Jeder 2. Betrieb wird wohl auch 2023 nicht profitabel. 53 % der Geschäfte haben heuer Investitionsstopp ausgerufen. Hohe Strom & Gaspreise und Produkt-Beschaffungskosten sind eine Herausforderungen. Wie es den heimischen Händlern – vom KMU bis zum beschäftigungsintensiven Konzern – derzeit genau geht, hat der Handelsverband in einer großen Befragung erhoben und ausgewertet.
Die Energiekosten sowie hohe Beschaffungs-, Logistik- und Personalkosten begleiten die Unternehmen in ganz Europa seit längerem. Der Kaskadeneffekt der Teuerung (mit einer VPI-Inflationsrate von 9 % im Mai) hat sich wie prognostiziert auf hohem Niveau eingependelt und stellt für alle Handelsformate und Warengruppen eine anhaltende Herausforderung dar. Dem Arbeitskräftemangel konnte zuletzt in manchen Bereichen etwas entgegengewirkt werden, Entspannung ist allerdings noch keineswegs in Sicht.
Händlerbefragung – die Kernergebnisse:
Umsatz- und Ertragsperspektive:
- Die österreichischen Händler erwarten für das Gesamtjahr 2023 (im Vergleich zu 2022) einen Umsatzverlust von durchschnittlich -10 %.
- 46 % der Handelsbetriebe werden heuer voraussichtlich einen Verlust erwirtschaften.
Arbeitskräftesituation:
- Die Hälfte (48 %) hat aktuell mit dem Personalmangel zu kämpfen. Bei 17 % aller Betriebe ist deshalb nur ein eingeschränkter Betrieb (bis hin zu Filialschließungen) möglich.
Staatliche Subventionen:
- Ein Drittel (32 %) gibt an, noch immer nicht alle beantragten Corona-Entschädigungen (z.B. Verlustersatz) in voller Höhe erhalten zu haben.
- 8 % der Handelsbetriebe sind von Rückforderungen der COFAG betroffen.
Finanzierungsstatus:
- Bei 42 % hat sich die Kapitalstruktur in den letzten 12 Monaten verschlechtert.
- 41 % haben bereits eine deutliche Erhöhung der Kredittilgungsraten aufgrund der Zins- und Gebührenerhöhungen seitens der Kreditinstitute wahrgenommen.
- 29 % klagen über eine restriktivere Kreditvergabe seitens der Banken.
Die Ergebnisse der Befragung des Handelsverbandes zeigen jedenfalls deutlich: „Der österreichische Handel ist aufgrund der Teuerung in der Zwickmühle. Einerseits geben die Kunden ziemlich genau um den Wert weniger aus, der die Inflationsrate ausmacht, andererseits bleibt die Kostenseite für die Händler fast unverändert hoch. Strom- und Gaspreise sinken zwar zuletzt leicht, aber ausgehend von einem dreifach so hohen Niveau als vor den Verwerfungen. Darüber hinaus sind die Energiepreise auch in den Produkteinkaufskosten nach wie vor starke Treiber, wodurch der Effekt fast doppelt wirkt. Inflationsgebundene Kosten wie Miete und Pacht belasten so wie auch der hohe Zinseszins die Liquidität und Kapitalstruktur, was gerade den Mittelstand und KMU stark herausfordert“, so Handelsverband Geschäftsführer Rainer Will.
Die Bevölkerung kauft nach wie vor zurückhaltender ein. Selbst bei Lebensmitteln gibt es spürbare Verschiebungen. „Zwei Drittel der Konsumentinnen und Konsumenten achten bewusst darauf, wie viel sie für den täglichen Einkauf ausgeben und greifen vermehrt zu kostengünstigeren Produkten. 21 % sind auf lebensnotwendige Güter beschränkt, ein Wert, der sich seit Längerem festgesetzt hat. Und das in einer Zeit, in der der Handel bis zu 35.000 offene Stellen mit Zuschlagsgeldern und vielfach mit Überzahlung in allen Wochenstunden-Ausmaßen zu vergeben hat“, erklärt Will.
So reagiert der Handel:
- Investitionsstopp (53 %)
- Reduzierung der Werbespendings (48 %)
- Personalabbau (29 %)
- Expansionsstopp (22 %)
- Verhandlungen mit Vermietern über Bestandszinsreduktion (19 %)
- Aufnahme (weiterer) Finanzierungen (14 %)
- Beantragung von Förderungen (13 %)
- Beendigung der Geschäftstätigkeit (9 %)
- Filialschließungen (7 %)
- Stundungen diverser Abgaben (7 %)
Kaskadeneffekt auf andere Branchen
„Die Reaktion des Handels, um die Lage zu managen, führt zu Effekten in der Gesamtwirtschaft. Wenn mehr als jeder zweite Händler einen Investitionsstopp verhängt und fast ein Viertel einen Expansionsstopp ausruft, dann hat das auch Auswirkungen auf die Bauwirtschaft und die Einrichter. Wenn 48 % der Händler Werbeausgaben reduzieren, hat dies Effekte auf die Werbewirtschaft. Daher ist es wichtig, einen konstruktiven Weg aus dem Dilemma zu finden, indem Rahmenbedingungen für die Wirtschaft praxisnahe verbessert werden, bis sich die Kapitalmärkte beruhigen“, so Handelssprecher Will abschließend.
Über die Befragung
Die Händler-Blitzumfrage des Handelsverbands fand von 9. bis 15. Juni 2023 statt. 173 Handelsbetriebe (52 stationäre Händler, 18 reine Online-Händler und 103 Omnichannel-Händler) aller Größenklassen aus dem Kreis der über 4.500 Mitglieder des Handelsverbandes haben an der Online-Befragung teilgenommen.