Human Centric Lighting (HCL) stellt den Menschen und seine biologischen, emotionalen und visuellen Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Beleuchtung. Es ist ein neues Verständnis von Licht: Es geht nicht mehr nur um Helligkeit und Energieeffizienz, sondern um die gezielte Unterstützung von Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Mit der Einführung der LED-Technologie hat sich die Lichtplanung grundlegend verändert. Wo früher Helligkeit und Blendfreiheit im Vordergrund standen, geht es heute darum, Licht als ganzheitlichen Faktor der Lebensqualität zu begreifen. Human Centric Lighting (HCL) beschreibt ein Beleuchtungskonzept, das sich an den natürlichen Lichtverhältnissen orientiert und damit den Rhythmus des Menschen unterstützt – also unseren inneren 24-Stunden-Takt aus Aktivität und Ruhe.
Drei Wirkebenen des Lichts
Licht wirkt immer – auf drei Ebenen: visuell, emotional und biologisch.
Visuell ermöglicht es uns, unsere Umgebung wahrzunehmen und Sehaufgaben zu erfüllen. Eine ausreichende Beleuchtungsstärke, normgerechte Gleichmäßigkeit und eine gute Farbwiedergabe sind hier Grundvoraussetzung.
Emotional prägt Licht unsere Stimmung und das Wohlbefinden. Warmweißes Licht mit weichen Schatten schafft Geborgenheit, während tageslichtweißes Licht Wachheit und Konzentration fördert. Die architektonische Einbindung von Licht in Räume beeinflusst, wie wir uns darin fühlen – ob wir Energie tanken oder zur Ruhe kommen.
Biologisch schließlich steuert Licht unseren Hormonhaushalt. Über spezielle lichtempfindliche Zellen in der Netzhaut (Ganglienzellen mit dem Pigment Melanopsin) beeinflusst es die Ausschüttung von Melatonin, das unseren Schlaf-Wach-Rhythmus regelt. Blauhaltiges Licht am Morgen aktiviert, warmes Licht am Abend bereitet auf die Ruhephase vor.

Ganzheitlich planen, zielgerichtet betreiben
HCL bedeutet nicht einfach, die Farbtemperatur über den Tag zu verändern. Es verlangt eine integrierte Planung, die alle Faktoren – Raum, Nutzung, Nutzer, Steuerung und Tageslicht – berücksichtigt. Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt: Welche Tätigkeiten finden wann statt? Wie viel Tageslicht steht zur Verfügung? Welche Stimmung ist gewünscht?
Ein HCL-System muss zielgerichtet und langfristig ausgelegt sein. Das Ziel ist nicht die kurzfristige Aktivierung, sondern die dauerhafte Unterstützung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Eine normgerechte, energieeffiziente Beleuchtung bildet die Basis, ergänzt durch dynamische Lichtverläufe, die dem natürlichen Tageslicht folgen.




Der Tagesverlauf des Lichts
Ein HCL-System begleitet den Menschen über den ganzen Tag:
- Am Morgen unterstützen höhere Blauanteile (kaltweißes Licht, über 5.500 K) das Aufwachen und steigern die Aufmerksamkeit.
- Im Tagesverlauf sorgt helles, gleichmäßiges Licht mit hohen vertikalen Beleuchtungsstärken am Auge (300–500 lx) für Aktivität und Konzentration.
- Zum Abend hin werden Helligkeit und Farbtemperatur reduziert – warmweißes Licht mit 2.700–3.000 K signalisiert Entspannung und fördert die Melatoninproduktion.
Diese Lichtsteuerung erfolgt idealerweise automatisch über ein Lichtmanagementsystem (LMS), das die Helligkeit und Farbtemperatur dynamisch anpasst, kann aber auch manuell bedient oder über App-Systeme personalisiert werden.
Planung und Umsetzung
Für Elektriker und Planer bedeutet HCL eine enge Verzahnung von Technik, Architektur und Nutzerbedürfnissen. Bereits in der Bedarfsanalyse müssen Sehaufgaben, Raumgeometrie, Oberflächenreflexionen und Tageslichtanteile berücksichtigt werden. DIN-Normen wie DIN EN 12464-1 (Beleuchtung von Arbeitsstätten) sowie DIN SPEC 5031-100 und DIN SPEC 67600 liefern technische Grundlagen für visuelle und biologische Lichtwirkungen.
Bei der Planung gilt:
- Große, diffuse Lichtflächen aus Decke oder Wand wirken biologisch wirksamer als punktuelle Lichtquellen.
- Helle, reflektierende Oberflächen unterstützen die gleichmäßige Lichtverteilung.
- Leuchtdichten sollten 500–1.000 cd/m² nicht überschreiten, um Blendung zu vermeiden.
- Eine regelmäßige Wartung und Kontrolle der Lichtsteuerung ist erforderlich, um die geplanten Wirkungen dauerhaft sicherzustellen.


Beispiele aus der Praxis
In Büros steigert HCL die Konzentrationsfähigkeit und reduziert Ermüdung. Dynamisches Licht fördert den natürlichen Biorhythmus und kann das Wohlbefinden nachweislich verbessern. In Schulen fördert tageslichtähnliches Licht die Lernbereitschaft; wechselnde Lichtstimmungen helfen, Ruhe oder Aktivität zu unterstützen. In der Industrie trägt HCL zur Sicherheit und Gesundheit bei – besonders in Schichtarbeit, wo Licht den Mangel an Tageslicht kompensieren muss. Und im privaten Bereich sorgt es für eine harmonische Lichtatmosphäre, die Wohlbefinden und Schlafqualität fördert.
Außerdem arbeiten rund 15 % aller Erwerbstätigen nachts. Hier gilt: Tageslichtweißes Licht ist in der Nacht nur bedingt sinnvoll. Eine dauerhaft kaltweiße Beleuchtung stört den circadianen Rhythmus erheblich. Empfehlenswert sind warmweiße Lichtfarben mit moderaten Beleuchtungsstärken, die gute Sicht ermöglichen, aber die innere Uhr nicht aus dem Takt bringen.
Licht ist mit HCL mehr als ein Arbeitsmittel – es schafft Atmosphäre. Die Kombination aus Lichtfarbe, Lichtrichtung und Materialwirkung bestimmt die emotionale Qualität eines Raums. Wandaufhellungen, Flächenlicht und Akzentuierungen mit warmen Tönen machen Räume lebendig. HCL schafft damit auch ein gestalterisches Werkzeug, das Funktion und Ästhetik verbindet.
Licht für den Menschen
Human Centric Lighting verbindet technisches Know-how mit physiologischem Verständnis und psychologischem Feingefühl. Es ist die nächste Stufe moderner Lichtplanung – ein Zusammenspiel aus Technik, Wissenschaft und Empathie. Für Elektriker und Anwender bedeutet das: Licht wird nicht nur installiert, es wird inszeniert – abgestimmt auf den Menschen, seine Tätigkeit und seine innere Uhr. Wer HCL richtig plant und umsetzt, schafft nicht nur bessere Sehbedingungen, sondern fördert langfristig Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität.

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