Klare – wenn auch wenig überraschende – Ergebnisse hat die diesjährige Mitgliederbefragung des Bundesverband Photovoltaic Austria gebracht. ELEKTRO|branche.at hat mit Fabian Janisch, Referent für Energiewirtschaft und Technik bei PV Austria, über Hintergründe und mögliche Lösungen für die drängendsten Branchenprobleme gesprochen.
Über das Stimmungsbild aus Licht und Schatten haben wir an dieser Stelle bereits vor einem Monat berichtet. Nochmals kurz zusammengefasst: Eine eigentlich sehr positive Grundstimmung in der heimischen PV-Branche wird durch Lieferengpässe, eine überbordende Bürokratie, den Fachkräftemangel und überforderte Netzbetreiber kräftig getrübt. Hinzu kommt außerdem die Tatsache, dass für die kommenden Jahre keine wirkliche Entspannung in Sicht ist.
Valides Stimmungsbild
Dass die genannte Umfrage ein recht gutes Stimmungsbild darstellt, daran braucht nicht gezweifelt zu werden. Immerhin durfte sich PV Austria im vergangenen Jahr über mehr als 90 Neu-Mitglieder freuen, wodurch die Anzahl der Mitglieder auf über 400 angewachsen ist. Das Meinungsbarometer hat also durchaus Gewicht. Waren im vergangenen Jahr noch die Preissteigerungen, die Lieferengpässe und an dritter Stelle der Netzzugang die Top-3-Herausforderungen der Branche, hat sich die Reihung heuer etwas gedreht.
Platz 1 und 2 der meistgenannten Herausforderungen belegen nun Lieferengpässe, der Netzzugang und an Dritter Stelle neu hinzugekommen ist der Fachkräftemangel. Dabei sind im Vergleich zum Vorjahr vor allem die Hindernisse beim Netzzugang weiter angestiegen – zwei Drittel der Befragten klagen darüber und ließen, das Netzthema von Platz 3 auf Platz 2 vorrücken.
Als Verband versuche man dagegen anzugehen, indem lösungsorientierte Konzepte an richtiger Stelle platziert werden, die auch langfristig funktionieren. Mitunter erinnere das aber an den berühmten Kampf gegen Windmühlen – auch, weil die politischen Mühlen langsam mahlen und es hier immer noch an Mut und politischem Willen fehlt. Dazu gehören auch die seit Jahrzehnten etablierten Systeme von Netzbetreiber, die nun zum Teil kräftig umgebaut werden müssen. „Ein gutes Beispiel dafür sind etwa die Regulierungsperioden der E-Control. Diese dauern in der Regel fünf Jahre, wobei die nächste Periode im kommenden Jänner startet“, erklärt Janisch.
„Derzeit laufen hier die Verhandlungen, die insofern interessant sind, weil die Netzbetreiber nicht nur kräftig ausbauen, sondern ihr Netz auch digitalisieren müssen. Wir würden es daher sehr begrüßen, wenn hier ein gut durchdachtes System als Anreizregulierung umgesetzt wird. Nur den Gewinn für die Netzbetreiber zu erhöhen ist hier sicher zu wenig“, so Janisch. Aber nicht nur die Netzbetreiber sind gefordert, auch die Politik muss ihren Teil dazu beitragen. „Netzbetreiber können nur ausbauen und aufstocken, wenn es einen politischen Auftrag gibt, der auch bewilligt wird. Und hier müssen die Bewilligungen in Zukunft viel schneller passieren“, fordert der PV Austria-Technikexperte.
Digitalisieren & automatisieren
Mit Digitalisieren meint Janisch vor allem Transparenz der Netze. „Für eine effiziente Netzführungen muss man wissen, wo sich was tut. Wie schaut es bei den Umspannwerken aber auch bei den Trafostationen aus?“ Eine Forderung der PV Austria ist beispielsweise die Einrichtung eines Katasterplans der Stromversorgung. „Das EAG schreibt ja bereits vor, dass die freien Kapazitäten je Umspannwerk auszuweisen sind. Nur: Die meisten PV-Anlagen sind klein, die Umspannwerke sind groß. Darum hilft uns diese Info auf den niederen Netzebenen nicht viel“, gibt Janisch zu Bedenken. Aber immerhin können manche Netzbetreiber diese Daten – nach bald zwei Jahren – wenigstens zur Verfügung stellen. „Und andere Netzbetreiber ziehen jetzt zum Glück langsam nach.“
Wichtig wäre es in diesem Sinne auch, dass die Netzbetreiber die Smart Meter-Daten der Verbraucher endlich auch nutzen dürfen. „Es ist aktuell noch ein Streitpunkt, welche Daten überhaupt verwendet werden dürfen. Ein Netzbetreiber muss die Möglichkeit haben, diese Daten zu nutzen, um sein Netz effizient betreiben zu können. Aufgrund des Datenschutzes ist es aber nach wie vor ein rechtlicher Graubereich, wo sich keiner die Finger verbrennen möchte. Viele gehen daher auf Nummer Sicher und nutzen die Daten nur zur Abrechnung“, umreißt Janisch das Problem.
Eine mögliche Lösung könnte hier das neue ElWG (aktuell trägt es noch den Namen ElWOG – Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz) darstellen, an welchem seit mehr als einem Jahr gebastelt wird. „Das ElWOG wird gerade überarbeitet und steht hoffentlich kurz vor der Begutachtung. Im neuen ElWG sollte das Smart Meter-Thema dann auch adressiert und endlich klargestellt werden, damit die Netzbetreiber die Daten nutzen können. Das Netz der Zukunft muss flexibel sein, anders geht es nicht.“
Übrigens: Sollte das ElWG vor dem Sommer nicht in Begutachtung gehen, schaut es eher schlecht aus mit der Veröffentlichung des Gesetzes. „Bei einer verzögerten Begutachtung kommen wir mit 2024 in ein Wahljahr und da wird es sehr schwierig ein solch umfangreiches Gesetz in das Bundesgesetzblatt zu bekommen. Außerdem ist es fraglich, ob FPÖ oder SPÖ heuer noch zustimmen würden, denn für Energiethemen braucht es immer eine Zweidrittelmehrheit. Für die Branche wäre es fatal, wenn keine Mehrheit gefunden wird, denn das ElWG muss den technischen Rahmen für die Energiewende spannen – und wenn das nochmals fünf Jahre dauert, dann wird der PV-Ausbau das Tempo nicht halten können und wir können die 2030er Ziele vergessen. Wir warten daher dringend darauf.“
Einfacher zu handhaben sollte da schon der Themenbereich „Automatisierung“ sein – zudem dieser auch ganz im Sinne der Netzbetreiber sein dürfte. „Von den über 100.000 Anfragen im ersten Fördercall betrafen ca. 90.000 davon Anlagen bis 20 kW. Da geht bei den Netzbetreibern eine Masse von Anfragen ein, die allesamt ähnlich sind. Kundenorientierte automatisierte Formulare sind hier in Zukunft nicht mehr wegzudenken.“
Janisch fordert technisch flexibler zu denken
Mehr technische Flexibilität fordert Janisch auch von den Netzbetreibern ein – etwa, indem man die ohnehin vorgeschriebene Q(U)-Funktion (netzdienliche Blindleistungsbereitstellung) endlich nutzt und Lösungen voran treibt die flexibel höhere Einspeiseleistungen ermöglichen. Beispielsweise erwähnt Janisch zu letzterem eine bereitere Anwendung der ebenfalls vorgeschriebenen P(U)-Funktion (spannungsgeführte Wirkleistungsregelung). „Mit beiden Funktionen könnte man viel mehr Flexibilität ins Netz bringen und so auch das Netz effizienter betreiben.“
Das wäre eine kostengünstige und schnelle Alternative zu Netzverstärkungen. Wechselrichter wandeln den Gleichstrom der PV-Module in Wechselstrom um, der dann direkt in das Netz eingespeist wird. In der Vergangenheit wurden Wechselrichter so konstruiert, dass sie möglichst reine Wirkleistung in das Netz einspeisen.
Neue Wechselrichter können aber auch so parametriert werden, dass sie zusätzlich Blindleistung erzeugen. Durch die Aktivierung der so genannten Q(U)-Regelung wird erreicht, dass der Wechselrichter abhängig von der Höhe der Netzspannung induktive oder kapazitive Blindleistung einspeist und so einer lokalen Spannungsanhebung oder Spannungsabsenkung entgegenwirkt. Damit erhöht sich die Aufnahmefähigkeit der Netze für zusätzliche Erzeugungsanlagen und damit können Netzverstärkungen nicht oder erst später notwendig werden. Die Wirkleistungseinspeisung wird durch die Q(U)-Regelung kaum beeinflusst. „Das ist eine tolle Sache, aber von 122 Netzbetreibern nutzen es derzeit gerade mal eine Hand voll. Das verstehen wir echt nicht“, wundert sich Janisch.
An des Konzept Q(U)-Regelung baut die eingangs erwähnte P(U)-Regelung auf. Reichen die Möglichkeiten der Blindleistungsbereitstellung nicht aus springt die P(U)-Funktion ein und ändert die Einspeiseleistung, um die vorgegebenen Spannungsgrenzen einzuhalten. So könnte bei Sonnenschein immer die maximal mögliche Leistung ins Netz eingespeist werden kann.