Ein alarmierendes Stimmungsbild kommt aus Österreichs größter Arbeitgeberbranche, dem Gewerbe und Handwerk. Die jüngste Konjunktur-Umfrage von KMU Forschung Austria zeigt nämlich, dass die Stimmung fürs vierte Quartal ins Negative gekippt ist. Vor allem die „extrem hohen Energiekosten zieht vielen den Boden weg“, so Obfrau Renate Scheichelbauer-Schuster.
Schon im ersten Halbjahr 2022 gingen die Umsätze bzw. Auftragseingänge mengenmäßig (real) um 4 Prozent zurück. Von einer Erholung von der Corona-Pandemie kann nun keine Rede mehr sein: Für das vierte Quartal 2022 dominiert bereits Pessimismus.
Kurve im Gewerbe und Handwerk zeigt nach unten
„Die Kurve zeigt deutlich nach unten – bei den konsumnahen Branchen ebenso wie bei jenen, die den Baubereich umfassen. Besonders pessimistisch sind derzeit neben dem Baugewerbe das Bauhilfsgewerbe, die Fahrzeugtechnik und der Holzbau eingestellt“, sagt Christina Enichlmair von KMU Forschung Austria. Für das vierte Quartal erwarten jetzt nur noch 22 Prozent der befragten Unternehmen eine positive Geschäftsentwicklung, der Saldo ist negativ.
In den konsumnahen Branchen steckt die Umsatzentwicklung nach Corona weiterhin im negativen Bereich fest: Im dritten Quartal 2022 konnten nur 20 Prozent der Betriebe ihre Umsätze steigern. Für 32 Prozent gab es Rückgänge, bei 48 Prozent stagnierten die Zahlen. Stagnierende Umsätze bedeuten bei der hohen Inflationsrate für diese Unternehmen reale Umsatzverluste. Somit verzeichnen in Summe 80 Prozent der Gewerbe- und Handwerksbetriebe reale Umsatzverluste.
Spielball der Energiemärkte
Ungewöhnlich einheitliche Kommentare in der aktuellen Umfrage verdeutlichen das hohe Ausmaß an Verunsicherung und Verzweiflung. Den überwiegend klein- und mittelständischen Unternehmen im Gewerbe und Handwerk fehlt momentan jede Planbarkeit: Wie hoch wird die Energierechnung 2023 ausfallen? Bekomme ich noch Material; und wenn ja, zu welchem Preis? Was bedeuten die Lohnverhandlungen für meine Personalkosten?
„Das beherrschende Gefühl ist Machtlosigkeit. Die hohen Energiekosten ziehen vielen Betrieben den Boden weg“, sagte Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ: „Unternehmer:innen wollen Herausforderungen aktiv in Angriff nehmen. Jetzt fühlen sie sich wie ein Spielball von Entwicklungen, die sie selbst nicht in der Hand haben.“
Sorge wegen Betriebsschließungen
Viele Betriebe kalkulieren bereits, ab wann sie den Betrieb schließen müssen, um nicht dauerhaft in die Verlustzone zu rutschen oder sogar zahlungsunfähig zu werden. „Wir machen uns große Sorgen, dass viele still und ohne großes Aufsehen zusperren. Und einmal weg heißt: für immer weg“, so Scheichelbauer-Schuster.
„Der jüngst angekündigte Energiekostenzuschuss ist eine wichtige Unterstützung, aber er kann nur ein erster Schritt sein. Weitere Schritte zur Unterstützung der Betriebe sind unbedingt notwendig“, ergänzte Reinhard Kainz, Geschäftsführer der WKÖ-Sparte Gewerbe und Handwerk. Er wies darauf hin, dass bestenfalls ein Drittel der faktischen Mehrkosten kompensiert werde und der Geltungszeitraum bisher nur den Zeitraum bis September 2022 abdecke. In vielen Betrieben sei die finanzielle Decke nach der Corona-Pandemie aber zu dünn, um die Kosten selbst zu stemmen. Dass sie diese nicht einfach weiterverrechnen können, ist auch an steigenden Insolvenzzahlen zu erkennen.
„Wir brauchen europäische Notfallinstrumente, die die Strom- und Gaspreise dauerhaft runterbringen und unternehmerisches Handeln in Europa wieder möglich machen“, forderte Scheichelbauer-Schuster. Zur Sicherung der Liquidität in den Unternehmen wären mit einem dauerhaften Verlustrücktrag und staatlich besicherten Kreditgarantien Instrumente verfügbar, die sich schon in der Corona-Pandemie bewährt hätten – ebenso wie die Kurzarbeit.
Zudem appelliert Scheichelbauer-Schuster an die öffentliche Hand, die Krise nicht durch das Zurückhalten von Investitionen weiter zu verschärfen, sondern im Gegenteil gerade jetzt vermehrt Aufträge zu vergeben. „Wir haben im Gewerbe und Handwerk eine besonders enge Bindung zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In Zeiten des Arbeitskräftemangels hat es für uns allerhöchste Priorität, unser Personal im Betrieb halten zu können“, so Scheichelbauer-Schuster.
Die detaillierten Ergebnisse finden Sie unter: https://news.wko.at/news/oesterreich/20221004_Konjunkturbeobachtung_3Qu2022_BSGH.pdf