Keine echte Glasfaserzukunft für Händler

Symbolbild Glasfaser Netzwerkkabel

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2024 will die Österreichische Glasfaser-Infrastrukturgesellschaft (öGIG) weitere 260 Mio. Euro in den Glasfaserausbau investieren. Auch andere Unternehmen arbeiten mit Hochdruck an der notwendigen Infrastruktur – und stellen dabei Endkunden wie Händler dauerhaft ins Abseits. Doch anstatt dies zu verhindern, schlägt sich die Regulierungsbehörde RTR auf die Seite der Provider. Trotz Milliarden-Investitionen werden Endkunden und Händler nicht so richtig vom Ausbau profitieren

Wer von schnellem Breitband-Internet profitieren möchte, kommt letztlich nicht an Glasfaser vorbei. Bislang hinkt Österreich im europäischen Vergleich allerdings hinterher, wenn es um den Ausbau der notwendigen Infrastruktur geht. Die Österreichische Glasfaser-Infrastrukturgesellschaft (öGIG), die zur Allianz Gruppe gehört, soll dies ändern. In einer jüngst veröffentlichten Pressemitteilung kündigte man an in den nächsten sechs Jahren eine Million Haushalte an das öGIG-Glasfasernetz anzuschließen. Und bereits 2024 will man über 260 Mio. Euro investieren und so letztlich 50 weitere Gemeinden ans Netzwerk anschließen.

Laut der öGIG wurden bis dato bereits 600 Millionen Euro in bestehende und unmittelbar bevorstehende Projekte eigenfinanziert investiert und so der Glasfaser-Ausbau vorangetrieben. Durch weitere 190 Mio. Euro an öffentlichen Fördermitteln aus dem Breitband-Ausbaufond des Bundes und der EU könnten zusätzliche Randgebiete in den Ausbaugemeinden erschlossen werden. Insgesamt sollen sich bis Jahresende 150.000 angeschlossene Haushalte und Betriebe ihren Tarif bei den aktuell 21 verfügbaren Internet-Anbietern im öFIBER-Netz aussuchen können.

Auch andernorts wird am Glasfaserausbau in Österreich gearbeitet. So will etwa die Alpen Glasfaser GmbH, ein Joint-Venture von Magenta Telekom und dem französischen Infrastrukturpartner Meridiam, bis 2030 gemeinsam 1 Milliarde Euro in den Ausbau von mehr als 650.000 neuen Glasfaser-Internetanschlüssen (FTTH) für Haushalte und Betriebe in Österreich investieren. Das alles klingt nach einer rosigen Breitbandzukunft. Doch der Handel und viele Endkunden werden von den Investitionen nicht profitieren.

Das Problem sind die Glasfaser-ONT

Wie so oft steckt der Teufel im Detail. Denn häufig wird mit den Glasfaserleitungen auch gleich ein sogenannter aktiver ONT (Optical Network Termination) installiert. Dabei handelt es sich um ein Netzabschlussgerät, das auch als Glasfaserbox oder Glasfasermodem bezeichnet wird. Prinzipiell gibt es zwei verschieden Formen von ONTs: aktive und passive. Ein aktiver ONT, der mit Strom versorgt werden muss, übernimmt die Aufgabe eines Modems und wandelt die Lichtsignale der Glasfaser in elektrische Signale um. Bei der passiven Box ist kein Glasfasermodem implementiert, sodass hier noch keine Wandlung von optisch auf elektrische Signale erfolgt. In diesem Fall lässt sich ein Glasfasermodem bzw. ein Glasfaserrouter an die passive Box anschließen.

Ob eine aktive oder passive Box verbaut wird, entscheidet allein der Anbieter. Um langfristig die Kontrolle darüber zu haben, welche Endgeräte direkt am Glasfaseranschluss genutzt werden können, installieren die meisten Anbieter einen aktiven ONT bei den Endkunden. „Letztlich wird so dafür gesorgt, dass es für Endverbraucher wie auch Unternehmen langfristig nicht möglich sein wird, ein eigenes integriertes Endgerät anzuschließen“, betont ElectronicPartner Österreich-Chef Michael Hofer. „Indem jetzt überall aktive ONTs installiert werden, ist also schon heute klar, dass es für Endkunden dauerhaft nicht möglich sein wird, einen Router im Fachhandel zu kaufen und diesen daheim oder im Büro anzuschließen, selbst wenn dieser deutlich besser zu den individuellen Bedürfnissen passt als die Provider-Geräte“, erklärt Hofer. 

Ein ähnliches Problem entsteht überall dort, wo Brückentechnologien genutzt werden, um den Glasfaserausbau schneller voranzutreiben. Wo das Glasfaserkabel – zumeist aus Kostengründen – nicht bis ins Haus oder Gebäude verlegt wird, werden die letzten Meter mit den vorhandenen Kupferleitungen überbrückt und zur Beschleunigung Lösungen wie G.fast und Vectoring genutzt. Auch hier kann nicht ohne Weiteres ein eigener Router eingesetzt werden – es sei denn, man schließt diesen per Bridge-Mode als zweites Gerät hinter dem Zwangsmodem des Anbieters an. „Das werden die meisten Haushalte allerdings schon allein aufgrund der doppelten finanziellen Belastung nicht tun“, so der ElectronicPartner-Chef. „Wenn sich also nicht zeitnah etwas ändert, werden Endkunden und damit auch der Fachhandel dauerhaft als Verlierer dastehen.“

RTR schlägt sich auf die Seite der Provider

Im Prinzip ließe sich dieses Szenario leicht verhindern. Denn seit dem Inkrafttreten des neuen Telekommunikationsgesetzes vor mehr als zwei Jahren hat die Regulierungsbehörde RTR die Befugnis eine Verordnung zu erlassen, die eine freie Wahl des Endgerätes am Breitbandanschluss in Österreich sicherstellt. Doch anstatt Endkunden und damit auch Händler mit einer derartigen Verordnung vom Glasfaserausbau mitprofitieren zu lassen – wie es in anderen EU-Ländern längst der Fall ist – hat sich die RTR auf die Seite der Provider geschlagen. Denn nach zwei Jahren des Abwartens hat sich die RTR nun offiziell dazu entschieden, nichts zu unternehmen. In Erinnerung an den klassischen Router-Bereich überrascht das freilich nur wenig. Übrigens: Eine offizielle Antwort auf den hier verlinkten Brief gab’s bis heute nicht….

Die Entscheidung, welches Endgerät direkt am Breitbandanschluss genutzt werden kann, liegt also weiterhin allein bei den Internet-Providern. Für Endkunden bedeutet dies, dass sie auch zukünftig den vom Provider angebotenen Router nutzen müssen, selbst wenn dieser ihren Bedürfnissen nicht entspricht. Umgehen ließe sich dies wie bereits erwähnt nur, wenn man als Endkunde zusätzlich ein weiteres Endgerät kauft und dieses hinter dem Modem des Providers im Bridge-Modus nutzt. Doch nur wenige Endkunden werden bereit sein, im Fachhandel ein zweites Gerät zu kaufen und letztlich auch die Stromkosten für zwei Geräte zu bezahlen.

RTR-Boss Klaus M. Steinmaurer sieht darin kein Problem – und „verkauft“ den Provider-freundlichen Bridge-Modus sogar als Wahlfreiheit für österreichische Verbraucher. „Damit besteht bei Festnetzinternetanschlüssen eine Wahlfreiheit bei Endgeräten und die Routerfreiheit ist in Österreich sichergestellt“, lässt sich der Leiter der Regulierungsbehörde in der offiziellen Mitteilung der RTR zitieren.

Viel Kritik an der Entscheidung der RTR – aber nicht seitens der Regierung

Trotz der eigenen „Breitbandstrategie 2030“ unterstützt die Regierung dieses Vorgehen offenbar. Kritik an der Entscheidung der RTR war bislang jedenfalls nicht zu vernehmen. Die gibt es jedoch von vielen anderen Seiten – beispielsweise vom Verbund der Telekommunikations-Endgerätehersteller (VTKE) „Es wurde eine große Chance vertan, die Situation im Sinne der österreichischen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie des Wettbewerbs und der Innovation deutlich zu verbessern“, heißt es in einer Stellungnahme des VTKE. Mit einem Bridge-Modus würden die Verbraucherinnen und Verbraucher nun weiterhin gezwungen, sowohl doppelte Anschaffungs- als auch Energiekosten zu zahlen, wenn sie ihr eigenes Endgerät nutzen wollen.

Eine objektive technologische Begründung, warum Österreich Ländern mit freier Endgerätewahl nicht folgt, findet sich in der Erklärung der RTR nicht.

VTKE

Auch in der politischen Opposition trifft das nicht nachzuvollziehende Vorgehen der RTR auf wenig Verständnis. „Dass die RTR diese Chance zur Verbesserung der Verbraucherinteressen, des Wettbewerbs und der Innovation in Österreich ungenutzt lässt, ist bedauerlich und ein Rückschritt für den digitalen Fortschritt in Österreich“, sind sich die beiden Nationalrat-Abgeordneten Christian Drobits und Petra Oberrauner von der SPÖ einig.

Beschwerden als letzter Ausweg?

Am Ende können die Endkunden in Österreich also gar nicht das Beste aus den Glasfasernetzen holen, die derzeit mit Milliarden-Investitionen aufgebaut werden. Und anders als in vielen anderen EU-Ländern können Fachhändler bzw. Fachbetriebe keine Glasfaserrouter an Endkunden verkaufen, da diese aufgrund der fehlenden Regulierung der Regulierungsbehörde RTR nicht am Glasfaseranschluss angeschlossen werden können. Der einzige Ausweg aus dieser Misere dürften Beschwerden bei der RTR sein. Denn ohne eine Verordnung im Sinne der Verbraucher und des Handels wird es in Österreich keine Endgerätefreiheit geben, die ihren Namen verdient, und damit keine zeitgemäßen Lösungen für schnelles Breitbandinternet – und keinen Umsatz für Händler.

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