Warn- und Hinweispflichten sind für PV-Anlagenerrichter mehr als eine Formalität. Wer erkennbare Risiken nicht dokumentiert und kommuniziert, riskiert teure Haftungsfolgen. Rechtsanwalt Mag. Peter Schöppl erklärt, worauf es laut ABGB und ÖNORM B 2110 ankommt.
Im Gespräch mit ELEKTRO|branche erläutert Mag. Schöppl, welche rechtlichen Pflichten Werkunternehmer treffen, wie sie Haftungsrisiken vermeiden können und warum die schriftliche Dokumentation dabei unverzichtbar ist.
ELEKTRO|branche: Herr Mag. Schöppl, was versteht man genau unter Warn- und Hinweispflichten bei Werkverträgen?
Mag. Peter Schöppl: Die Warn- und Hinweispflicht bedeutet, dass der Werkunternehmer den Auftraggeber darauf hinweisen muss, wenn der Werkbesteller Stoffe bereitstellt, die offenbar untauglich sind oder die Anweisungen des Werkbestellers offenbar unrichtig sind. In welchem Umfang diese Pflichten bestehen ist im Einzelfall zu betrachten, da dabei auch der Wissensstand des Vertragspartners mitwirken kann. Der Gedanke dahinter ist, der Unternehmer ist Fachmann und erkennt Dinge, die dem Auftraggeber verborgen bleiben.
Wo findet sich die gesetzliche Grundlage zur Warn- und Hinweispflicht?
Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Warn- und Hinweispflicht in § 1168a deklariert. Daneben kann unter Umständen auch die ÖNORM B 2110 zur Anwendung kommen, wenn diese vereinbart wurde.
Was muss ein Anlagenerrichter nach den Bestimmungen des ABGB beachten, um seine Pflicht rechtens zu erfüllen?
Das ABGB hält die Warn- und Hinweispflicht sehr allgemein und erläutert, dass diese grundsätzlich befolgt werden muss, da ansonsten verschiedene Rechtsfolgen eintreten. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung dazu einige konkretere Anhaltspunkte erläutert, dabei verweist er regelmäßig auf die notwendige Beurteilung im Einzelfall.
Welche Unterschiede gibt es dazu nach den Bestimmungen der ÖNORM?
Die ÖNORM B 2110 enthält detaillierte Regelungen zu den Mitwirkungspflichten der Vertragsparteien und zu den Warnpflichten des Auftragnehmers. Dabei wird auch konkretisiert, wie der Hinweis erfolgen muss. Besonders wichtig: Die Warnung muss schriftlich erfolgen. Ein bloß mündlicher Hinweis ist jedenfalls nicht ausreichend. Wer seinem Werkvertrag die ÖNORM 2110 zu Grunde legt, muss seine Warnung über die Bedenken der Einhaltung der vereinbarten Eigenschaften des Werks schriftlich zum Ausdruck bringen. Hier sei aber angemerkt, dass die Anwendbarkeit der ÖNORM explizit vereinbart werden muss. Die Auswirkungen der Anwendungen der ÖNORM muss vor deren Vereinbarung erläutert werden, dabei empfiehlt es sich einen Rechtsanwalt zur Seite zu ziehen.
Was bedeutet das für PV-Anlagenerrichter konkret?
Errichter von Photovoltaikanlagen haben regelmäßig mit baulichen Gegebenheiten zu tun, die nicht in ihrem Einflussbereich liegen, wie die Statik des Daches, der Zustand der Eindeckung, Brandschutzauflagen, Blitzschutzanlagen oder Verschattungen durch Nachbargebäude. Wenn hier Probleme erkennbar sind, muss der Errichter den Auftraggeber ausdrücklich warnen. Der Unternehmer hat hier mitunter sogar eine Untersuchungspflicht. Er muss die ihm zur Verfügung gestellten Materialien und Pläne prüfen. Die Untersuchungspflicht beschränkt sich aber auf den Umfang der Fachkenntnis, die Werkunternehmer in ihrer Branche aufweisen.
Ein Beispiel: Wenn ein Bauherr Module auf einem alten Dach montieren lassen möchte, welches sichtbar brüchig ist, muss der Errichter klar darauf hinweisen, dass dadurch weitere Beschädigungen entstehen können. Tut er das nicht, haftet er für die Folgeschäden, selbst wenn die Entscheidung eigentlich vom Auftraggeber kam.
Welche Risiken bestehen, wenn der Errichter seine Warnpflicht verletzt?
Verletzt der Errichter seine Warnpflicht schuldhaft, also weist er nicht die Sorgfalt auf, die von ihm erwartet werden kann, so geht die Preisgefahr auf den Unternehmer über. Dieser haftet für die kausalen Schäden und gegebenenfalls kann der Werkbesteller Gewährleistungsbehelfe geltend machen. Die angesprochene Preisgefahr meint das Risiko des Kunden, dass der Werklohn bei unverschuldeter Nichterfüllung des Werkes geleistet werden muss. Geht diese Gefahr aufgrund der Verletzung der Warnpflicht auf den Werkunternehmer über, so trägt dieser das Risiko, dass der Werklohn trotz Erfüllung seiner Leistung nicht geleistet wird. Für PV-Anlagenerrichter kann das Eintreten dieser Folgen sehr teuer werden; etwa, wenn ein Dach nachträglich saniert werden muss.
Gibt es auch Grenzen dieser Pflicht?
Die Grenzen der Warn- und Hinweispflicht ergeben sich, wie bereits erwähnt, in der Untersuchungspflicht. Der Unternehmer muss nicht sämtliche denkbaren Gefahren untersuchen. Er muss aber alles ansprechen, was für einen Fachmann seines Gewerbes offensichtlich ist. Außerdem entfällt die Pflicht, wenn der Auftraggeber über das Problem bereits informiert ist oder selbst einschlägiger Fachmann ist. Die Warnpflicht ist aber jedenfalls dann auch gegenüber sachkundigen Werkbestellern einzuhalten, wenn der Unternehmer mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass das Werk misslingen wird. Dabei ist zu erwähnen, dass die Warn- und Hinweispflichten des Werkunternehmers nicht überspannt werden dürfen und der Werkbesteller bei erfolgter Warnung das Risiko für die Ausfertigung des Werkes selbst trägt.
Wie unterscheiden sich Warnpflichten im laufenden Vertrag von den vorvertraglichen Aufklärungspflichten?
Das ist ein sehr wichtiger Unterschied. Die Warnpflicht gilt nach Vertragsabschluss und betrifft die Ausführung des Werkes. Dagegen geht es bei den vorvertraglichen Aufklärungspflichten um die Pflicht, den Vertragspartner schon vor Vertragsabschluss über Umstände aufzuklären, die für seine Entscheidung wesentlich sind. Die Aufklärungspflicht betrifft Gefahren, die für das Gelingen des Werkes hervorgehen könnten. Wenn der Werkunternehmer also im Bewusstsein darüber ist, dass der potenzielle Auftrag seines Kunden Gefahren bergen könnte, dann hat der Unternehmer diesen darüber aufzuklären, noch bevor der Vertrag vereinbart wurde.
Welchen praktischen Rat geben Sie PV-Anlagenerrichtern?
Ich empfehle drei Dinge zur Vermeidung von Haftungsfragen bei Errichtung einer PV-Anlage:
- Im vorvertraglichen Stadium Vorsicht wahren: Klären Sie den Kunden auf und kommunizieren Sie die Gegebenheiten an Betracht der Sachkunde des Werkbestellers. Wer vor Vertragsschluss den Kunden bereits über entscheidungserhebliche Umstände informiert, kann guten Gewissens den Auftrag annehmen und das Werk folgend übergeben.
- Schriftlich dokumentieren: Wie immer gilt auch hier: wer schreibt, der bleibt. Verschriftlichen Sie alle Warnungen und protokollieren Sie ihre Pflichtenerfüllung, die Bürokratie kann später einen einschlägigen Beweis zu Ihren Gunsten darstellen.
- Vorsicht statt Nachsicht: Der Kunde ist König und dennoch ist er auf die Unrichtigkeit seiner Anweisung oder Untauglichkeit des Stoffes hinzuweisen. Schützen Sie sich vor Haftungen und sichern Sie sich unter Umständen durch die Einholung einer branchenkundigen Fachmeinung ab.
Wer diese Grundsätze beachtet, schützt sich nicht nur vor rechtlichen Haftungsrisiken, sondern sorgt daneben für Vertrauen und Kundenzufriedenheit.
Faktenbox: Warn-, Hinweis- und Aufklärungspflichten
- Warn- und Hinweispflicht des Werkunternehmers betrifft ua. die Untauglichkeit des vom Besteller beigestellten Stoffes (Dächer, Untergrund).
- Warn- und Hinweispflicht nach der ÖNORM B 2210 muss vertraglich vereinbaren
- Die ÖNORM beinhaltet speziellere Vorschriften als das ABGB
- Aufklärungspflicht Im vorvertraglichen Stadium
- Pflicht des Unternehmers den Kunden über eventuelle

Mag. Peter Schöppl
Der gebürtige Linzer studierte bis 2005 Rechtswissenschaften in Graz, wobei ihn das Studium unter anderen nach Frankreich und in die USA führte. Heute vertritt und berät er Unternehmen im Energie-, Vertrags- und Gesellschaftsrecht – gerne auch Sie!
Mehr über die SCHÖPPL | Lehner Anwaltskanzlei OG finden Sie unter www.sl-kanzlei.at oder kontaktieren Sie die Kanzlei unter +43 732 997063 bzw. office@sl-kanzlei.at.
Lesertipp der Redaktion: In früheren Gesprächen mit Herrn Mag. Peter Schöppl haben wir uns bereits mit den Themen „PV-Anlagen: „Brandschutz ist keine Option, sondern Pflicht“, „PV-Anlagen: Blendung und Rückzug der R11-3“ und „PV-Anlagen: Eine Frage der Haftung“ beschäftigt.
Die Serie wird in der kommenden Print-Ausgabe fortgesetzt! Testen Sie unser Fachmagazin und holen Sie sich mit unserem kostenlosen Probeabo Ihren persönlichen Wissensvorsprung!




















