Erstmals seit vielen Jahren ist die Zahlungsmoral in Österreich im Sinkflug. Aktuell wird rund jede sechste Rechnung zu spät bezahlt. Im Vorjahr war es noch jede Siebente. Wie die Ergebnisse des Austrian Business Checks zeigen, dürfte es sich dabei nur um einen ersten Vorboten handeln. Denn die Hälfte der rund 1.500 Befragten erwartet, dass dieser Negativtrend im kommenden Jahr noch drastischere Ausmaße annehmen wird.
Auch die Geschäftslage bleibt von den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen nicht unberührt. Diese wird, dank der im 1. Halbjahr 2022 noch bestehenden Hochkonjunktur, von 57 Prozent der Unternehmen als positiv bewertet. Trotzdem bedeutet das ein Minus von acht Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Verhalten die Aussichten bei den Investitionen: Nur mehr ein Drittel der Betriebe will die Anfang des Jahres geplanten Budgets tatsächlich ausgeben. Auch Preiserhöhungen ändern daran nichts.
Inflation, Personalmangel, Rohstoffknappheit, Kostenexplosionen – die Liste der Herausforderungen, mit denen Österreichs Unternehmen zu kämpfen haben, scheint schier endlos zu sein. Die daraus entstandenen Folgen manifestieren sich auch in der aktuellen Austrian Business Check-Umfrage des KSV1870.
Demnach bewerten nur mehr 57 Prozent (2021: 65 %) der Befragten die eigene Geschäftslage mit „sehr gut“ oder „gut“. Und das, obwohl gegenüber dem Vorjahr jeder zweite Betrieb von steigenden Umsätzen spricht. Gleichzeitig hat aber auch jedes fünfte Unternehmen massive Probleme, vereinbarte Aufträge ordnungsgemäß abzuwickeln. Die Gründe sind bekannt: Lieferengpässe, akuter Personalmangel, steigende Preise, Rohstoffknappheit, aber zuletzt auch stark gestiegene Auftragszahlen.
Unternehmen stoppen Investitionen
Aufgrund der aktuellen Probleme stehen immer mehr Unternehmen auf der Investitionsbremse und werfen den Anker. Nur noch 34 Prozent setzen zu Jahresbeginn geplante Investitionen vollständig um, 17 Prozent investieren in reduziertem Ausmaß, 24 Prozent wissen nicht, was sie tun sollen.
„Es ist alarmierend, wenn die Hälfte der Unternehmen auf Investitionen gänzlich verzichten muss und das obwohl drei von vier Betrieben bereits Preiserhöhungen vorgenommen bzw. angedacht haben, um die finanzielle Balance einigermaßen zu wahren. Denn in Österreich ist Innovation die Währung der Zukunft, aber sie braucht eben auch Geld“, erklärt Ricardo-José Vybiral. Und so plädiert der CEO der KSV1870 Holding AG auch für die Neu-Einführung einer Investitionsprämie: „Darüber hinaus wird die Wirtschaft nicht ohne staatliche Unterstützung durch diese Krise kommen, dafür sind die aktuellen Belastungen einfach zu groß. Es sollten zumindest jene Unternehmen unterstützt werden, die eine sehr gute Fortbestandsprognose haben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine gewisse Marktbereinigung – insbesondere bei Unternehmen, die seit Jahren schlechte Ratings aufweisen – zugelassen werden sollte.“
Zahlungsmoral: Welle der Verschlechterung im Anmarsch
Noch kann zwar von einer halbwegs vernünftigen Zahlungsmoral gesprochen werden, doch die Krisenherde haben dennoch erste Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten zur Folge. „Quer über alle Branchen hinweg werden bereits 18 Prozent aller Forderungen zu spät bezahlt. Das ist rund jede sechste Rechnung“, erklärt Walter Koch, Geschäftsführer der KSV1870 Forderungsmanagement GmbH.
Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 13 Prozent, die verspätet beglichen wurden. Während bei den Firmenkunden 78 Prozent (2021: 84 %) der Forderungen pünktlich beglichen werden, sind es bei den Privaten 88 Prozent (90 %). Sie sind es auch, bei denen das Minus gegenüber dem Vorjahr mit zwei Prozentpunkten am geringsten ausfällt. „Österreichs Private sind in punkto Zahlungsmoral die Vorbilder schlechthin, an denen sich sowohl Firmen als auch die Öffentliche Hand orientieren sollten“, so Koch. Dennoch verschlechtert sich die Zahlungsmoral bei allen Kundengruppen: Auf Bundesebene werden nur mehr 83 Prozent (88 %) der Forderungen pünktlich beglichen, auf Landesebene 79 Prozent (83 %) und bei den Gemeinden 84 Prozent (88 %).
Privatpersonen zahlen am schnellsten
Umgelegt auf die tatsächliche Zahlungsdauer ergibt sich folgendes Bild: Während die Firmenkunden aktuell im Schnitt 25 Tage (2021: 24 Tage) benötigen, offene Rechnungen zu bezahlen, brauchen die Privaten 13 Tage (+/- 0 Tage). Ein Blick in die Bundesländer zeigt, dass Vorarlbergs Betriebe (22 Tage) am schnellsten bezahlen, gefolgt vom Burgenland (23 Tage) sowie der Steiermark und Tirol (je 25 Tage). Im Gegensatz dazu besteht in Kärnten (31 Tage) der größte Aufholbedarf. Bei den Privaten sind die flotten Zahler vor allem in Oberösterreich und dem Burgenland (je 12 Tage) zu Hause. Aber auch hier sind es die Kärntner (18 Tage), die sich mit der Bezahlung am längsten Zeit lassen.
Kein Verlass mehr auf die Länder?
Wie der Austrian Business Check des KSV1870 bestätigt, benötigt der Bund aktuell durchschnittlich 34 Tage, um offene Forderungen zu bezahlen – und damit um einen Tag länger als im Vorjahr. Einen besonders großen Sprung in die falsche Richtung haben die Länder gesetzt. Diese benötigen um fünf Tage länger als im vergangenen Jahr und bezahlen nun ebenfalls erst nach 34 Tagen. Damit liegen sowohl Bund als auch Länder über dem gesetzlichen Zahlungsziel von 30 Tagen. Wie schon in der Vergangenheit sind die Gemeinden mit einer Zahlungsdauer von 25 Tagen die „Musterschüler“ der Öffentlichen Hand. „Es zeigt sich einmal mehr, dass ein längeres Zahlungsziel kontraproduktiv ist, und die Firmen dadurch länger auf ihr Geld warten müssen“, so Koch.
Motive: Ineffizienz, Vergesslichkeit, Macht
Als Hauptgrund für verspätete Zahlungen seitens der Firmen werden weiterhin eine ineffiziente Verwaltung (52 %) und ein momentaner Liquiditätsengpass (40%) als häufigste Ursachen angeführt. Während im Bereich der Privaten die Vergesslichkeit (52 %) am öftesten zu verspäteten Zahlungen führt, ist es bei der Öffentlichen Hand, nach Einschätzung der Befragten, das Ausnützen einer gewissen Machtposition (47 %). Aber auch die Faktoren Bürokratie, komplizierte Prozesse und der Personalmangel werden hier besonders häufig erwähnt und kommen zusammen auf 48 Prozent.
2023: Die große Verschlechterung?
Wie die aktuellen Ergebnisse zeigen, hat sich die heimische Zahlungsmoral in den vergangenen Monaten deutlich eingetrübt. Lediglich ein Drittel der Unternehmen ist davon nicht betroffen. Während rund die Hälfte der Betriebe bis zu 5 % der Rechnungen nachlaufen muss, ist das für knapp 20 Prozent deutlich öfter der Fall. Am häufigsten geht es dabei um Forderungsverluste von bis zu 50.000 Euro.
Was die Zahlungsmoral 2023 angeht, so sind die Aussichten massiv von den aktuellen Herausforderungen und Ängsten geprägt: 49 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung – ein Plus von 29 Prozent zum Vorjahr. „Was wir heuer in Bezug auf die Zahlungsmoral sehen, sind nur Vorboten. Im nächsten Jahr rechnet jedes zweite Unternehmen mit vermehrten Zahlungsschwierigkeiten seiner Kunden und Geschäftspartner. Eine derart negative Einschätzung hat es bei unseren Umfragen noch nie gegeben“, so Koch.
Die gesamte Studie zum Austrian Business Check Zahlungsmoral 2022 finden Sie hier.
Zur Umfrage: Im Rahmen der aktuellen Austrian-Business-Check-Umfrage hat der KSV1870 im August 2022 in Zusammenarbeit mit Marketagent rund 1.500 Unternehmen zu aktuellen Wirtschaftsthemen und der heimischen Zahlungsmoral befragt.