Nach einem sehr düsteren Ausblick zu Jahreswechsel hat sich die Stimmung in Österreichs Gewerbe und Handwerk zuletzt etwas aufgehellt.
Die Erwartung der Unternehmen für das angelaufene zweite Quartal 2023 ist allerdings noch überwiegend negativ: 20 Prozent der Betriebe erwarten höhere Umsätze oder Aufträge, 26 Prozent rechnen hingegen mit Rückgängen. Damit überwiegen die „Pessimisten“ aktuell um 6 Prozentpunkte. Im Vorquartal hatte dieser negative Saldo sogar noch 23 Prozentpunkte betragen.
„Die Wirtschaft ist stark abhängig von Stimmungen: Die Betriebe reagieren sehr unmittelbar, wenn sie eine Perspektive sehen. Positive Impulse der Politik kommen rasch und wirkungsvoll an“, sagte Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, am 13. April bei einer Pressekonferenz in der Wirtschaftskammer Österreich. So sei die Stimmung auch wegen der kurz vor Ende 2022 angekündigten Zuschüsse gegen die hohen Energiekosten besser geworden.
Speziell für die „Konjunkturlokomotive“, das Bau- und baunahe Gewerbe, haben sich die Sorgen bewahrheitet. Der Auftragsbestand der investitionsgüternahen Branchen, der sonst zu dieser Jahreszeit zunimmt, verzeichnete heuer im ersten Quartal einen untypischen Rückgang um 7,8 Prozent.
Ein Minus im Auftragsbestand gab es dabei im ersten Quartal vor allem bei Tischlern und im Holzgestaltenden Gewerbe (-24 Prozent), bei Kunststoffverarbeitern (-17 Prozent) sowie im Bauhilfsgewerbe und beim Baugewerbe selbst (je -15 Prozent).
Jetzt sind Bauimpulse nötig
Dass speziell der private Wohnbau schwächelt, liegt nicht zuletzt an den erschwerten Finanzierungsbedingungen. „Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um das Bausparen in Österreich wieder attraktiver zu machen“, schließt Scheichelbauer-Schuster daraus. Sowohl die staatliche Prämie als auch die Darlehenssummen sollten an das zuletzt gestiegene Zins- und Preisumfeld angepasst werden.
Solche Impulse im privaten Wohnbau hätten auch positive Signalwirkung in Richtung Klima- und Energiewende, betont die Spartenobfrau: „Neben dem Neubau würden dadurch verstärkt Renovierungen und Sanierungen angestoßen. Das hilft dem Klima, verringert Österreichs Abhängigkeit von fossilen Energieimporten und würde zugleich dem Wohnbau den benötigten Impuls geben.“
Die Themen Energiesicherheit und -kosten bleiben für die Unternehmer:innen auch 2023 virulent. „Die stark erhöhten Energieabrechnungen sind jetzt zu bezahlen. Damit die Auszahlung des Zuschusses nicht zu spät kommt, benötigen viele Betriebe eine Überbrückungshilfe“, betonte Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte in der WKÖ.
Als liquiditätssichernde Maßnahme könnten ähnlich wie in der Corona-Krise vom Staat besicherte Kredite wirken. „Für die Klein- und Kleinstbetriebe ist bis dato noch kein Cent Energiekostenzuschuss geflossen“, erinnerte Kainz. Die Pauschalförderung dulde deshalb keinen weiteren Aufschub.
Gesamtjahr 2022 mit realem Minus
Das Gesamtjahr 2022 hat das Gewerbe und Handwerk in Österreich mit einem realen (preisbereinigten) Minus beendet – und das bereits das dritte Jahr in Folge. Unterm Strich stand ein mengenmäßiger Umsatzrückgang von -3,5 Prozent. „Damit geht die konjunkturelle Schere auf: Die Gesamtwirtschaft in Österreich ist 2022 nämlich real um 5,0 Prozent gewachsen“, sagte Christina Enichlmair von KMU Forschung Austria.
Rekordbeschäftigung und Personalbedarf
Traditionell hoch ist im zweiten Quartal der Personalbedarf. „Durch die ausgeprägte Saisonalität werden im Frühjahr im Gewerbe und Handwerk besonders viele Personen gesucht bzw. eingestellt“, erläutert Enichlmair. Im Schnitt würden die Betriebe demnach 13 Prozent mehr Personal benötigen als im Quartal davor – und zwar über alle Branchen. „Diese Stellen werden aber wegen des aktuellen Fachkräfte- und Lehrlingsmangels nicht wie gewünscht besetzt werden können“, so Enichlmair.
Im Jahr 2022 zählte das Gewerbe und Handwerk in Österreich insgesamt 831.144 Beschäftigte – ein Allzeithoch. „Das ist ein Rekord, der sehr stolz macht. 30 Prozent der Beschäftigten der gewerblichen Wirtschaft sind im Gewerbe und Handwerk tätig“, so Scheichelbauer-Schuster.
Anreize für mehr Arbeit und Weiterbildung
Allerdings fehlen dem Gewerbe und Handwerk schon jetzt ungefähr 70.000 Arbeitskräfte. Bis 2040 könnte sich diese Lücke laut Prognosen um weitere 70.000 Personen verdoppeln. Damit wäre zum einen die Klimawende nicht zu schaffen, und es würden Österreich Wohlstandsverluste drohen.
„Um das zu verhindern, müssen wir rechtzeitig gegensteuern“, so Scheichelbauer-Schuster. Sie schlägt vor, dass 20 Millionen Euro aus dem EU-Aufbauplan für die betriebliche Aus- und Weiterbildung in Sachen Green Skills eingeplant werden. Zugleich gelte es, jetzt an vielen Schrauben zu drehen, um Mehrarbeit zu begünstigen: „Wir brauchen dringend bessere Kinderbetreuung, mehr steuerfreie Überstunden und Anreize für das Arbeiten über das Regelpensionsalter hinaus. Gerade im Gewerbe und Handwerk tragen die erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das betriebliche Know-how“, so Scheichelbauer-Schuster.
Mit der kostenlosen Meister- und Befähigungsprüfung, die Bundeskanzler Nehammer jüngst angekündigt hat, wird nun eine langjährige Forderung der Sparte umgesetzt. „Eine Handwerksausbildung ist so wertvoll wie ein Studium: Gerade angesichts des akuten Fachkräftebedarfs ist das ein unheimlich wichtiges Signal der Wertschätzung“, so Scheichelbauer-Schuster abschließend.