Die zunehmende Digitalisierung sorgt für einen einschneidenden Wandel in allen Lebensbereichen der Gesellschaft – und das nicht nur wegen Corona. Dies betrifft insbesondere auch die österreichische Handelsbranche.
Eine Erhebung der Einstellung von Arbeitnehmer aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 64 % der Befragten aus der Handelsbranche angeben, dass die Digitalisierung einen unmittelbaren Einfluss auf ihr Arbeit hat. Geänderte Kundenbedürfnisse, schnell fortschreitende digitale Technologien, das Thema eines immer stärker wachsenden Wettbewerbs und schnelllebige Produktlebenszyklen sorgen dafür, dass Unternehmen sich gezwungen sehen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und anzupassen. Geschäftsspezifische Entscheidungen müssen in der heutigen Zeit auf Basis der Kunden und der Zukunftschancen des Unternehmens getroffen werden, womit der Eintritt in die digitale Welt für viele Händler oftmals unumgänglich ist.
Eine Studie zum Konsumentenverhalten im Distanzhandel zwischen März 2018 und März 2019 belegt, dass 68 % der Österreicher bereits Onlineeinkäufe tätigen und die Distanzhandelsausgaben damit die 8 Mrd.-Euro-Grenze überschritten hat. Knapp 3,6 Mrd. Euro hiervon fließen in den regionalen Versandhandel. Um langfristig erfolgreich online zu verkaufen und einen Onlineshop aufzubauen, der Nutzer überzeugt, ist es besonders wichtig, dass sich Onlinehändler konkrete Gedanken zu ihrem Geschäftsmodell und den eingesetzten Absatzkanälen machen, bevor der Schritt in die Onlinewelt getätigt wird. Denn in dem Moment, in dem ein Unternehmer der Handelsbranche sich für den Schritt in die Onlinewelt entschieden hat, stellt sich unter anderem die Frage, welche Absatzwege ins Absatzportfolio mitaufgenommen werden. Hier gilt es, in einer Vielzahl an Möglichkeiten, den richtigen Absatzmix für das eigene Unternehmen zu definieren. Zwei Absatzwege, die eine Vielzahl an Unternehmen nutzen, sind ein unternehmenseigener Onlineshop und der Verkauf über nationale oder internationale Marktplätze.
Für ein gelungenes Einkaufserlebnis
Der Prozess der Digitalisierung eines Geschäftsmodells und der Eintritt in den Onlinehandel darf nicht als abgeschlossen angesehen werden, wenn ein digitaler Absatzweg angeboten wird und anhand ausgewählter Online-Marketingmaßnahmen versucht wird, Nutzer auf den Onlineshop und die eigene Marke aufmerksam zu machen. Einer der wichtigsten Faktoren im digitalen Handel ist eine entsprechende Usability eines Onlineshops, denn der reine Onlineauftritt trägt nicht zum Unternehmenserfolg bei, wenn die User Experience und Usability nicht Schritt für Schritt kundenfreundlich gestaltet und stetig optimiert wird. Um Nutzer auch in der digitalen Welt ein optimales Einkaufserlebnis anbieten zu können, gilt es, hierfür wichtige Punkte zu beachten. Wichtig ist es, dass ein Onlineshop den Nutzern eine stimmige Onlineshop-Experience ermöglicht und der Einkauf ohne Probleme zu erledigen ist. Denn in der digitalen Welt reicht oftmals schon ein kleiner Fehler im Onlineshop, der Nutzer dazu bringt, den Einkauf abzubrechen und das gewünschte Produkt auf eine andere Art und Weise zu beziehen. Mit Hilfe der Durchführung von Usability Tests haben Unternehmen die Möglichkeit, Kundenerwartungen, -meinungen und -einstellungen im Umgang mit Onlineeinkäufen und dem damit verbunden Erlebnis zu erheben. Eine Befragung österreichischer KMUs aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 60 % der Befragten die Möglichkeit der Neukundengewinnung als große Chance im Zuge der Digitalisierung sehen. Daher sollte es das Ziel sein, dieses Potenzial bestmöglich zu nutzen und gegenwärtigen und potenziellen Kunden eine Stimme zu geben.
Die Nähe zum Unternehmen spielt wichtige Rolle
Im Zuge einer eigens durchgeführten Studie in Form von Usability Tests hat sich abgezeichnet, dass die Nähe zum Unternehmen einen wesentlichen Faktor für die Kaufentscheidung darstellt. Im Rahmen der Datenerhebung wurden zwei Absatzwege eines österreichischen Kleinunternehmens in den Vergleich gestellt haben, um herauszufinden, wo seitens der Nutzer die wesentlichen Unterschiede zwischen den Absatzwegen liegen und welcher Absatzweg aus welchen Gründen für einen Einkauf bevorzugt wird. Gegenübergestellt wurden der unternehmenseigene Onlineshop und ein österreichischer Marktplatz, der ebenfalls die Produkte des ausgewählten Unternehmens vertreibt. Anhand Usability Tests ist es möglich, einen gesamten Kaufprozess zu analysieren oder sich auf Teilbereiche im Onlineshop zu spezialisieren, dies sollte je nach Zielvorhaben festgelegt werden. Die Teilnehmer haben sich im Zuge der durchgeführten Studie durch den gesamten Onlineshop bewegt, angefangen bei der Startseite über Kategorien, Produktdetailseiten, den Warenkorb und den Checkout-Prozess. Damit wurde sichergestellt, dass alle wesentlichen Bereiche eines Onlineshops ins Testing miteinbezogen wurden.
Die Auswertung hat gezeigt, dass alle befragten Teilnehmer einen Einkauf über den unternehmenseigenen Onlineshop gegenüber dem Marktplatz vorziehen, was auch begründet wurde. Zwischen den Absatzwegen gab es beispielsweise Unterschiede im Preis. Das Produkt hat im unternehmenseigenen Onlineshop rund zwei Euro weniger gekostet als am Marktplatz. Das ist mehr als der Hälfte der Personen, die an den Usability Test teilgenommen haben, aufgefallen. Aus diesem Grund haben sie angegeben, bei einem weiteren Einkauf direkt über den Onlineshop des Unternehmens einzukaufen. Als weiterer Grund für die Entscheidung, einen Wiedereinkauf direkt über den unternehmenseigenen Onlineshop zu tätigen wurde allerdings auch angegeben, dass die Website bzw. der Onlineshop des Unternehmens besser gefallen hat.
Für mehr als die Hälfte der Teilnehmer war es zudem ausschlaggebend, dass die Bestellung direkt beim Unternehmen selbst erfolgt. Dies zeigt, dass die Nähe zum Unternehmen eine sehr große Rolle spielt und auf Grund der steigenden Nachfrage nach Regionalität beim Einkaufen auch in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit immer wichtiger wird. Ebenso spielt die gesamte Darstellung des Onlineshops eine wichtige Rolle und kann daher einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, ob es zu einem Kaufabschluss kommt oder nicht.
Onlinehandel ist kein Selbstläufer
Ein strukturierter und auf eine Produktleistung fokussierter Onlineshop dient dazu, einen klarer Ersteindruck zu vermitteln und daher das Wohlbefinden zu fördern, dort einen Kauf abzuschließen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, in einen Onlineshop Zeit und Fleiß zu stecken, da sich diese Komponenten schnell in der Conversion-Rate widerspiegeln können. Die generelle Möglichkeit, ein und dieselben Produkte über verschiedene Absatzwege kaufen zu können, wurde als gut befunden, was die Wichtigkeit zeigt, dass es sich für Onlinehändler lohnt, einen Mix verschiedener Absatzwege in Betracht zu ziehen.
Angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre wird das Thema Digitalisierung in den nächsten Jahren weiterhin sehr stark an Bedeutung gewinnen. Um Kundenbedürfnisse weiterhin zufrieden stellen zu können, wird es für Onlinehändler wesentlich sein, zu versuchen, die stetigen Neuerungen, die damit einhergehen, bestmöglich für das eigene Unternehmen einzusetzen und den Onlinehandel nicht als „Selbstläufer“ wahrzunehmen. Dazu zählt auch, dass die Kundensicht nie außer Acht gelassen werden sollte, um langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen. Nicht zuletzt aufgrund der Ausnahmesituation auf Grund von COVID-19 ist klar erkennbar, welchen hohen Stellenwert die Schritte in die digitale Welt auch für Unternehmen in Österreich darstellen. Hier konnten sich jene Unternehmen einen Vorteil sichern, die sich, basierend auf einer geeigneten Produktpalette, rasch an die für neuen Verhältnisse anpassen konnten. Es ist als wahrscheinlich anzusehen, dass viele dieser Unternehmen auch zukünftig den digitalen Weg weiter beschreiten werden. Es wird auch hier angeraten sein, anhand von Evaluierungen dieser Onlineshops möglichst rasch die Einkaufsprozesse, falls vorhanden auch auf verschiedenen digitalen Absatzwegen, zu analysieren und zu optimieren.
Autoren
Isabel Lang, BA MSc hat den Masterlehrgang „Digital Marketing“ an der Fachhochschule St. Pölten im Juli 2020 mit Auszeichnung abgeschlossen. Seit Juli 2019 ist sie als Head of Marketing bei A-COMMERCE tätig.
FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner ist Leiter des berufsbegleitenden Masterlehrgangs „Digital Marketing“ der Fachhochschule St. Pölten. Mehr Infos dazu unter: https://www.fhstp.ac.at/de/studium-weiterbildung/digital-business-innovation/digital-marketing