Laut der Kreditschützer gibt’s in den ersten drei Quartalen einen weiteren Anstieg bei Firmenpleiten. Die Zahl der Großinsolvenzen hat sich sogar verdoppelt.
Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung wurden in den ersten drei Quartalen 2024 in Österreich 4.895 (+ 24,6 % gegenüber 2023) Unternehmen insolvent. Das sind durchschnittlich 18 Firmenpleiten pro Tag. Besonders betroffen sind einmal mehr der Handel, die Bauwirtschaft und die Beherbergung/Gastronomie.
In Kombination mit einer Vielzahl an Großinsolvenzen – bereits jetzt gibt es 55 Großinsolvenzen mit jeweils mindestens über 10 Mio. Euro – sind auch die vorläufigen Passiva* auf rund 14,8 Mrd. Euro gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von 683 %. Zudem sind die betroffenen Arbeitnehmer um knapp 6 % auf 18.700 Personen und die Zahl der Gläubiger um circa 13 % auf 36.800 Betroffene angewachsen. Aufgrund der aktuellen Insolvenzdynamik erwartet der KSV1870 am Jahresende in etwa 6.500 Firmenpleiten.
Rückläufiger Konsum und Export
Eine Vielzahl der heimischen Unternehmen hat weiterhin massiv mit ihrer Geschäftslage und fehlenden Einnahmen zu kämpfen. Die seit knapp einem Jahr deutlich erhöhte Insolvenzdynamik bleibt aufrecht und findet im dritten Quartal 2024 ihre Fortsetzung, selbst wenn dieses in absoluten Zahlen leicht hinter den ersten beiden Quartalen des Jahres liegt.
Auch, weil sich der private Konsum zuletzt ebenso wie die Exporte rückläufig entwickelt haben. Zum Ende des dritten Quartals 2024 verzeichnet Österreich 4.895 Firmenpleiten, was einem Anstieg von 24,6 % entspricht. Betrachtet man die ersten drei Quartale jeweils für sich, so verzeichnete das erste Quartal des Jahres die meisten Insolvenzen (mit 1.688 Fällen das insolvenzreichste Quartal seit 2009), gefolgt vom zweiten (1.610) und dem dritten Quartal mit rund 1.600 Fällen.
Jede dritte Insolvenz wird nicht eröffnet
Nach zuletzt einer leichten Entspannung steigt die Zahl der nicht eröffneten Insolvenzfälle wieder an. Zum Ende des dritten Quartals 2024 wurden 1.804 Unternehmensinsolvenzen mangels Vermögens nicht eröffnet. Das sind 37 % aller Firmenpleiten seit Jahresbeginn und ein Anstieg von 20 % an „Nichteröffnungen“ gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Das ist auch deshalb alarmierend, weil es dadurch nicht möglich ist, betroffene Unternehmen einem geordneten Insolvenzprozess zu unterziehen. Im Regelfall bleiben Gläubiger dadurch nahezu zur Gänze auf der Strecke und sehen keinen Cent mehr von jenem Geld, welches ihnen aufgrund erbrachter Leistungen eigentlich zustehen würde.
Zahl der Großinsolvenzen verdoppelt
Die Zeiten, in denen Firmenpleiten vermehrt mit eher niedrigeren Passiva aufgetreten sind, gehören aktuell der Vergangenheit an. Das liegt auch, aber bei weitem nicht nur an den zahlreichen „Signa-Insolvenzen“, wie die aktuelle KSV1870 Hochrechnung bestätigt.
Zum jetzigen Zeitpunkt stehen bereits 55 Großinsolvenzen mit jeweils über 10 Mio. Euro Passiva zu Buche – im Vorjahr waren es mit 27 Fällen dieser Größenordnung bedeutend weniger. Hinzu kommen aktuell 195 Großinsolvenzen mit über 2 Mio. Euro. Auch in dieser Kategorie hat sich die Zahl nach 106 Fällen im Vorjahr massiv erhöht.
Insolvenztreiber: Handel, Bau und Gastro
Wie die aktuelle KSV1870 Analyse zeigt, verzeichnet der Handel (853 Fälle, + 16 % gegenüber 2023) seit Jahresbeginn die meisten Unternehmenspleiten. Betroffen sind sowohl der Groß- wie auch der Einzelhandel in ähnlichen Dimensionen. Dem folgt die Bauwirtschaft (814, + 22 %) und der Bereich Beherbergung/Gastronomie (596, + 16 %). Diese drei Branchen geben im negativen Sinne weiter „den Ton an“ und sind für knapp die Hälfte aller österreichweiten Unternehmensinsolvenzen verantwortlich.
Den größten prozentuellen Anstieg verzeichnet das „Grundstücks- und Wohnungswesen“ mit einem Plus von 63 % gegenüber dem Vorjahr. Ein tiefergehender Blick in die Bauwirtschaft belegt, dass derzeit, vor allem der Hochbau und das Baunebengewerbe (u. a. Elektriker, Installateure, Maler oder Dachdecker) mit zahlreichen Insolvenzen zu kämpfen haben. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres verzeichnet der Hochbau um 25 % mehr Firmenpleiten. Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 zeigt sich eine Verdoppelung der Fälle.
Gleichzeitig zeigt sich im Baunebengewerbe im Vergleich zum Vorjahr eine sehr ähnliche Entwicklung – hier gibt es um 21 % mehr Firmenpleiten, gegenüber dem Jahr 2019 liegt der Anstieg bei 13 %. Darüber hinaus gibt es im Baunebengewerbe mit aktuell rund 1.600 Fällen, abseits einer Insolvenz, eine hohe Zahl an mehr oder weniger freiwilligen Schließungen. Die Gründe sind unter anderem eine fehlende wirtschaftliche Perspektive, fehlendes Personal und eine zu geringe Auftragslage, die es kaum möglich macht, gewinnbringend oder zumindest kostendeckend zu wirtschaften.
Horrende Passiva durch riesige Pleiten
Massiven Einfluss auf die horrenden Passiva in der Höhe von rund 14,8 Mrd. Euro hat zwangsläufig die Vielzahl an „Signa-Insolvenzen“ mit zumeist überdurchschnittlich hohen Passiva. Die nach Passiva bis dato größte Pleite des Jahres verzeichnet jedoch die Fisker GmbH aus Graz mit Passiva von knapp 3,8 Mrd. Euro.
Dahinter folgen die Familie Benko Privatstiftung (Passiva: ca. 2,28 Mrd. Euro) und René Benko als Unternehmer (ca. 2,02 Mrd. Euro). Selbst wenn man die beiden größten „Signa-Pleiten“ des laufenden Jahres herausrechnet, auch weil diese keine gewöhnlichen Unternehmensinsolvenzen darstellen und größtenteils bestritten sind, stünden vorläufige Passiva* in der Höhe von rund 10,5 Mrd. Euro zu Buche.
Ausblick 2024
Wie bereits zum Halbjahr 2024 prognostiziert, hat sich das Insolvenzaufkommen auch in den vergangenen Monaten nicht beruhigt. Hinzu kommen auslaufende Bankgarantien und das Ende der COFAG-Förderungen, wodurch sich die Situation noch zusätzlich verschärfen wird.
In Zahlen bedeutet das, dass der Gläubigerschutzverband mit österreichweit rund 6.500 Unternehmensinsolvenzen rechnet, was einem Zuwachs von etwa 1.100 Fällen entsprechen würde – mehr gab es zuletzt im Jahr 2009.
*) Die Passiva für die ersten drei Quartale 2024 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 18.09.2024. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.