Laut aktueller KSV1870-Hochrechnung sind im Jahr 2023 in Österreich 5.401 Unternehmen (+ 13 % gegenüber 2022) von einer Insolvenz betroffen. Das entspricht 15 Firmenpleiten pro Tag und so vielen Fällen wie zuletzt vor zehn Jahren.
Besonders hart trifft es den Handel, die Bauwirtschaft und den Bereich Beherbergung/Gastronomie. Darüber hinaus haben sich die vorläufigen Passiva* um
286 Prozent auf rund 8,53 Mrd. Euro erhöht – hauptverantwortlich dafür ist freilich die Insolvenz der SIGNA Holding. Aber auch ohne die größte Pleite der österreichischen Wirtschaftsgeschichte liegen die Passiva um rund die Hälfte über dem Vorjahresergebnis. Weiters hat sich die Zahl der betroffenen Mitarbeiter um 45 Prozent auf 22.500 Personen erhöht, jene der Gläubiger um 41 Prozent auf 44.000 Betroffene. Für das Jahr 2024 erwartet der KSV1870 zwischen 5.800 und 6.000 Firmenpleiten.
Eine Umsatzentwicklung, die tendenziell nach unten zeigt und eine schrumpfende Auftragslage bei rund jedem zweiten Betrieb sprechen eine eindeutige Sprache. „Das Thema Kosten ist nach wie vor der ‚Key-Faktor‘, was innerbetriebliche Entwicklungen betrifft. Zum jetzigen Zeitpunkt muss man sagen, dass sich Österreichs Wirtschaftsentwicklung in vielen Bereichen am Scheideweg befindet“, fasst Ricardo-José Vybiral, MBA, CEO der KSV1870 Holding AG, die aktuelle Situation zusammen. „Was es jetzt braucht, ist ein frischer ‚Drive‘, um die Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaft anzukurbeln. So braucht es etwa neue Impulse für den Export und Initiativen zur Stärkung der Bauwirtschaft und des Handels. Nur so wird es möglich sein, dass Österreich vom Stottermodus in den Überholmodus schaltet“, bringt es Vybiral auf den Punkt.
Infolge der wirtschaftlichen Herausforderungen hat sich auch die Insolvenzentwicklung in diesem Jahr wie erwartet entwickelt: „In Zeiten einer hohen Volatilität gepaart mit einem Mix an schwierigen Rahmenbedingungen sind wir seitens des KSV1870 zu Jahresbeginn von einem Anstieg der Firmenpleiten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich ausgegangen. Und dieser ist wie erwartet eingetreten“, erklärt Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Im Jahr 2023 wurden hierzulande 5.401 Firmenpleiten (15 Fälle pro Tag) gezählt, was einen Anstieg von 13 Prozent bedeutet. Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 wurden heuer um knapp acht Prozent mehr Pleiten gezählt.
„Nichteröffnungen“ weiterhin auf zu hohem Niveau
Gleichzeitig ist die nach wie vor hohe Zahl an Verfahren (2.023 Fälle, +8 %), die mangels Kostendeckung nicht eröffnet werden konnten, besorgniserregend. Zwar sind im Jahr 2023 die „Nichteröffnungen“ trotz des Anstieges in absoluten Zahlen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Firmenpleiten eine Spur weniger geworden, doch über 2.000 derartige Fälle sind eindeutig zu viel. Vor allem weil es dadurch nicht möglich ist, die betroffenen Unternehmen ordentlich „zu verwerten“, um zumindest kleine Geldrückflüsse an die Gläubiger zu ermöglichen.
Handel mit mehr als 1.000 Insolvenzen
Wie die aktuelle KSV1870 Hochrechnung belegt, wurde im Handel mit exakt 1.003 insolventen Unternehmen (+17 %) erstmals seit Jahren die Tausendergrenze überschritten – zum überwiegenden Teil ist hier insbesondere der Einzelhandel betroffen. Die Hauptgründe dafür liegen, neben dem hohen Energiebedarf und damit verbunden hohen Energiekosten, häufig in nicht eingetretenen Nachholeffekten aus Pandemiezeiten, einem zuletzt erfolgten Strukturwandel und der aktuell sinkenden Kaufkraft von Privatpersonen.
An Position zwei folgt die Bauwirtschaft (936 Fälle), die mit einem Anstieg von 21 Prozent zugleich den größten prozentuellen Zuwachs aufweist. Hier trifft es vor allem Projektentwickler im Wohnbau und in weiterer Folge damit beauftragte Bauunternehmen hart, zumal die Baukosten in den vergangenen Monaten massiv gestiegen sind. Aufgrund der vorherrschenden Kostensituation stagniert in weiterer Folge die Nachfrage, da eine Finanzierung wegen hoher Zinsen und verschärfter Rahmenbedingungen in der Kreditvergabe immer schwieriger wird.
„Die Baubranche wird immer mehr zum Sorgenkind. Konnten in der Vergangenheit übervolle Auftragsbücher über die Probleme hinwegtäuschen, so trifft es die Bauwirtschaft langsam, aber sicher mit voller Wucht“, so Götze. Eine Situation, die sich aus heutiger Sicht auch im Jahr 2024 nicht maßgeblich verbessern wird. Dahinter folgt der Sektor Beherbergung/Gastronomie (709 Fälle, +19 %), wo unter anderem der akute Personalmangel und ein geändertes Konsumverhalten der Gäste zum Tragen kommt. Hinzu kommt, dass Corona-Förderungen massiv genutzt wurden und sich die Betriebe so über Wasser halten konnten – das fällt jetzt weg. Auf den Plätzen dahinter folgen die Bereiche „Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ (425 Fälle, +8 %) und „Verkehr und Lagerei“ mit 406 Fällen (+/- 0 %).
Benkos SIGNA treibt Passiva gravierend in die Höhe
Angesichts der größten Unternehmenspleite der österreichischen Wirtschaftsgeschichte ist es keine Überraschung, dass sich die vorläufigen Passiva mit einem Anstieg von 286 Prozent auf 8,53 Mrd. Euro massiv vervielfacht haben. Doch auch ohne dem Insolvenzfall der SIGNA Holding GmbH mit Verbindlichkeiten von rund 5,27 Mrd. Euro wäre im Vergleich zum Vorjahr ein deutlicher Zuwachs bei den Passiva* zu vermelden gewesen – und zwar um 48 Prozent
auf 3,26 Mrd. Euro.
Ausblick 2024: Insolvenzzuwachs erwartet
Als klassische Exportnation werden auch im kommenden Jahr internationale Entwicklungen für die heimische Wirtschaftsentwicklung von elementarer Bedeutung sein. So wird etwa maßgeblich sein, welche Auswirkungen die bereits heute hohe Zahl an insolventen Bauunternehmen in Deutschland auf den österreichischen Markt haben wird. Auch deshalb, weil der heimische Bausektor ein traditionell starker Taktgeber für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Österreichs ist.
Ein weiterer relevanter Faktor werden die nach wie vor hohen Kosten sein, die die Budgets der Betriebe belasten. Hier braucht es rasche Lösungen zur Entschärfung der angespannten Finanzsituation vieler Unternehmen. Dabei geht es einerseits um die Frage, wie sich etwa die Inflation entwickeln wird und wie dieser entgegengewirkt werden kann, andererseits aber auch um internationale Entwicklungen (u.a. Ukraine-Krise, Nahost-Konflikt). Je nachdem welche Auswirkungen diese auf die Weltwirtschaft nehmen, ist damit auch die Frage der Energiekosten eng verknüpft.
Der KSV1870 geht aus heutiger Sicht jedenfalls von einem weiteren Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im kommenden Jahr aus. Dieser wird aller Voraussicht nach in einer ähnlichen Dimension erfolgen wie heuer. Das würde bedeuten, dass Ende 2024 in etwa zwischen 5.800 und 6.000 Unternehmensinsolvenzen zu Buche stehen werden, womit das diesjährige Ergebnis um etwa 500 Fälle übertroffen wäre.