Ziviltechniker, also Österreichs „technische Notare“ seit 1860, wehrten sich bis zuletzt gegen den Angriff der österreichischen Bundesregierung auf ihr Berufsgesetz. Geholfen hat’s praktisch nichts.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) musste die Arbeit der Ziviltechniker in Österreich neu geregelt werden. Heute wurde das Ziviltechnikergesetz (ZTG) im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen, leider ohne die von der Opposition eingebrachten Abänderungsanträge zu unterstützen.
Schon der ursprüngliche Entwurf der ZTG-Novelle aus dem Sommer 2020 übererfüllte nämlich das EuGH-Urteil. Die Berufsvertretung machte bereits damals medienwirksam auf „Gold Plating“ aufmerksam. Obwohl das Wirtschaftsministerium bekanntgab, dass dieser Entwurf alternativlos sei, brachte die Berufsvertretung der Ziviltechniker Stellungnahme und rechtssichere Vorschläge für die notwendigen Korrekturen ein.
Forderung abgelehnt
Nach langen Verhandlungen mit Sektion und Kabinett des Ministeriums wurden Umgehungsmöglichkeiten im Gesetz verhindert und eine Umbenennung der nun möglichen Gesellschaften von ZT mit Gewerbetreibenden vorgenommen. Eine wichtige Forderung, die Urkundentätigkeit auf die „echten“ Ziviltechnikergesellschaften zu beschränken, wurde bislang – und auch heute – von ÖVP und Grünen abgelehnt.
Dabei wäre diese Regelung – wollte man seitens Österreich nur dem EuGH-Urteil entsprechen – nicht nötig gewesen. „Das gibt das Urteil nicht her“, stellt Erich Kern, Präsident der Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland klar, „der nun beschlossene Gesetzesentwurf der Bundesregierung geht weit über die Anforderungen hinaus. Es ist Gold Plating und völlig unverständlich, warum hier – als Vorbereitung zur Zerstörung – der Berufsstand der Ziviltechniker ohne Not verwässert wird. Die Verantwortlichkeiten, die dazu geführt haben, werden im nächsten Schritt zu klären sein. Heute möchte ich mich ausdrücklich bei den Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos bedanken, die von der ersten Minute an die Anliegen und Forderungen der Ziviltechniker gehört, ernst genommen und unterstützt haben.“
Chancen wurden vertan
Obwohl mit den Verhandlungen der letzten Monate der größte Schaden abgewendet werden konnte, bleibt mit dieser Novelle die Zukunft des Berufsstandes ungewiss. „Ein österreichisches Erfolgsmodell droht auszulaufen. Die Urkundentätigkeit war auch nicht Gegenstand des EuGH-Urteils C-209/18, dort geht es vielmehr um den Zugang zum freien Beruf des Ziviltechnikers und der damit einhergehenden höheren Reputation und den Dienstleistungen an sich. Die Urkundentätigkeit ist nicht das Merkmal eines freien Berufes, sondern dies sind die Unabhängigkeit und die besondere Qualifikation. Während bei der Berufsausübung für den Ziviltechniker die Unabhängigkeit, die Unparteilichkeit und die Objektivität die Grundvoraussetzungen sind, wäre bei der Urkundentätigkeit zusätzlich auch der Anschein der Befangenheit zu vermeiden gewesen“, so Kern.
So wurde die auch von den Ziviltechnikern begrüßte Chance vertan, eine für alle Seiten positive Öffnung des Berufsstandes durchzuführen, um den Anforderungen der Internationalisierung und Digitalisierung Rechnung zu tragen. Besondere Brisanz erhält die Novelle zudem durch die Aussage der Abgeordneten Elisabeth Götze (Grüne), wonach „die Novelle des ZTG vorbildhaft für weitere Novellen der Berufsgesetze der freien Berufe ist, die in Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie zu erfolgen haben.“