Positives Feedback oder harsche Kritik – die Bewertungen anderer spielen für Konsumenten beim Online-Shopping eine enorm wichtige Rolle und wirken sich auf die Wahl eines Anbieters oder Produkts aus. Die wissenschaftlichen Hintergründe des so genannten „Social Proof“ hat unser Marketingprofi Harald Rametsteiner bereits in Ausgabe 11-12/2021 aufgearbeitet, jetzt liefert Thorsten Behrens praktische Tipps.
Ob es um Bekleidung, das neueste Smartphone, ein Restaurant oder auch Kosmetikbehandlungen geht: Wie Kunden ihre Erfahrungen mit Anbietern, einzelnen Produkten und Dienstleistungen beurteilen, stellt im Internet eine wichtige Orientierungshilfe für andere dar. Laut einer Studie des E-Commerce-Gütezeichens liegen positive Bewertungen sogar auf Platz vier der generell wichtigsten Aspekte beim Online-Shopping.
„Konsumentinnen und Konsumenten legen großen Wert darauf, dass sie Bestellungen möglichst unkompliziert widerrufen oder zurückschicken können. Zahlungsmethoden und ein ansprechender Shop sind ebenso ausschlaggebend. Doch dann folgen bereits die Meinungen anderer Verbraucher – 80,7 Prozent finden diese beim Einkaufen im Internet wichtig. Ich empfehle Online-Händlern daher, Kundenbewertungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken“, analysiert Thorsten Behrens, Geschäftsführer des Österreichischen E-Commerce-Gütezeichens.
Positive Bewertungen anderer Kunden steigern für 36,1 Prozent das Sicherheitsgefühl und genau ein Drittel (33,3 Prozent) setzt auf die Zertifizierung mit einem Gütezeichen. Insbesondere wenn Konsumentinnen und Konsumenten ein Online-Angebot seltsam oder unseriös vorkommt, suchen sie im Netz nach Bestätigung durch die Bewertungen anderer Kunden: Mit 37,8 Prozent ist diese Reaktion die häufigste, sobald ein Anbieter oder Offert fragwürdig erscheint.
Vorsicht vor Fake-Bewertungen
Kundenbewertungen sind ein probates Mittel für Verbraucherinnen und Verbraucher, ihrer Zufriedenheit oder ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen – und für andere, um sich die Entscheidung für einen Anbieter, eine Ware oder eine Dienstleistung zu erleichtern.
Für Online-Händler wiederum stellen (positive) Bewertungen einen Image-Gewinn dar und können auch Umsatzsteigerungen bewirken. Behrens rät dennoch zur Wachsamkeit: „Kundenbewertungen kommen einer Währung im Internet gleich, doch auch sie können gefälscht oder gekauft sein – es lohnt sich daher, kritisch zu betrachten, ob es sich bei den Rezensionen um bare Münze oder ,Falschgeld‘ handelt.“
Gefälschte Bewertungen sind nicht immer eindeutig erkennbar, es gibt jedoch einige Merkmale, die darauf hinweisen, dass sie nicht echt sind. Allzu euphorische Beurteilungen mit zahlreichen Superlativen legen etwa den Verdacht auf eine bezahlte Bewertung nahe, ebenso kritiklose Beiträge in epischer Länge. Auch, wenn sich positive Bewertungen gleich beim Markteintritt eines Online-Shops oder nur innerhalb eines gewissen Zeitraums auffällig häufen, könnten bezahlte „Kunden“ dahinterstecken.
Ein weiterer Tipp des E-Commerce-Experten: „Kundinnen und Kunden sollten nicht nur auf die Punkte- oder Sterneanzahl achten, sondern in Bewertungen speziell nach Aspekten suchen, die ihnen wichtig sind – sei es, ob ein Staubsauger besonders leise ist oder ob es beim Hotelfrühstück auch laktosefreie Milch gibt. Solche subjektiven Angaben sind in Fake-Meldungen gewöhnlich nicht zu finden.“ Auch die Anzahl der Bewertungen gibt Aufschluss: Tausende überwiegend positive Urteile sind vertrauenswürdiger als fünf Top-Bewertungen.
5 Praxis-Tipps: Chance zur Kundenbindung
An Online-Händler appelliert Behrens, sich keinesfalls zu Fake-Bewertungen hinreißen zu lassen und verrät fünf Tipps, um das Optimum aus Kundenbewertungen herauszuholen.
- Feedback aktiv anregen: Bewertungen können direkt im Online-Shop, via Google, Social Media oder auf Plattformen platziert werden. Alle Kanäle permanent zu überprüfen, ist aufwändig und mühsam. Es lohnt sich daher, Bewertungen bewusst auf die eigene Seite zu holen und gezielt anzuregen. Kritik lässt sich nicht verhindern, aber je mehr positive Bewertungen ein Anbieter erhält, desto weniger fallen negative ins Gewicht. Wer das Gros der Rezensionen auf seine Seite lenkt, hat den enormen Vorteil des einfacheren Überblicks, denn:
- Rasch reagieren ist wichtig – nicht nur, aber gerade im Falle negativer Bewertungen. Jede Antwort sollte gut überlegt und individuell erfolgen (Standardfloskeln sind zu vermeiden), aber auch in einem angemessenen Zeitrahmen. Das signalisiert Interesse, Professionalität und verhindert, dass die Kritik womöglich ausufert.
- Verständnis und Höflichkeit zeigen: Auch auf positive Bewertungen darf gerne reagiert werden. Freundliche Antworten fallen dabei freilich leicht, sind aber auch bei Unmutsäußerungen Pflicht. Ob die Kritik nachvollziehbar ist oder nicht – wichtig ist, Ärger und Beanstandungen ernst zu nehmen und stets höflich zu sein.
- Lösungen anbieten: Sich bei verärgerten Kunden zu entschuldigen, ist angebracht (nicht nur dann, wenn der Fehler tatsächlich beim Anbieter liegt). Aber ebenso wichtig ist es, eine Lösung für das Problem zu suchen. Bieten Sie dafür der Kundin bzw. dem Kunden idealerweise eine direkte Kontaktmöglichkeit an – so verhindern Sie eine Diskussion in der Öffentlichkeit und können den Unmut gemeinsam aus der Welt schaffen.
- Aus Kritik lernen. Werden die Beschwerden von Kunden zufriedenstellend gelöst, kommen diese höchstwahrscheinlich wieder – denn sie wissen, dass sie bei diesem Anbieter auf Service und Kompetenz zählen dürfen. Bestehende Kunden zu versöhnen, ist definitiv besser und günstiger, als Neukunden zu gewinnen. Zugleich birgt jedes Feedback die Chance, Kunden besser zu verstehen, blinde Flecken aufzudecken und Verbesserungen durchzuführen.
Wenn einem Kunden ein Online-Angebot seltsam vorkommt, suchen Sie nach Erfahrungswerten anderer Kunden, weiß Thorsten Behrens.