Handelsverband und WIFO präsentierten ihre Prognose für Gesamtjahr und Weihnachtsgeschäft. Österreicher geben heuer im Schnitt 360 Euro für Geschenke aus.
Der Dezember ist für den Großteil der österreichischen Einzelhändler der wichtigste Monat im Geschäftsjahr, er gilt branchenintern als „5. Quartal“. Das Weihnachtsgeschäft entscheidet nicht selten darüber, ob das Geschäftsjahr erfolgreich endet oder nicht. Im Krisenjahr 2023 gilt dies mehr denn je, wenngleich die Ausgangslage heuer aufgrund der hohen Inflation vor allem unter dem Motto der Verlustbegrenzung steht.
Bekannt ist: Die Weihnachtsumsätze sind in den beiden Pandemiejahren deutlich gesunken. 2022 und 2023 mussten die österreichischen Händler dann zwar keine Lockdowns, allerdings hohe Energiekosten, die höchste Inflation seit 1952 und einen beispiellosen Arbeitskräftemangel (14.000 offene Stellen) verkraften. Wie wirkt sich das auf die Umsätze im Weihnachtsgeschäft aus? Und welche Prognose lässt sich für das Geschäftsjahr 2023 ableiten?
2023 bringt Dezember-Mehrumsatz von 1,25 Mrd. Euro
Das aktuelle Weihnachtsgeschäft ist solide angelaufen. Das kalte Wetter dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben, die heimischen Einkaufszentren verzeichneten hohe Kundenfrequenzen und auch in den Einkaufsstraßen war der Andrang groß.
Insgesamt wird das Umsatzvolumen heuer im Dezember vom WIFO auf 7,42 Mrd. Euro geschätzt (Vorjahr: 7,38 Mrd. Euro). Inflationsbereinigt entspricht das einem Minus von 3,6 Prozent.
Non-Food-Handel mit minus 44 Mio. Euro deutlich hinter Vorjahr
„Wir sehen heuer auch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Betrachtet man lediglich den Nichtlebensmittelbereich, liegen die Mehrumsätze im Dezember inflationsbereinigt um 44 Mio. Euro hinter dem Vorjahresniveau, und um rund 80 Mio. Euro hinter 2019 zurück“, sagt Jürgen Bierbaumer, Senior Economist am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).
Das klassische Weihnachtsgeschäft wird definiert als Mehrumsatz im Dezember, der über den durchschnittlichen Umsätzen der Monate Jänner bis November liegt. Pandemiebedingt gab es hier jedoch seit 2020 zusätzliche Faktoren (z.B. unterjährige starke Umsatzschwankungen aufgrund von Schließungen im Handel), die eine exakte Abgrenzung dieser Mehrumsätze erschwert haben.
Kommende Woche treten im heimischen Handel die Last-Minute Shopper auf den Plan. Rund ein Drittel der Konsument:innen sichert sich erst in den letzten Tagen vor Heiligabend die Geschenke für die Lieben. Nach dem 24. Dezember werden dann Geldgeschenke eingelöst und das Gutscheingeschäft hat Hochkonjunktur bis weit in den Jänner 2024 hinein.
Top-Seller zu Weihnachten
„Im Schnitt werden die Österreicherinnen und Österreicher heuer 360 Euro für Geschenke ausgeben, um 35 Euro weniger als im Vorjahr. Zugenommen hat lediglich der Anteil jener Umsätze, die aus unserer Volkswirtschaft in Drittstaaten abfließen, wodurch dem österreichischen Handel weniger bleibt. Davon profitieren insbesondere asiatische Webshops wie Shein und Temu, die hierzulande kaum Steuern zahlen“, erklärt Rainer Will.
Bei den bevorzugten Waren greifen heuer 41 % der österreichischen Christkinder im Einzelhandel zu Gutscheinen, fast ein Drittel zu Spielzeug (30 %) und Süßigkeiten (28 %). Immerhin 27 % setzen auf Bargeld, um die Vorlieben der Liebsten zu treffen. Spannend: Rund ein Fünftel wird heuer fast alle Weihnachtsgeschenke im Onlinehandel kaufen, 8 % der Bevölkerung verzichten komplett auf den Kauf von Geschenken.
Einzelhandel 2023: Umsatz etwa bei 75,3 Mrd. Euro
„Aus all diesen Faktoren leitet sich unsere Gesamtjahresprognose 2023 für den österreichischen Einzelhandel von 75,3 Milliarden Euro netto ab. Eine moderate nominelle Steigerung von 3,6 % gegenüber 2022. Bereinigt man allerdings um die durchschnittlichen Preissteigerungen im Gesamtjahr, muss der heimische Einzelhandel heuer real ein Umsatzminus von -3,6 % verkraften“, sagt Will.
„Die Grunddynamik in der Umsatzentwicklung verlief heuer aufgrund der Teuerungskrise und eines verhaltenen Konjunkturklimas durchwachsen. Nominell liegen die Umsätze zwar leicht über dem Vorjahr, allerdings dürften die Zuwächse primär auf die hohen Teuerungsraten zurückzuführen sein. Positiv ist, dass der Peak bei der Inflation überschritten ist und 2024 eine Normalisierung absehbar scheint“, ergänzt Jürgen Bierbaumer.
Konsumentenstimmung erholt sich kaum
Laut dem HV-Konsumbarometer, für welches das Marktforschungsinstitut Mindtake im Auftrag des Handelsverbands regelmäßig mehr als 1.000 Personen befragt, verbesserte sich die Konsumentenstimmung im 4. Quartal geringfügig um 0,8 Punkte gegenüber dem Vorquartal. Mit 108,8 Punkten liegt das Barometer jedoch im längerfristigen Vergleich weiterhin deutlich schlechter als im Vorjahr (Q4 2022: 114 Punkte) und praktisch gleichauf mit dem 4. Quartal 2021, als sich das Land im vierten Corona-Lockdown befand.
Zwar haben sich die zuletzt gesunkenen Inflationsraten positiv auf die Konsumlaune ausgewirkt und auch die Sparneigung hat im Vergleich zu den Vorquartalen etwas abgenommen. Die Sparneigung bleibt aber weiterhin auf sehr hohem Niveau. Die Konjunkturerwartung der Konsument:innen hat sich – im Einklang mit der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung – im Vergleich zum Sommer deutlich eingetrübt. Die Bevölkerung geht weiterhin von einer rückläufigen Wirtschaftsentwicklung aus. Auf die Ausgabenneigung hat das verheerende Auswirkungen: Sie stürzte auf den tiefsten Stand seit mehr als zweieinhalb Jahren ab. Mit 110 Punkten liegt sie um 18 Punkte unter dem Vergleichsquartal des Vorjahres.
Keine Branche stärker von Insolvenzen betroffen als der Handel
Laut KSV1870 verzeichnet der Handel im Branchenvergleich mit Abstand die meisten Insolvenzen. Wie die aktuelle KSV1870-Hochrechnung belegt, wurde im Handel heuer mit exakt 1.003 insolventen Unternehmen (+17 %) erstmals seit Jahren die Tausendergrenze überschritten – zum überwiegenden Teil ist hier der Einzelhandel betroffen.
Vor diesem Hintergrund haben die österreichischen Händler für 2024 folgende Strategien und Maßnahmen geplant, um ihre wirtschaftliche Existenz nach dem Weihnachtsgeschäft abzusichern:
- Investitionsstopp (43 %)
- Reduktion von Werbespendings (41 %)
- Personalabbau (32 %)
- Verkürzte Öffnungszeiten (27 %)
- Expansionsstopp (24 %)
- Filialschließungen (19 %)
- Beendigung der Geschäftstätigkeit (8 %)
Personalabbau droht in jedem dritten Betrieb
Laut der jüngsten Blitzumfrage des Handelsverbandes – teilgenommen haben 189 Mitglieder des Handelsverbands aus allen Branchen und Größenklassen – werden 39 % der Betriebe im Gesamtjahr 2023 einen Verlust erwirtschaften, 35 % maximal ein ausgeglichenes Ergebnis. Rund ein Drittel der Händler befürchtet, 2024 aufgrund der Kostenbelastungen Personal abbauen zu müssen. Jeder dritte Händler berichtet darüber hinaus von einer Verschlechterung der Eigenkapitalsituation im Vergleich zum Vorjahr, nur jeder fünfte Betrieb hingegen von einer Verbesserung.
In der Lage, verstärkt zu investieren, sieht sich hingegen kaum jemand. 42 % der Händler sagen ganz konkret, sie könnten sich in der derzeitigen Marktlage keine verstärkten Investitionen leisten. Immerhin 40 % wollen 2024 in Werbung und Marketing investieren, um ihre Wachstumschancen abzusichern, 37 % in die Digitalisierung, 29 % in Ladenbau bzw. Geschäftsausstattung.
Wünsche des Handels an das politische Christkind
Seit vielen Jahren existieren im Handel zwei Geschwindigkeiten. Die österreichischen Handelsbetriebe müssen mit einer Ritterrüstung, mit starren Zuschlägen und hohen Lohnnebenkosten einen wahren Hürdenlauf absolvieren. Die globalen Internet-Giganten ohne Betriebsstätte in Österreich können hingegen frei wie ein Vogel agieren und einen eleganten Sprint hin zu den Konsument:innen absolvieren. Daher sind neben den teuerungsinduzierten staatlichen Unterstützungsleistungen auch dringend lenkungspolitische Schritte erforderlich.
Für am dringendsten erachten die Mitglieder des freien und überparteilichen Handelsverbands deshalb eine substanzielle Senkung der Lohnnebenkosten. „Von einer Senkung der Lohnnebenkosten würden alle profitieren. Die Kaufkraft der Kund:innen würde gestärkt, die Beschäftigten besser entlohnt und der Handel entlastet“, appelliert der Handelsverband-Geschäftsführer an die Bundesregierung.
An zweiter Stelle der politischen Forderungen kommt für die Händler eine umfassende Arbeitsmarktreform mit stärkeren Beschäftigungsanreizen in Kombination mit einer Attraktivierung der Zuverdienstmöglichkeiten für Pensionist:innen. Denn noch immer ist der Arbeitskräftemangel ein drängendes Problem der Branche. Leistung muss sich wieder lohnen – so die Prämisse für 2024.
Dritte Kernforderung der Handelsverband-Mitglieder ist eine Entbürokratisierung und Deregulierung. Laut einer Untersuchung der Europäischen Kommission (Retail Restrictivness Indicator) unterliegt der Einzelhandel im europäischen Vergleich nur in Frankreich noch mehr Regulierungen als in Österreich. „Der Reformstau, die Abgabenbelastung und der Bürokratiedschungel gefährden die Wettbewerbsfähigkeit und mittlerweile auch die Überlebensfähigkeit unserer Branche, es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf“, fordert Rainer Will eindringlich Entlastungsmaßnahmen ein.
Mach’s wie das Christkind: Kauf’s regional!
Der Weihnachtswunsch des Handelsverbandes richtet sich heuer vor allem an die Konsument:innen: Das größte Geschenk, das man dieses Weihnachten jemandem schenken kann, ist ein sicherer Arbeitsplatz. Wie das geht? Indem man die Geschenke im heimischen Handel kauft – egal ob in einem der österreichischen Onlineshops oder vor Ort in den Geschäften. Alle Österreicher:innen könnten so einen Beitrag leisten und trotz Teuerungskrise zeigen, dass ihr Herz für die eigene Region und für den Erhalt der Arbeitsplätze im Land schlägt.