschen auf Teilzeitbasis arbeiten möchten, um mehr Zeit für Familie und Freizeit zu haben.
„Aus menschlicher Sicht verständlich, für die Wirtschaft geht hier jedoch einiges an Potenzial verloren. Es ist daher notwendig, die Vollzeitarbeit deutlich attraktiver zu gestalten“, so Vybiral, der für den Wirtschaftsstandort Österreich auch darin eine Chance sieht, Menschen auch nach ihrem faktischen Pensionsantrittsalter in Beschäftigung zu halten, wenn das deren freiwilliger Wunsch ist. „Wenn jemand länger arbeiten möchte als er gesetzlich müsste, dann sollte er auch die Möglichkeit dazu haben. Das geht natürlich nicht ohne gewisse Anreize, wie etwa ein steuerbegünstigtes Einkommen über das faktische Pensionsalter hinaus“, so der Wirtschaftsexperte. Dadurch würde zudem einiges an Wissen und Erfahrung länger in den Unternehmen verbleiben, wovon nachfolgende Generationen länger profitieren würden.
In welchen Branchen fehlen die Arbeitskräfte?
Laut Stellenmonitor vom Wirtschaftsbund sind im Mai übrigens 215.724 Stellen in Österreich ausgeschrieben. Diese verteilen sich nach Branchen betrachtet wie folgt:
- Büro, Marketing, Finanz, Recht, Sicherheit: 34.082
- Bau, Baunebengewerbe, Holz, Gebäudetechnik: 23.423
- Bergbau, Rohstoffe, Glas, Keramik, Stein: 302
- Chemie, Biotechnologie, Lebensmittel, Kunststoffe: 3.670
- Elektrotechnik, Elektronik, Telekommunikation, IT: 21.738
- Handel, Logistik, Verkehr: 41.015
- Landwirtschaft, Gartenbau, Forstwirtschaft, Umwelt: 1.988
- Maschinenbau, Kfz, Metall: 17.470
- Medien, Grafik, Design, Druck, Kunst, Kunsthandwerk: 1.460
- Reinigung, Hausbetreuung, Anlern- und Hilfsberufe: 10.552
- Soziales, Gesundheit, Schönheitspflege: 16.443
- Textil, Bekleidung, Mode, Leder: 210
- Tourismus, Gastgewerbe, Freizeit: 26.399
- Wissenschaft, Bildung, Forschung und Entwicklung: 1.477
- Nicht konkreter zuordenbar: 15.681