Von stark gestiegenen Material-, Energie- und Personalkosten bis hin zum Arbeitskräftemangel: Der aktuelle Belastungsmix stellt die rund 240.000 überwiegend klein- und mittelständischen Betriebe im Gewerbe und Handwerk vor nie dagewesene Probleme. Wie existenzgefährdend diese sind, zeigt eine Sonderauswertung der Bilanzdatenbank, die KMU Forschung Austria für die Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) vorgenommen hat.
Energieintensive Branchen sind demnach besonders betroffen: So hatten etwa die Bäcker (als Gesamtbranche) in den Jahren 2016 bis 2020 noch durchschnittlich Gewinne von 2,52 Prozent der Betriebsleistung erzielt. Bei einer Steigerung der Energiekosten um 200 Prozent wird daraus ein satter Verlust von minus 3,25 Prozent. Noch dramatischer ist das Bild beispielsweise bei Textilreinigern, Wäschern und Färbern: Hier kehrt sich ein schmales Plus von 1,61 Prozent durch die Energiekosten-Explosion in ein Minus von 8,06 Prozent um.
„Die Energiekosten sind ein gravierendes Problem, aber nicht das einzige. Unsere Betriebe sind mit einem Gesamt-Belastungspaket aus Liefer- und Materialengpässen, extremen Preissteigerungen von Vormaterialien sowie aus Personalmangel und schwächelnder Nachfrage konfrontiert“, sagt Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk. „Nach drei Jahren im Dauerkrisenmodus wird das vielen endgültig zu viel. Sie sind finanziell wie emotional bis zum Letzten gefordert.“
Noch nicht auf Vor-Corona-Niveau
Laut Daten von KMU Forschung Austria konnte das Gewerbe und Handwerk in Österreich die Einbußen der Corona-Jahre auch 2022 nicht wettmachen: Nominell (inklusive Preissteigerungen) fehlten bei den Umsätzen noch 0,4 Prozent; mengenmäßig (bereinigt um Preissteigerungen) beträgt die Lücke auf Vor-Pandemie-Niveau mehr als 15 Prozent.
Die Hoffnung auf baldige Erholung ist jedenfalls weg: Wie sehr sich die Stimmung zu Jahresbeginn eingetrübt hat, zeigt die vierteljährliche Konjunkturumfrage, deren Ergebnisse am Donnerstag präsentiert wurden. Demnach starten nur 13 Prozent der befragten Betriebe mit positiven Erwartungen in das erste Quartal 2023. 36 Prozent rechnen mit geringeren Auftragseingängen oder Umsätzen. Der Saldo (minus 23 Prozentpunkte) fällt damit ähnlich schlecht aus wie zu den Tiefpunkten der Corona-Pandemie Ende 2020 bzw. Anfang 2021. Die investitionsgüternahen Branchen sind jetzt sogar noch pessimistischer als die konsumnahen Bereiche.
Im Holzbau erwarten nur zwei Prozent der Unternehmen Steigerungen, aber 55 Prozent Rückgänge. Im Baugewerbe sind vier Prozent zuversichtlich, 46 Prozent rechnen mit einem Minus.
Konjunkturlokomotive rollt aus
„Unsere große Sorge ist, dass die Konjunkturlokomotive, das Bau- und baunahe Gewerbe, zum Stillstand kommt, worunter in der Folge sehr viele Bereiche leiden würden. Wir sehen einen starken Einbruch, besonders im privaten Wohnbau. Steigende Kosten und rückläufige Aufträge, das ist eine letale Kombination“, sagt Spartenobfrau Scheichelbauer-Schuster.
Die konsumnahen Bereiche leiden darunter, dass viele Kund*innen sparen und sich durch die Pandemie das Konsumverhalten geändert hat. Sie kamen Ende 2022 nicht aus dem Minus heraus. Mindestens 80 Prozent der Unternehmen verzeichneten im vierten Quartal reale Umsatzverluste. Die kurz vor Weihnachten erfolgte Ankündigung, dass der Energiekostenzuschuss 2023 ausgeweitet wird, hat den Betrieben in dieser kritischen Situation Planungssicherheit gebracht.
„Diese Abfederung der eklatanten Mehrkosten war absolut notwendig, um das Vertrauen zurückzubringen, dass es für die Betriebe dieses Jahr weitergehen kann. Jetzt hoffen wir auf eine möglichst rasche und unbürokratische Abwicklung. Damit ist es aber nicht getan: Wir brauchen jetzt offensive Maßnahmen, damit die Unternehmen investitionsfähig sind und sich das Erwartungstief nicht zur Abwärtsspirale und tatsächlichen Rezession auswächst“, so Scheichelbauer-Schuster.
Mehr Liquidität und Investitionen
„Die Investitionsprämie war in der Corona-Krise das richtige Mittel zur richtigen Zeit. Viele Unternehmen haben aber wegen der mittlerweile entstandenen Materialengpässe und aufgrund von Personalmangel Probleme, die knappen Fertigstellungsfristen für beantragte Projekte einzuhalten. Eine simple Verlängerung um ein Jahr wäre ohne Aufwand möglich“, sagt Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Sparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ.
Seitens der Wirtschaft gebe es noch zahlreiche Vorschläge, wie die Liquidität der Unternehmen gestützt und neue Investitionen angestoßen werden könnten, so Kainz: „Ein attraktiver gestalteter Investitionsfreibetrag, bis Ende 2023 ausgedehnte Garantien für Betriebsmittelkredite und der Verlustrücktrag auf Dauer wären solche zusätzlichen Maßnahmen, die den Betrieben wichtigen Bewegungsspielraum zurückgeben würden, der ihnen durch die Kostenklemme genommen wurde.“