ELEKTRO|branche.at hat sich mit den OeMAG-Vorständen Horst Brandlmaier und Gerhard Röthlin über den ersten Fördercall, das Ende der Goldgräberstimmung und die weitere Entwicklung des Strom-Marktpreises unterhalten.
ELEKTRO|branche: Im Frühjahr wurde euer neues EAG-Portal präsentiert, das beim ersten Fördercall Mitte April seine Feuertaufe bestehen musste. Wie ist dieser Call gelaufen? Was sind die Erkenntnisse darauf und sind irgendwelche Schwierigkeiten aufgetreten, sodass man die Plattform nachbessern muss?
Gerhard Röthlin: Der erste Call ist aus unserer Sicht sehr positiv verlaufen. Was wir hier natürlich gespürt haben, waren die gesetzlichen Änderungen mit der Umsatzsteuerermäßigung auf 0 Prozent. In den Kategorien A und B wurden deutlich weniger Anträge eingereicht. Wobei wenig vielleicht auch nicht der richtige Begriff ist: Schlussendlich waren es dann ja doch wieder über 10.000. Alles in allem ist es aber sehr geordnet und gesittet abgelaufen.
Horst Brandlmaier: Tickets waren es sogar über 11.000, Anträge dann 10.162.
Wenn man allerdings die 30.000 bis 40.000 Anträge früherer Calls betrachtet, ist die Umsatzsteuerbefreiung schon eine ziemliche Entlastung für euch bzw. euer System.
Brandlmaier: Bei den kleineren Anlagen auf jeden Fall. Man muss aber auch sagen, dass die Nachfrage zurückgegangen ist. Die vergangenen Jahre waren teilweise schon sehr extrem. Wir hatten bis 2021 immer zwischen 6.000 und 11.000 Anträge auf Investitionsförderung pro Jahr. Jetzt hatten wir beim ersten Call „nur“ über 10.000. Das Niveau liegt höher als in früheren Jahren, der Hype aus 2022 und 2023 findet aber auch nicht mehr statt. Allein in diesem Zeitraum haben wir über 200.000 Verträge ausgestellt.
Weil auch die Energiekosten wieder gesunken sind?
Brandlmaier: Das ist sicher auch mit ein Grund. Auch wurde hier sehr viel mit Angst gearbeitet – so ehrlich muss man sein. Es gab beispielsweise die Angst, dass die Energieversorgung unterbrochen wird und dagegen nur eine PV-Anlage hilft. Darum haben dann sicher auch viele die Investitionen in eine PV-Anlage vorgezogen. Und natürlich gabs bei kWh-Preisen von 40 oder 50 Cent auch eine gewisse Goldgräberstimmung.
Röthlin: Im Jahr 2022 sind mehrere Faktoren zusammengekommen. Wir hatten die volatilen Stromkosten, den Ukraine-Konflikt und damit auch das Raus-aus-Gas-Thema. Das alles hat in der breiten Bevölkerung dazu beigetragen, dass es zu einer unglaublichen Nachfrage nach PV-Förderungen gekommen ist.
Aber die Goldgräberstimmung ist jetzt ja vorbei…
Brandlmaier: Und das ist auch gut so. Wir müssen eine Verstetigung in den PV-Ausbauprozess reinbekommen. Nur so können Produzenten, Installateure, Förderwerber oder aber auch die Förderabwickler ihre Kapazitäten danach ausrichten. Wenn es immer nur rauf und runter geht, dann wird es immer irgendwelche Engpässe oder Überkapazitäten geben. Nachhaltig ist das nicht.
Im neuen EAG-Portal hat man die Möglichkeit, Projekte bereits vorab anzulegen und erst dann in den Call zu gehen. Wird das auch genutzt?
Röthlin: Das wird sogar sehr stark genutzt. Wir können das nachvollziehen, weil wir im System sehen, wie viele neue Projekte schon vor dem Antragsstichtag angelegt werden. Es freut uns jedenfalls sehr, dass dieses Feature auch gut genutzt wird. Das nimmt auch beim Förderwerber ein bisschen den Druck raus. Zudem kontrolliert das System schon bestimmte Eingaben auf Korrektheit – etwa, ob eine Postleitzahl oder ob der angegebene Zählpunkt überhaupt existiert. Aus den Rückmeldungen konnten wir jedenfalls entnehmen, dass das System gut funktioniert und wir sehen hier aktuell auch keinen Änderungs- oder Anpassungsbedarf.
OeMAG verzeichnet regen Zulauf zu seinen Bilanzgruppen
Wie schauts derzeit eigentlich in der Marktpreisbilanzgruppe aus?
Röthlin: Das Thema hat in den vergangenen beiden Jahren sehr stark zugenommen. Die Marktpreisbilanzgruppe wurde ja auch erst mit dem EAG-Paket 2021 eingeführt und ist keine Förderung im herkömmlichen Sinn. Hier kann jeder Ökostrom-Erzeuger zu einem gesetzlich definierten Marktpreis bei uns einspeisen. 2021 sind wir mit null gestartet, heute zählen wir schon weit über 120.000 Einspeiser. Daneben betreiben wir auch noch die Ökostrombilanzgruppe für die noch laufenden Tarifverträge. Auch diese Bilanzgruppe erfreut sich aufgrund der aktuell sehr geringen Marktpreise eines regen Zulaufes
Brandlmaier: Bei der Marktpreisbilanzgruppe liegen wir sogar schon über 120.000 Einspeisern, hinzu kommen über 22.000 in der Tarifbilanzgruppe. In Summe sind das bereits weit über 140.000 Anlagen, die wir monatlich abrechnen.Eine Teilnahme an der Marktpreisbilanzgruppe ist nur mit Anlagen bis knapp unter 500 kW möglich – wobei diese Anlagen nicht zwangsläufig Photovoltaik sein müssen. Auch Biomasse, Wind oder Wasser fallen da rein. Diese 500 kW-Grenze führt dazu, dass die größeren Anlagen, die sich in Zeiten der hohen Strommarktpreise für eine Investitionsförderung entschieden haben, heute eventuell ein wirtschaftliches Problem haben.
Mittagsspitze & Co. merkt man aber auch beim Marktpreis selbst.
Röthlin: Das stimmt natürlich. Seit März sind wir beim Marktpreis bereits auf sehr niedrigem Niveau.
Brandlmaier: Und was man an dieser Stelle nicht vergessen darf, ist die Marktprämie – die wird in Zeiten niedriger Tarife immer interessanter und daher sehr gut angenommen. Das ist ein Geschäftsbereich, der zusehends Fahrt aufnimmt.
Röthlin: Zur Erklärung: Die neue Betriebsförderung ist ein Marktprämienmodell. Die Höhe der Marktprämie bestimmt sich aus der Differenz zwischen dem jeweils im Rahmen einer Ausschreibung ermittelten oder mit Verordnung zum Zeitpunkt der Antragstellung festgelegten anzulegenden Wert und dem jeweiligen Referenzmarktwert. Damit wird sozusagen die Lücke ausgeglichen, um eine Anlage wirtschaftlich betreiben zu können. Dieser Ausgleich findet zum Marktpreis statt und betrifft alle Technologien. Dazu veröffentlich die E-Control für jede Technologie auch einen monatlichen Referenzmarktwert. Nachdem die Strompreise in den vergangenen beiden Jahren recht hoch waren, war die Nachfrage nach dieser Marktprämie bislang eher gering. Das hat sich jetzt aber ziemlich gedreht, da viele Anlagenbetreiber erkennen, dass sie damit eine gewisse wirtschaftliche Absicherung über die gesamte Laufzeit haben.
Nochmals kurz zurück zum Marktpreis. Der ist bereits auf untersten Niveau. Das wird sich in den Sommermonaten wohl kaum ändern, oder?
Röthlin: Also wir gehen davon aus, speziell in die PV-Einspeisung, dass der Preis noch weiter verfallen wird. Dazu muss man auch kein Hellseher sein. Es wird einfach sehr viel in sehr kurzen Zeitspannen, hauptsächlich halt um die Mittagszeit, eingespeist. Insofern ist auch die Marktpreisbilanzgruppe eine immer noch sehr interessante Option. Natürlich ist die Vergütung in absoluten Zahlen deutlich niedriger, als sie früher war, aber die Anlagenbetreiber merken jetzt, dass der Markt auch nicht mehr hergibt. Im Gegenteil: Bei uns ist sogar eine Untergrenze eingezogen, diese bietet unseren Kunden eine Sicherheit. Seit März liegen wir genau auf dieser Untergrenze und wir rechnen damit, dass dieses Preislevel auch in den Sommermonaten zum Tragen kommen wird.
Kürzlich habt ihr ein Projekt in Kooperation mit Fronius gestartet, bei dem ihr den PV-Mittagsspitzen zu Leibe rücken wollt. Was kann man sich darunter vorstellen?
Brandlmaier: Das Projekt haben wir gemeinsam mit Fronius und APG gestartet. Dabei befassen wir uns mit aggregierten Onlinedaten von Wechselrichtern. Im Pilotprojet wollen wir erforschen, ob die daraus gewonnenen Erkenntnisse für den Netzbetrieb und/oder für die Intraday-Vermarktung von Fahrplanabweichungen, zur Reduktion des Ausgleichsenergiebedarfes, verwendet werden kann. Die Schwierigkeit bei der Vermarktung von volatiler Ökostromerzeugung besteht in der korrekten Prognose der zu vermarktenden Strommengen je Zeiteinheit. Am Spot Markt (Day-Ahead) vermarkten wir die Stromproduktion für den nächsten Tag gemäß den prognostizierten Erzeugungsfahrplänen.
Die Day-Ahead Prognose basiert auf Wetterdaten die ohnehin naturgemäß immer ein bisschen unsicher sind. Hinzu kommt, dass die über 100.000 PV-Anlagen in unsere Marktpreisbilanzgruppe zusätzlich unterschiedlichen Eigenverbräuche oder Speicherladeverhalten haben. Diese Unschärfe versuchen wir mit Hilfe von Onlinedaten zu verringern, indem durch Zu- oder Verkäufe an der Strombörse (Intraday) die Abweichungen zum vermarkteten Fahrplan so gut wie möglich reduziert werden. Wir machen das bereits sehr erfolgreich bei der Windkraft, da funktioniert das. Zukünftig möchten wir das auch für die PV-dominierte Marktpreisbilanzgruppe umsetzen, aber das ist schon noch ein weiter Weg bis dahin. Die physikalischen Engpässe im Stromnetz rund um die Mittagsspitze, löst das freilich nicht. Das Problem messbar zu machen ist aber ein erster Schritt zur Lösung.
Wird in diesem Sinne dem Thema Energiemanagement zu wenig Bedeutung beigemessen? Auch im Bereich der Förderungen?
Brandlmaier: Die intelligenten Nutzung von Infrastruktur ist grundsätzlich immer gut. Denn das, was wir heute machen, in der Früh den Batteriespeicher laden und zur Mittagsspitze dann voll einspeisen, ist ja nicht besonders intelligent. Besser wäre es die Mittagsspitze mit flexiblen Ladekapazitäten zu reduzieren. Ein Problem ist, dass der Ausbau der Infrastruktur sehr lang dauert. Dadurch besteht die Gefahr, dass der PV-Ausbau insgesamt ins Stocken geraten kann. Neue Anlagen können dann zwar produzieren und den Eigenverbrauch decken aber nicht ins Stromnetz einspeisen.
Ähnliche Modelle gibt es ja bereits in Australien mit Aggregatoren. Und soweit ich informiert bin, ist hier Fronius auch eingebunden.
Brandlmaier: Das stimmt, aber auch diese Aggregatoren befinden sich angeblich noch im Pilotstadium. Man kann aber von diesen Erfahrungen profitieren. Das Thema ist ja nicht gerade trivial.