Neue Spiele, schrille Kostüme, dazwischen wir: Meine Söhne und ich besuchten zum ersten Mal die Gamescom in Köln und tauchten in eine Entertainment-Welt ein, die wir so noch nicht kannten. Ein persönlicher Bericht.
Mitten im Trubel befinden wir uns, meine beiden großen Buben und ich. Wir besuchen die Gamescom in Köln nicht an den organisierten Pressetagen, sondern privat als Familie am Messesamstag, dem stärksten Tag – eh klar! Getreu dem Motto „der frühe Vogel fängt den Wurm“ sind wir bereits eine Stunde vor Eröffnung am Messegelände und drängen uns über den glänzenden Boden in Richtung der noch verschlossenen Schranken.
Nach zwei Jahren geht die Gamescom heuer wieder in der Kölner Messe über die Bühne, im „real life“ sozusagen. 265.000 Besucher aus über 100 Ländern werden dem Ruf folgen und durch die bunten Hallen strömen. Rund 1.100 Ausstellende aus 53 Ländern werden auf der Gamescom ihre Neuheiten präsentieren und über 25.000 Fachbesucher – natürlich auch aus dem Elektrohandel – werden sich ansehen, womit sie vor Weihnachten ihr Geschäft anheizen können.
„Nach über zwei Jahren mit ausschließlich digitalen Events war die Freude über echte Treffen bei Branche und Community riesig. Insgesamt hat die Gamescom 2022 unsere Erwartungen übertroffen“, freut sich Felix Falk, Geschäftsführer des Game-Verbands der deutschen Games-Branche. Wer diese „Community“ genau ist, ist für Außenstehende wie mich gar nicht so leicht zu fassen. Neben mir in der Schlange steht ein 1,95 Meter großer Pikachu mit einem „Free Hugs“-Schild in der Hand.
Gratisumarmungen werden auf der Gamescom übrigens sehr gerne verteilt. Wir sehen „Free Hugs“-Schilder in Groß, Klein, Grün, Pink, Blau oder im YouPorn-Schriftzug (dieser ist mir ausschließlich durch meine berufliche Recherchen bekannt, Anm. des Verfassers). Rechts vor uns steht eine Gruppe Burschen, die eventuell weniger von Umarmungen hält. Die Wörter „Alder“, „Digger“, „Lost“ und „Motherfucker“ fallen vergleichsweise oft, während sie darüber sinnieren, welcher YouTube-Star gerade mehr angesagt ist. Auf das T-Shirt des einen Teenagers ist „Niceschwanzbro“ gedruckt. Okay. Kreativ zeigen sich die Cosplayer, die teils mit unheimlich aufwendigen Kostümen als Comichelden, Mangacharaktere oder Fantasywesen durch die Messehallen spazieren.
Beim Cosplay geht es darum, Figuren aus Computer- bzw. Videospiel, Anime oder Film darzustellen. Erstes Fazit also noch beim Eingang: Es gelingt nicht, der sogenannten Gaming-Community einen Stempel aufzudrücken, weder von Alter, Geschlecht oder sonst irgendwas her. So zumindest mein Eindruck.
„Nicht laufen!“
Die elektronischen Schranken gehen endlich auf. Wir strömen mit der Masse mit. Der Securitymann in der neongelben Weste ruft: „Nicht laufen!“ Sein Ruf verhallt mehr oder weniger ungehört im internationalen Stimmengewirr. In Halle 8 testen wir ein Strategiespiel. Bis Oskar, mein 10-Jähriger, das Spiel plötzlich abbricht: „Da kommt Pennywise!“ Pennywise ist der gruselige Clown aus Stephen Kings Horrorklassiker „Es“. Fragen Sie mich nicht, warum er solche Figuren kennt. Auf alle Fälle haben wir nun ein Foto von den beiden im Familienalbum.
Die Gamescom-Hallen füllen sich mehr und mehr. Es ist laut. Grell angezogene Promotoren werfen von den Bühnen Goodies in die angeheizten und jubelnden Mengen. Es hupt, trommelt und sirent. Wir stehen währenddessen beim neuen Gran Turismo-Autorennspiel an. Das Interesse ist groß, obwohl wir eigentlich recht früh dran sind. Nach 20 Minuten in der Reihe kann sich Emil, mein 7-Jähriger, ins Cockpit setzen und legt los. Ich lächle milde, als es ihn einmal von der Strecke schmeißt und gebe „kluge“ Fahrtipps. Danach starte ich den Boliden, rattere in so ziemlich jeder Kurve in so ziemlich jede Leitplanke und brauche in etwa dreimal solange für eine Runde. Ich spreche mit Emil nicht mehr über dieses Spiel.
Oskar ist indes frustriert. Er möchte Sonic Frontiers spielen, oder „zocken“, wie es richtig heißt. Dieses Game ist aber erst ab zwölf Jahren geeignet und die Promotorin schickt ihn wieder weg. Diese Geschichte wiederholt sich beim neuen Wrestling-Spiel. Der Ärger hält zum Glück nicht lange an, die Auswahl an Spielen ist schier unendlich und es findet sich schnell etwas Neues.
Gamescom Zielgruppen
Gaming beinhaltet die Nutzung von elektronischen Spielen über verschiedene Geräte wie PCs, Tablets, Smartphones oder Konsolen. Angebote und Pakete gibt es für Pensionisten genauso wie fürs Kleinkind. Die Zielgruppe ist also breit. Laut Statista, einem Anbieter für Markt- und Konsumentendaten, lag im Jahr 2021 der Umsatz alleine mit Spielekonsolen in Österreich bei rund 194.75 Mio. Euro. Mehr als jeder zweite Österreicher verbringe laut Statista-Umfrage aus dem Jahr 2021 mindestens einmal pro Woche seine Zeit mit Gaming. Ob Konsolen und vor allem das Gamingzubehör aber für den stationären Elektrofachhandel mehr als eine Nischenrolle spielen können, das muss natürlich jeder Händler mit seiner Fachexpertise individuell für sich entscheiden.
Zurück in Köln: Gegen Mittag werden die Gamescom-Hallen knackevoll. Junge Menschen, alte Menschen, mit oder ohne Kostüm drängen aneinander vorbei. Es wird drinnen langsam heiß. Die eh nie vorhandene Lust auf „Free Hugs“ vergeht noch weiter. Die Stimmung bleibt aber durch und durch gut. „Natürlich, gern, gar kein Problem.“ Geduldig und enorm freundlich posieren die Cosplayer für die unzähligen Handyfotos.
Wir ziehen weiter in die nächste Halle. Machen Fotos mit Riesenspinnen, Drachen und Kriegerprinzessinnen, kommen an einer Bühne vorbei, auf der ein junger Mann mit YouTube-Channel gerade Autogramme gibt. Wir holen uns keines, wir zocken lieber. An den Ständen leisten die Promotoren echt harte Arbeit. „Wichtig ist es, darauf zu achten, dass sich bei den Schlangen niemand vordrängt oder am Stand reinschummelt. Das kommt leider immer wieder vor“, wird uns erklärt.
Es ist Nachmittag. Wir haben die Messe bei weitem noch nicht durch. Das ist an einem Tag kaum machbar. Ich bin erschöpft, den Kindern taugt es. Auch Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Koelnmesse, ist zufrieden: „Ganz besonders freut mich, dass so viele Besuchende und Ausstellende aus dem Ausland nach Köln gekommen sind, um gemeinsam ihre Leidenschaft für Games zu feiern – die Gamescom ist dieses Jahr internationaler denn je.“
Auf drei internationale Gäste aus Österreich kann Böse auch nächstes Jahr zählen. „Es war super“, so das einheitliche Fazit der beiden Buben. Ein Wiederkommen haben wir uns auf der Heimreise im Zug bereits versprochen. Ein bisserl besser organisiert vielleicht. Und zumindest die Kinder wollen sich sogar verkleiden. Ich für meinen Teil muss mir das mit dem Kostümieren noch überlegen.
Über den Autor:
Alexander Zechmeister ist Vater dreier Kinder. Er war jahrelang als Redakteur eines Elektrofachhandelsmagazins Kollege von ELEKTRO|branche.at-CR Christian Lanner und mit ihm seitdem freundschaftlich verbunden. Sein Besuch auf der Gamescom war sein erster (aber sicher nicht letzter) auf einer Gaming-Messe.