Das erste Quartal 2024 ist das insolvenzreichste Quartal seit 2009. Parallel dazu steigen die Passiva aufgrund vieler Großinsolvenzen gravierend.
Laut aktueller KSV1870-Hochrechnung wurden im ersten Quartal 2024 in Österreich 1.691 (+ 27,3 % gegenüber 2023) Unternehmensinsolvenzen gezählt. Das entspricht rund 19 Firmenpleiten pro Tag. Besonders betroffen sind vor allem die Branchen Bau, Handel und Beherbergung/Gastronomie. Aufgrund mehrerer Großinsolvenzen von jeweils über 10 Mio. Euro haben sich die vorläufigen Passiva um 146,2 Prozent auf 992 Mio. Euro erhöht. Parallel zu den steigenden Insolvenzen hat sich zudem die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter auf 8.200 Personen verdoppelt und jene der Gläubiger um 37,6 Prozent auf 12.800 Betroffene erhöht. Für das Jahr 2024 erwartet der KSV1870 aus heutiger Sicht zumindest 6.200 Firmenpleiten.
Anstieg übertraf die Erwartungen
Im Schatten zahlreicher Insolvenzen rund um die Signa-Gruppe hat das heimische Insolvenzgeschehen in den ersten drei Monaten des Jahres deutlich an Geschwindigkeit zugelegt. Die wirtschaftliche Lage zahlreicher heimischer Unternehmen ist im Jahr 2024 weiterhin äußerst angespannt und das Marktumfeld gestaltet sich vielerorts schwierig. Insbesondere die Industrie leidet aufgrund der hohen Energiekosten massiv.
Aufgrund der Entwicklungen im Vorjahr ist ein Anstieg im Bereich der Firmenpleiten jedenfalls erwartbar gewesen. Der nunmehrige Zuwachs von 27,3 Prozent auf 1.691 Unternehmensinsolvenzen fällt in dieser Dimension dann aber doch etwas höher als erwartet aus. Ein tiefergehender Blick in die aktuelle Hochrechnung zeigt, dass bereits im vierten Quartal 2023 mit 1.450 Pleiten rund 150 Fälle mehr gezählt wurden als in jedem der drei vorangegangenen Quartale.
Steigende Zahl an „Nichteröffnungen“
Eine zusätzlich besorgniserregende Entwicklung ist die weiterhin hohe Zahl an „nichteröffneten“ Fällen aufgrund fehlenden Kapitals. Gegenüber dem Vorjahr sind die „Nichteröffnungen“ um 15,3 Prozent auf 597 Fälle gestiegen. Diese Entwicklung gefährdet die heimische Wirtschaft zunehmend. Denn nicht ordnungsgemäß abgewickelte Firmen bedeuten gleichzeitig ein höheres Geschäftsrisiko für deren Geschäftspartner, zumal diese in solchen Fällen de facto zur Gänze auf ihren offenen Forderungen sitzen bleiben.
Die Insolvenztreiber
Wie die aktuelle KSV1870-Hochrechnung zeigt, belegt die Bauwirtschaft mit 312 insolventen Unternehmen (+ 17 %) seit Jahresbeginn Platz eins. Dieses Ergebnis kommt insofern wenig überraschend, da sich die Bauwirtschaft, neben dem Handel, bereits im Vorjahr zu einem der größten Sorgenkinder der heimischen Wirtschaft entwickelt hat. Und auch für das Jahr 2024 wird aus Sicht der Wirtschaftsforscher keine nennenswerte Verbesserung in Aussicht gestellt.
Insbesondere der Wohnbau ist, getrieben von massiven Preissteigerungen, davon betroffen. Darüber hinaus stabilisiert sich die Zahl der Baubewilligungen lediglich auf niedrigem Niveau, worunter Projektentwickler und in weiterer Folge auch beauftragte Bauunternehmen leiden. Auf Platz zwei liegt der Handel mit insgesamt 306 Pleiten (+ 33 %) – die größten prozentuellen Anstiege innerhalb der Branche verzeichnen der Kfz-Handel (+ 58 %), der Großhandel (+ 34 %) und der Einzelhandel mit einem Zuwachs von 24 Prozent. Auf Position drei rangiert der Sektor Beherbergung/Gastronomie mit 237 Fällen (+ 28 %).
Passiva explodieren – und damit auch die Konkursverfahren
Es wird aktuell besonders deutlich, dass die Zahl der Großinsolvenzen mit Passiva von zumindest 10 Mio. Euro steigt. Während im Vorjahr zu diesem Zeitpunkt lediglich fünf Unternehmensinsolvenzen dieser Dimension zu Buche standen, sind es heuer bereits 14 Fälle. Die bislang größte Firmenpleite nach Passiva betrifft die Windhager Zentralheizung Technik GmbH aus Salzburg mit Verbindlichkeiten von 78,2 Mio. Euro. Insgesamt sind die Passiva gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 146,2 Prozent auf 992 Mio. Euro gestiegen. Des Weiteren gab es im ersten Quartal 2023 innerhalb der zehn größten Fälle drei Konkursverfahren und sieben Sanierungsverfahren mit/ohne Eigenverwaltung zu vermelden. In diesem Jahr fällt das Ergebnis genau umgekehrt aus.
Die Passiva für das erste Quartal 2024 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 13. 03. 2024. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.
Ausblick 2024 bleibt düster
Aus Sicht des KSV1870 wird das erste Quartal 2024 puncto Unternehmensinsolvenzen keine Ausnahme darstellen, sondern eher die Regel sein, zumindest was das heurige Jahr betrifft.
Demzufolge geht der Gläubigerschutzverband davon aus, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Österreich bis Jahresende die Marke von 6.200 Fällen jedenfalls erreichen wird. Das wären dann rund 800 Fälle oder umgerechnet etwa 15 Prozent mehr Firmenpleiten als im Vorjahr. Ob dieses Ergebnis schlussendlich erreicht wird, hängt auch von unterjährigen Entwicklungen einiger „Kernbranchen“ ab, wie die Bauwirtschaft oder der Handel, die aktuell zu den größten Sorgenkindern der heimischen Wirtschaft zählen.