Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung waren in den ersten neun Monaten 2022 in Österreich 3.482 Unternehmen (+92 % gegenüber 2021) von einer Insolvenz betroffen. Am deutlichsten fällt das Plus der Unternehmensinsolvenzen in Oberösterreich und Vorarlberg aus. Schwer betroffen sind zudem die Bereiche Kfz, die Bauwirtschaft und die Gastronomie.
Diese Branchen verzeichnen nämlich die meisten Unternehmensinsolvenzen. Parallel dazu haben sich die geschätzten Verbindlichkeiten* um etwa 88 Prozent auf 1,4 Mrd. Euro erhöht. Weiters ist die Zahl der betroffenen Dienstnehmer auf 9.800 Personen (+72 %) angewachsen. Um vier Prozent gesunken ist hingegen die Zahl der Gläubiger auf 20.300 Geschädigte.
Die Liste an Herausforderungen, mit denen sich die Betriebe seit vielen Monaten beschäftigen müssen, ist auch über die Sommermonate nicht kürzer geworden. Es ist daher wenig überraschend, dass sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen weiterhin deutlich über jener des Vorjahres befindet: 3.482 Unternehmen entsprechen einem Plus von 92 Prozent gegenüber den ersten neun Monaten 2021.
Gleichzeitig liegt dieser Wert knapp unter jenem des Jahres 2019 (3.808 Unternehmensinsolvenzen, -9 %), als von der Corona-Krise noch keine Rede war. „Anhaltende Kostenexplosionen, gravierende Lieferengpässe und die schwierige Suche nach Personal sind nur einige wenige Faktoren, warum sich die wirtschaftliche Gesamtsituation zuletzt verschlechtert hat“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.
Gedämpfter Ausblick bei Unternehmensinsolvenzen
„Aufgrund der jüngsten Entwicklungen ist auch die Erwartungshaltung für die kommenden Monate eher gedämpft. Wie wir von vielen Unternehmen in Gesprächen erfahren, blickt rund die Hälfte der Betriebe eher negativ in Richtung Jahresende“, so Götze. Parallel dazu stimmt es auch nachdenklich, dass im heurigen Jahr 40 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen mangels Kostendeckung abgewiesen wurden – im Vorjahr waren es 32 Prozent.
Einer der Gründe, warum dieser Wert zuletzt in die Höhe geschnellt ist, liegt darin, dass viele Betriebe schon längst Insolvenz anmelden hätten sollen und durch den Fortbetrieb auch die letzten finanziellen Mittel aufgebraucht wurden. Wenn keine Vermögenswerte mehr vorhanden sind, dann ist auch eine Sanierung nicht mehr möglich. „Die Folgen sind massiv. Menschen verlieren unnötigerweise ihre Arbeitsplätze und Gläubiger erhalten kein Geld, das ihnen aufgrund erbrachter Leistungen zusteht“, so Götze.
Alle Bundesländer mit „rotem Plus“
Ein Blick ins Landesinnere zeigt, dass es im Vergleich zum Vorjahr in allen Bundesländern zu einem deutlichen Zuwachs an Unternehmensinsolvenzen gekommen ist. Am massivsten fällt dieses in Oberösterreich (+165 %) und in Vorarlberg (+161 %) aus. Am „geringsten“ gestalten sich die Zuwächse in der Steiermark (+58 %) und im Burgenland (+60 %). Die Bundeshauptstadt Wien verzeichnet ein Plus von 64 Prozent – in absoluten Zahlen stehen hier mit 1.235 Fällen auch die meisten Insolvenzen österreichweit zu Buche.
Passiva mit deutlichem Zuwachs
Neben den Unternehmensinsolvenzen selbst sind auch die vorläufigen Passiva* massiv angestiegen – und zwar um 88 Prozent auf rund 1,4 Mrd. Euro. Dieser Anstieg ist unter anderem zwei Großinsolvenzen geschuldet: dem Konkurs der CPI-Gruppe (Passiva: ~ 220 Mio. Euro) und dem Fall der Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH (66,3 Mio. Euro). Im Bundesländervergleich zeigt sich, dass lediglich im Bundesland Salzburg die Passiva niedriger (-10 %) ausfallen als im Vorjahr. Überall sonst werden teils explosionsartige Zuwächse verzeichnet – am deutlichsten in Vorarlberg (+260 %), gefolgt vom Burgenland und Oberösterreich mit jeweils plus 200 Prozent.
Handel, Bau, Tourismus/Gastronomie als Insolvenztreiber
Wie bereits im Halbjahr 2022 sind auch jetzt die Branchen „Handel & Instandhaltung/Reparatur von Kfz“ (644 Fälle, davon ca. 40 % mangels Masse abgewiesen), Bauwirtschaft (567) und Tourismus/Gastronomie (422) jene Bereiche mit den meisten Unternehmensinsolvenzen – sie alleine kommen auf 1.633 Fälle, was knapp die Hälfte aller österreichweiten Firmenpleiten ausmacht.
Ein genauerer Blick in den Handel zeigt, dass die Firmenpleiten in dieser Branche deutlich im Steigen sind und gegenüber dem Vorjahr um 115 Prozent höher ausfallen: „Getrieben vom Einzelhandel verzeichnet die Handelsbranche bereits jetzt mehr Pleiten als in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt. Bis Jahresende könnten es im Handel rund 900 Pleiten werden, womit das Niveau von 2019 angesteuert wird“, so Götze.
Hier von einer Explosion zu sprechen, sei aber noch zu früh, doch insbesondere der Einzelhandel als „Verlierer“ der aktuellen Situation wird weiterhin schwer zu kämpfen haben.
Mehr betroffene Dienstnehmer, weniger Gläubiger
Im Vergleich zu den ersten drei Quartalen 2021 hat sich im heurigen Jahr die Zahl der betroffenen Dienstnehmer um 72 Prozent von 5.700 auf 9.800 Personen erhöht. Eine rückläufige Entwicklung gab es zuletzt hingegen bei den betroffenen Gläubigern: Während im Jahr 2019 rund 46.000 und im Vorjahr 21.100 Gläubiger zu Buche standen, sind es derzeit 20.300 Betroffene. Gleichzeitig bestätigt sich auch hier, dass die Pleiten zuletzt eher kleinteiliger wurden.
Ausblick: Entwicklung findet Fortsetzung
Aus heutiger Sicht wird sich an den Entwicklungen der vergangenen Monate bis Jahresende kaum etwas verändern. Der KSV1870 geht davon aus, dass sich die jüngsten Entwicklungen in den nächsten Wochen auf ähnlichem Niveau fortsetzen werden. Bis Ende 2022 ist ungefähr mit 4.700 Insolvenzen zu rechnen, womit fast Vorkrisenniveau (-6 % gegenüber 2019) erreicht wäre. „Diese Prognose geht zwar eher in Richtung Normalisierung, aber das beschleunigte Insolvenzgeschehen setzt der Wirtschaft in Kombination mit den Teuerungen, der Energiekrise und den Lieferkettenproblemen ordentlich zu. Aktuell herrscht eine massive Dynamisierung nach einer langen Phase der Stagnation“, so Götze.
*) Die Passiva für die ersten drei Quartale 2022 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 15.09.2022. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.