Der eskalierende Zollstreit zwischen den USA und China könnte erhebliche Auswirkungen auf Europa haben. Der Handelsverband befürchtet nämlich, dass die geringwertigen Waren von Temu und Shein stattdessen in Europa landen und fordert Gegenmaßnahmen.
Seit Mitternacht gelten in den USA für chinesische Waren insgesamt 104 Prozent Sonderzölle. Darüber hinaus hat US-Präsident Trump heute zusätzlich Zölle von 90 Prozent auf geringwertige Waren aus China angeordnet. Das trifft insbesondere dubiose Fernost-Plattformen wie Temu und Shein, die ihre Produkte bisher in großem Stil nach Amerika geliefert hatten.
„Wir erleben einen Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China sowie einen Stellvertreterkrieg in Europa. Die neuen US-Strafzölle gegen China verstärken die Billigstwarenschwemme aus Fernost nach Europa deutlich. Die EU-Kommission muss sofort handeln. Temu und Shein verstoßen mutmaßlich wiederholt gegen geltendes EU-Recht. Die Vollzugsinstrumente der EU sind noch nicht scharf gestellt, daher fordern wir als Sofortmaßnahme eine temporäre Sperrung dieser Plattformen in Europa, um Schaden für die Bevölkerung abzuwenden“, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands.
Die EU-Kommission müsse nun sofort handeln, um eine Billigstwarenschwemme abzuwenden. Denkbar wäre hier etwa eine temporäre Sperre von Temu & Shein in Europa, so der Handelsverband.
4,6 Mrd. China-Pakete „zollfrei“ nach Europa
Darüber hinaus fordert der Handelsverband die EU-Kommission auf, die Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze endlich voranzutreiben. Diese Freigrenze ermöglicht es derzeit, Waren bis zu einem Wert von 150 Euro zollfrei zu importieren, was insbesondere asiatische Onlinehändler bevorteilt und den heimischen Handel benachteiligt.
„2024 wurden bereits 4,6 Milliarden Paketen zollfrei nach Europa geliefert. Die Dumping-Paketlawine hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Zwei Drittel dieser Pakete sind falsch deklariert, um Zollgebühren zu umgehen und Einfuhrumsatzsteuer zu sparen. Der Schaden für den österreichischen Handel liegt bei rund 4,5 Milliarden Euro. Die EU-Kommission muss endlich aufwachen und die 150 Euro-Zollfreigrenze sofort abschaffen. Uns fehlt jedes Verständnis, warum Brüssel bis 2028 warten will. Die Zeit des Wartens muss vorbei sein!“, erklärt Will.
Handelsverband begrüßt HDE-Kartellbeschwerde gegen Temu
Die Dringlichkeit des Problems ist mittlerweile auch in Deutschland angekommen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat heute beim Bundeskartellamt eine Beschwerde gegen die chinesische Plattform Temu wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens eingereicht. Die Vorwürfe gründen darauf, dass Temu den Geschäftspartnern, die Waren über die Plattform verkaufen, die Preissetzungshoheit entzieht. Die Beschwerde basiert unter anderem auch auf zahlreichen Dokumenten und Testkaufergebnissen.
Zur Erinnerung: Bereits im August 2024 hat der österreichische Handelsverband eine Beschwerde gegen Temu bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eingebracht. Auslöser waren festgestellte Verstöße gegen das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Die Ermittlungen der BWB laufen noch, einige Punkte der Beschwerde wurden auch in der heutigen Beschwerde des HDE aufgegriffen.
Vor mehr als zwei Monaten wurde überdies von der EU-Kommission eine „Bearbeitsgebühr“ angekündigt, die künftig für Billigpakete eingehoben werden soll, die direkt von Verkäufern aus China oder anderen Drittstaaten an Kunden in Europa geschickt werden. Passiert ist seither leider nichts – auf weitere Details wartet die Branche bis heute vergeblich.
Handelskolloquium: Geopolitische Herausforderungen im Fokus
Der Handelsverband appelliert auch an die österreichische Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für entschlossene Gegenmaßnahmen einzusetzen und Maßnahmen zu ergreifen, um ein Level Playing Field im eCommerce sicherzustellen.
Die aktuellen geopolitischen Herausforderungen werden übrigens auch ein Hauptthema beim morgigen Handelskolloquium sowie beim „Empfang des österreichischen Handels“ im Wiener Schloss Schönbrunn sein. Von politischer Seite werden Sozialministerin Korinna Schumann und Staatssekretär Sepp Schellhorn persönlich vor Ort sein.