Die Zuversicht der österreichischen Verbraucher hat im Sommer weiter zugenommen. Das Konsumbarometer des Handelsverbandes weist für das zweite Quartal 2021 eine signifikant positive Entwicklung aus.
Während der dritte und vierte Corona-Lockdown im ersten Quartal 2021 noch deutlich auf die Konsumstimmung gedrückt hatten (Wert: 96,35), erreicht das HV Konsumbarometer im Juni 2021 mit 109,11 den höchsten Wert seit Beginn der Berechnungen im März 2019 (Referenzwert: 100). Dies deckt sich auch mit der positiven Konjunkturentwicklung der österreichischen Wirtschaft. Laut WIFO konnte das heimische BIP im zweiten Quartal um 4,3 % gegenüber dem Vorquartal zulegen. Damit setzte nach den beiden negativen Vorquartalen erstmals wieder ein Wachstum ein.
Konjunkturerwartung der Bevölkerung steigt deutlich
Hauptgründe für den jüngsten Erholungskurs sind die optimistische Konjunkturerwartung (von 80,25 im Dezember 2020 auf 123,10 im Juni 2021) und die gestiegene Ausgabenerwartung (von 90,34 auf 116,45). Kleiner Wehrmutstropfen: Die Sparneigung der Österreicherinnen und Österreicher bleibt auf konstant hohem Niveau (von 111,89 auf 109,45).
„Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen haben im zweiten Quartal 2021 zu einer deutlichen Entspannung der wirtschaftlichen Lage und einem neuen Klima der Zuversicht geführt. Aktuell ist die Verbraucherstimmung so gut wie noch nie seit Beginn der Corona-Pandemie, wir erleben einen regelrechten Nachhol-Trend. Diese Verschnaufpause haben sowohl unsere Händlerinnen und Händler als auch die Konsumentinnen und Konsumenten dringend gebraucht. Jetzt müssen wir alles dafür tun, dass die vierte Welle das Comeback der heimischen Wirtschaft nicht beendet“, zeigt sich Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will mit Blick auf die Unternehmensbilanzen und den jüngsten Anstieg der Infektionszahlen nach wie vor vorsichtig.
Einkommenserwartung auf Tiefstand
Sorgen bereitet dem österreichischen Handel insbesondere die weiterhin unterdurchschnittliche Einkommenserwartung. Mit einem Wert von 95,87 bleibt die Einschätzung der Konsumenten auch im zweiten Quartal 2021 pessimistisch. Konsum ist bekanntlich Psychologie und damit ein hochemotionales Thema.
Apropos Psychologie: Auch die Angst vor Inflation bremst aktuell die Konsumlaune der Bevölkerung. Die Teuerungsrate liegt derzeit mit +2,7 % deutlich über dem Vorjahresniveau, erst kürzlich meldete die Statistik Austria für Juli einen massiven Anstieg der Großhandelspreise um +12,1 %. Grund dafür sind u.a. nachfragebedingte Preissteigerungen bei vielen Rohstoffen, steigende Treibstoffpreise sowie Lieferengpässe als Folge der Corona-Pandemie.
Beschaffungskrise bremst Aufschwung
Wenngleich sowohl die Unternehmen als auch die Endverbraucher die wirtschaftliche Lage zurzeit deutlich optimistischer einschätzen als noch zu Jahresbeginn, bremst die aktuelle Beschaffungskrise in der Industrie bzw. im Handel und die damit einhergehende Preissteigerungen den weltweiten Wirtschaftsaufschwung gravierend. Mehr als drei Viertel der heimischen Händler (78 %) haben mit Lieferverzögerungen oder Lieferantenausfällen zu kämpfen, während gleichzeitig fast zwei Drittel aller Betriebe durch die Lockdowns Altwarenbestände aufgebaut haben.
Auch die heimische Sachgütererzeugung und die Bauwirtschaft leiden unter den Rohstoffengpässen, steigenden Preisen bei Metall, Holz und Kunststoff, dem Containermangel in Fernost sowie Covid-bedingten Ausfällen bei internationalen Fabriken.
Steigende Corona-Infektionszahlen drücken Verbraucherstimmung
Bei aller berechtigten Euphorie angesichts der guten Konsumbarometer-Zahlen im zweiten Quartal zeichnen sich vor dem Herbst bereits erste Gewitterwolken ab. So ist etwa die Konjunkturerwartung der Bevölkerung zwischen Juni und Juli 2021 um mehr als 10 Punkte auf 112,19 eingebrochen. Auch die Einkommenserwartung zeigt im Juli ein kräftiges Minus von 7 Punkten.
„Nach vier Monaten im Aufwärtstrend hat sich das Konsumbarometer des Handelsverbandes im Juli erstmals wieder negativ entwickelt. Das verlangsamte Impftempo und die steigenden Corona-Infektionszahlen aufgrund der Delta-Variante verunsichern die Kunden. Daher muss jetzt unsere Devise ‚impfen, impfen, impfen‘ lauten“, ist Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch überzeugt.
Handel pocht auf Senkung der Lohnsteuer & der Lohnnebenkosten
Während sich die Erholung am Arbeitsmarkt erfreulicherweise fortsetzt – Ende Juli waren 344.000 Menschen in Österreich arbeitslos – hat sich der Mitarbeitermangel zuletzt deutlich verschärft. Immer mehr heimische Betriebe haben Probleme, offene Stellen zu besetzen. Während technische Berufe schon lange auf der Mängelberufe-Liste des AMS stehen, hat die Pandemie zu neuen Engpässen in Branchen wie dem Handel und der Gastronomie geführt.
„Um dieses Problem zu lösen, sind neue Ansätze gefragt. Oberste Priorität sollte, die viel beschworene aber leider auch oft verschobene Senkung der Lohnnebenkosten haben. Aktuell ist Österreich bei den Lohnnebenkosten EU-weit Nachzügler. Nirgendwo in Europa zahlen Unternehmen so viel für ihre Beschäftigten, ohne dass es den Angestellten selbst bleibt. Wir müssen jetzt den Faktor Arbeit entlasten, das ist das beste Investment in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes“, sagt Will.
Die nächste Steuerreform muss sowohl bei den Lohnnebenkosten als auch bei der Lohnsteuer ansetzen. „Jenen, die einen Arbeitsplatz innehaben, muss mehr ‚netto‘ vom ‚brutto‘ bleiben, damit auch der Konsum direkt angekurbelt wird. Das muss jetzt passieren. Alle Österreicherinnen und Österreicher, die Tag für Tag hart arbeiten, haben sich das redlich verdient“, so Handelssprecher Rainer Will abschließend.
Über das Handelsverband Konsumbarometer
Das HV Konsumbarometer ist zukunftsorientiert, es bildet also nicht den aktuellen Konsum ab, sondern die Konsumstimmung, die sich im Verbrauch der nächsten drei Monate zeigt. Es geht folglich um die konkreten Erwartungen der Konsumenten. Hierfür werden folgende fünf Indizes berechnet:
- Ausgabenerwartung
- Einkommenserwartung
- Konjunkturerwartung
- Sparneigung
- Preisentwicklung