Inhaber von E-Fahrzeugen und Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladesäulen stehen vor einem ernsten Problem: Die erwarteten THG-Prämienzahlungen könnten in diesem Jahr erheblich geringer ausfallen. Schuld daran sind die undurchsichtigen Methoden der Mineralölkonzerne, die auf fragwürdig deklariertes Palmöl und zweifelhafte Klimaschutzprojekte zurückgreifen.
In unserem Nachbarland Deutschland ist der Skandal bereits voll angelaufen, in Österreich ist davon noch nicht so viel zu hören/lesen. Allerdings werden die fragwürdigen Machenschaften der Mineralöl-Multis die Berechnung der so genannte THG-Quote freilich auch hierzulande beeinträchtigen.
Hintergründe zu den Prämien
Als kleine Erinnerung: Zur Förderung der Elektromobilität sollen E-Fahrzeugbesitzer und Betreiber von öffentlichen Ladestationen durch eine jährliche Prämie, bekannt als eQuote, belohnt werden. Diese Prämien können über spezialisierte Zwischenhändler beantragt werden, die im Namen der Antragsberechtigten die erforderlichen Zertifikate beim Umweltbundesamt beantragen und an Mineralölkonzerne weiterverkaufen. Die Mineralölkonzerne sind als Folge des Pariser Klimaschutzabkommens dazu verpflichtet, stetig strengere Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) zu erfüllen, unter anderem durch den Erwerb von THG-Zertifikaten, mit denen sie ihren CO2-Ausstoß kompensieren können.
Obwohl beispielsweise Plattformen wie WirkaufendeineTHG.at versprechen, 90 Prozent des Erlöses auszuzahlen, sind die Prämien seit letztem Jahr deutlich gesunken. Dies liegt daran, dass Mineralölkonzerne ihre Quoten zunehmend mit anscheinend falsch deklariertem Palmöl aus China und anderen Tricksereien erfüllen.
Die Rolle des Palmöls
„Fortschrittlicher Biokraftstoff“ aus Hydriertem Pflanzenöl (HVO) könnte ja theoretisch zur Umweltentlastung beitragen, sofern er nicht aus Palmöl hergestellt wird, für dessen Herstellung ganze Regenwälder gerodet werden. Seit längerem dürfen Palmöle aufgrund ihrer negativen Umweltbilanz daher nicht mehr auf die THG-Quoten angerechnet werden, es sei denn, sie stammen aus altem, wiederverwertetem Palmöl (Altöl).
So weit, so gut. Derzeit kommen jedoch 95 Prozent der angeblichen Bio-Kraftstoffe aus China, was Fachleute stutzig macht. China verfügt weder über genügend Reststoffe noch über ausreichend Produktionsanlagen für HVO. Dennoch nutzen Mineralölkonzerne diese zweifelhaften Zertifikate, um ihre Quoten zu erfüllen, anstatt faire Prämien an E-Fahrzeugbesitzer auszuzahlen. Inzwischen sprechen Medien hier sogar von einem neuen „Dieselskandal“.
Eine ebenso einfache wie effektive Lösung wäre, eine transparente und lückenlose Nachverfolgbarkeit der Herkunft und Produktion dieser Biokraftstoffe aus China einzufordern. Dies würde verhindern, dass falsch deklariertes Palmöl zur Erfüllung der Quoten verwendet wird. Bislang haben die zuständigen Behörden jedoch keine Maßnahmen ergriffen.
Weitere Skandale und Konsequenzen
Laut ZDF ist der Palmölskandal nur ein kleiner Teil des Problems. Auch scheinbare Klimaschutzprojekte in China, die nur auf dem Papier existieren, werden von Mineralölkonzernen genutzt, um ihre THG-Ziele zu erreichen. Sogar renommierte deutsche Prüfinstitute sollen in diesen Skandal verwickelt sein. Immerhin hat das deutsche Umweltbundesamt inzwischen Ermittlungen eingeleitet.
Für China scheint der Quotenhandel jedenfalls sehr lukrativ zu sein. Nicht nur, dass man weiterhin der weltweit größte CO2-Emittent ist, lässt man sich von den europäischen Verbrauchern auch noch die vermeintlichen „Umweltschutzmaßnahmen“ bezahlen. Die Kosten der Zertifikate tragen nämlich die Verbraucher, wenn sie hierzulande tanken oder Heizöl kaufen.
Für die E-Mobilität bleibt zu hoffen, dass diese Machenschaften bald gestoppt werden und E-Auto-Besitzer wieder angemessene Prämien erhalten. Dies wäre nicht nur fair, sondern auch ein wichtiger Schritt zur Förderung der Elektromobilität und des Klimaschutzes. In Deutschland hat sich inzwischen bereits eigene Brancheninitiative gegen den Klimabetrug gebildet.
Brancheninitiative gegen Klimabetrug mit gefälschten UER-Projekten und mutmaßlich unrichtig deklarierten Biokraftstoffen formiert sich (Klicken für mehr Infos)
40 Unternehmen und 10 Verbände u.a. aus der Branche der Erneuerbaren Energien haben sich zu einem breiten Aktionsbündnis gegen den Betrug mit fälschlich ausgestellten Nachweisen über Upstream-Emissionsminderungen (UER) und falsch deklarierten Biokraftstoffen zusammengeschlossen. Unter den Initiatoren befinden sich unter anderem Verbio, der Bundesverband THG-Quote und das Hauptstadtbüro Bio-energie. Ziel der Initiative Klimabetrug Stoppen (IKS) ist es, den Betrug am Klimaschutz zu stoppen. Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten), die auf Basis der Fälschungen an-gerechnet werden, sollen aus dem Markt genommen und Betrug verhindert werden.
Die Mitglieder der Initiative Klimabetrug Stoppen ernannten Stefan Schreiber, Vorstand bei Verbio, Sandra Rostek, Leiterin Hauptstadtbüro Bioenergie und Marc Schubert, 1. Vorstand beim Bundesverband THG-Quote zu ihren Sprechern. „Fingierte UER-Projekte und vermeintliche Biokraftstoffe haben keinen positiven Einfluss auf das Klima. Mutmaßlich bis zu 9 Mio. Tonnen THG-Minderung wurden durch den Missbrauch nie realisiert. Der Preiskollaps macht Maßnahmen wie den Ausbau der Elektro-Ladeinfrastruktur, die Förderung grünen Wasserstoffs oder die Beimischung von fortschrittlichen Biokraftstoffen weniger attraktiv und gefährdet die Branche für erneuerbare Antriebe in Deutschland – und damit die Erfüllung der Klimaschutzziele“, sagte Marc Schubert auf der Gründungspressekonferenz der Initiative Klimabetrug Stoppen.
Dutzende Investitionsprojekte in die E-Mobilitäts-, Wasserstoff- und Biokraftstoffindustrie in Deutschland wurden dadurch bereits gestoppt. Nichtexistierende Klimaschutzprojekte schädigen die Verbraucher, die Geld ausgeben, ohne dass der behauptete Klimaschutz stattfindet. “Statt 400 Euro im Jahr 2022 erhält ein E-Auto-Fahrer heute nur noch ca. 80 Euro Prämie. Oder für Stadtwerke: Für einen E-Bus gab es mal 16.000 Euro und jetzt nur noch maximal 3.000 Euro. Dafür schafft sich niemand mehr ein E-Fahrzeug an”, ergänzte Schubert.
Die Initiative hat sich gegründet, weil den Mitgliedern die Aufarbeitung durch Behörden und Politik mit diesem Betrugsskandal nicht ausreicht. “Unsere Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Missstände aufzudecken und die Öffentlichkeit über die gravierenden Folgen dieses Skandals zu informieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir gemeinsam gegen diese Täuschungen vorgehen, für eine transparente und gerechte Bewältigung sorgen und der nichterbrachte Klimaschutz nachgeholt wird,” sagt Sandra Rostek.
“Wir wollen mit den verantwortlichen Ministerien in den Dialog kommen, um konstruktive Änderungen zu erwirken. Die Branche braucht konkretes Handeln, damit die THG-Quote wieder ihren wichtigen klimapolitischen Zweck erfüllen und Investitionen zur THG-Emissionsreduzierung er-möglichen kann. Deshalb wollen wir der Politik Fachexpertise anbieten, um die Aufklärung von Betrugsfällen voranzutreiben sowie den THG-Quotenmarkt wieder zu stabilisieren – um den Klimaschutz im Verkehr wiederherzustellen”, fasst Stefan Schreiber die Ziele der Initiative zusammen. Die Mitglieder der Brancheninitiative fordern, den Betrug am Klimaschutz, den erneuerbaren Energien und den Verbrauchern rückgängig zu machen. Kein Betrugsfall darf auf die Klima-ziele angerechnet werden. Um dies zu erreichen, sind laut der Initiative Klimabetrug Stoppen u.a. folgende Maßnahmen erforderlich:
- Aufklärung aller fragwürdigen Geschäftspraktiken in den Bereichen Biokraftstoffe und UER-Projekte
- Marktstabilisierung nach dem Vorsichtsprinzip: jedes Vorhaben vor einer etwaigen Anrechnung nochmals kritisch prüfen
- Etablieren praxistauglicher Mechanismen zur Betrugsprävention im Klimaschutz
- Ausgleich für die infolge des Betruges ausgebliebene reale THG-Minderung: z.B. durch Wasserstoff, Biomethan, Elektromobilität oder Biokraftstoffe
- Die Mineralölindustrie fordern wir auf alle Projekte nochmal kritisch zu prüfen und bei Zweifeln die UER-Nachweise nicht anzumelden und die bisherigen Quotenanmeldungen zu korrigieren.
Auch wenn ab 2025 keine UER mehr auf die THG-Quote angerechnet werden dürfen, dürfen aktuell weiter UER-Nachweise aus gefälschten Projekten als Emissionsminderung genutzt werden. Wenn die erneute Prüfung bereits eingereichter Projekte nicht durchgeführt oder diese in der Prüfung als unzulässig identifiziert werden, dürfen sie aus Sicht der Initiative auch nicht für die Erfüllung der Verpflichtung der THG-Minderungsquote angerechnet werden.
Die Bundesregierung muss zudem dem Import fälschlich deklarierter Biokraftstoffe einen Riegel vorschieben. Die fehlende Möglichkeit, die Einhaltung der EU-Standards bei der Produktion von Biokraftstoffen in China durch Vor-Ort-Audits zu überprüfen, muss dringend adressiert werden. Dazu braucht es zum Beispiel Verschärfung von Nachhaltigkeitszertifizierung, Kontrollen und Sanktionierungen.
Die Quotenverpflichteten müssen für Ausgleich der THG-Minderung durch wirkliche Klimaschutzmaßnahmen sorgen, z.B. durch Wasserstoff, Biomethan, Elektromobilität oder andere Biokraftstoffe. Nur so kann, so die Initiative, die Verkehrswende gelingen und gestoppte Investitionen in erneuerbare Energien erneut angeregt werden.
Weitere Forderungen der Initiative und ihre Mitglieder finden Sie hier: www.carbonleaks.de
Hintergrund UER-Nachweise:
Unternehmen, die in Deutschland Kraftstoffe in Verkehr bringen, also in erster Linie Mineralölunternehmen, unterliegen einer auf EU-Recht basierten Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote). Die THG-Quote schreibt vor, anteilig Treibhausgasminderungen durch erneuerbare Energien wie zum Beispiel die Beimischung von nachhaltigen Biokraftstoffen oder durch die Förderung der Elektromobilität zu erbringen.
Seit 2020 können sie einen Teil ihrer Quote mit sogenannten Upstream-Emissions-Reduktions-Projekten (UER) erfüllen, also durch Emissionsminderungen bei der Erdölförderung. Diese Möglichkeit entfällt ab 2025. Damit können jedoch heute noch Nachweise aus gefälschten UER-Projekten angerechnet werden – angebliche Emissionsminderungsprojekte, die nachweislich nie stattgefunden haben.
Hintergrund Biokraftstoffe:
Zur Erfüllung der THG-Quote können auch Biokraftstoffe zum Beispiel zu fossilen Kraftstoffen beigemischt werden. In den vergangenen zwei Jahren wurde der europäische Biokraftstoffmarkt von Altspeisefett-Importen aus China überschwemmt. Alleine im ersten Halbjahr 2023 wurde eine Verdopplung der importierten Mengen im Vergleich zum Vorjahr festgestellt. Es gibt Hinweise, dass große Mengen an Palmöl aus Indonesien und Malaysia in China umdeklariert und als klimafreundlicher Biodiesel nach Europa exportiert werden. Dieser Biodiesel wird dann als fortschrittlicher Biokraftstoff auf Basis von Altfetten ausgewiesen, obwohl er tatsächlich aus umetikettiertem Palmöl besteht.
Auf die europäischen Märkte kommt er als sogenannter fortschrittlicher Biokraftstoff aus Abfällen und Reststoffen. Damit gilt dieser Biodiesel in Deutschland als besonders wertvoll und verdrängt hierzulande produzierten Biokraftstoff, weil er doppelt im deutschen Fördersystem angerechnet werden kann. Zudem sind die Preise für den aus China importierten Biodiesel sehr niedrig.