Die Entscheidungen entlang der Customer Journey sind meistens mit unvollständigen Informationen und wenig Zeit verbunden. In Abhängigkeit von Parametern wie der Wertigkeit oder Sicherheit gibt es ein abgestuftes Involvement beim Recherchieren und Agieren. Die Psychologie hat einige bewährte Regeln zum Vereinfachen von Entscheidungen kategorisiert, diese können im E-Commerce bewusst eingesetzt werden.
Dieser Artikel wurde am Ende der Ski-Weltcup Saison verfasst, das Finale mit den letzten Entscheidungen war als Test für die nächstjährige Weltmeisterschaft in Saalbach Hinterglemm. Es gab einige herausragende Stars, wobei die Schweizer Eidgenossen besonders viele Pokale abräumten. Als überragender Skifahrer der Gegenwart gilt Marco Odermatt, der vom Riesenslalom kommend nun auch regelmäßig Siege in den Speed-Disziplinen feiert.
Neben seinem außergewöhnlichen Talent bzw. konsequentem Training rund um Skifahren und Kraft wird ihm die schnellste Linie mit möglichst ins Tal gerichteten Skiern nachgesagt. Er hat die Abläufe beim Schwungabsatz und in der Kurve im Zeitablauf optimiert, begleitet von hohem Siegeswillen und ausgeprägter Körperbalance. Dieses Gefühl und die Balance wurden auch unserem letzten Ski-Hero Marcel Hirscher nachgesagt: aufgewachsen auf der idylischen Stuhlalm in Salzburg, lernte er von Kindesbeinen Wellen am unebenen Almboden auszugleichen.
Diese Fähigkeiten, beim Skifahren die richtigen Abläufe ohne viel Nachdenken abrufen zu können, erleichtern die Performance. Doch diese „automatisierten“ Entscheidungen – geleitet von bewährten Regeln und positiven Erfahrungen in der Vergangenheit – prägen unser aller Leben. Einerseits haben wir bestimmte Verhaltensmuster durch Wiederholung gelernt, andererseits beeinflussen auch menschliche Grundprinzipien die Entscheidungen. Die Psychologie beschäftigt sich mit diesem Themenfeld, ein Teilgebiet sind die sogenannten „Entscheidungsheuristiken“. Nachfolgend werden diese mit der E-Commerce Vermarktung verbunden.
Das Vereinfachen von Entscheidungen
In der Psychologie bezeichnet man die – oft unterbewussten – Ansätze zum Vereinfachen vom Entscheidungsprozess für eine raschere Lösung eines Problems als „Entscheidungsheuristiken“. Das in diesem Zusammenhang verwendete Wort „Heuristik“ (abgeleitet vom altgriechischen „heurísko“ (ich finde) bzw. „heurískein“ (auffinden, entdecken) als Wortstamm) drückt das Finden von Lösungen aus: verbunden mit Entscheidungen, bei denen es in der Regel unvollständige Informationen oder einschränkte Zeitressourcen gibt.
Diese Situation mit begrenztem Wissen und wenig Zeit ist vergleichbar mit Kaufentscheidungen von Interessierten. Als E-Commerce Vermarkter setzen wir Impulse zum Ansprechen der Zielgruppe, wir möchten sie zum Beispiel über Suchmaschinenwerbung oder Instagram Ads zu unserem Online-Shop bringen. Bereits in dieser Phase treffen die avisierten Kunden erste Entscheidungen zwischen alternativen Angeboten, welche von der Suchmaschine angezeigt wurden.
Noch mehr Entscheidungen gibt es dann im Online-Shop: zwischen Marken, Ausstattungsvarianten oder Modellen mit unterschiedlichen Preisen. Was hilft den Konsumenten beim Entscheiden? Bzw. wie kann der E-Commerce Betreiber Entscheidungen positiv – in die eigene Richtung – beeinflussen?
Verknappung als Impuls für die Entscheidung
Knappe Ressourcen sind die Triebfeder der Wirtschaft. Der Umstand begrenzter Möglichkeiten führt dazu, dass man Entscheidungen zum richtigen Einsatz der verfügbaren Mittel trifft. Man plant das Personal, kalkuliert das Budget und erstellt einen Zeitplan. Dieser Rahmen ist die Grundlage der „Verknappungsheuristik“.
Die Angabe einer limitierten Menge macht die Ware begehrenswert. Eine „Limited Edition“ gibt es nur begrenzt für eine bestimmte Auflage, diese Restriktion soll mögliche Käufer zum Zugreifen bewegen. Die Hotel-Buchungsplattform Booking.com ist der „Weltmeister“ der Mengenlimitierung: wir kennen die Angabe der noch verfügbaren Zimmer in der ersehnten Tourismus-Destination. Die zweite Limitierung kann sich auf den Zeitraum beziehen, in dem ein bestimmter Artikel verfügbar oder attraktiver Preis gültig ist.
Tipp: Setzen Sie in der Kommunikation im Online-Shop – oder auch im persönlichen Verkaufsgespräch – auf Verknappung. Das erhöht die Sehnsucht.
Einen Anker zum Vergleichen setzen
Die beiden Psychologen Kahnemann und Tversky haben wiederholt Versuche zum Einsatz von einem Anker gemacht. Die Ableitung aus den Forschungsergebnissen ist, dass die Angabe einer Zahl die Orientierung bzw. der „Anker“ für den Vergleich einer anderen Zahl ist. Dieser Ansatz wird als „Ankerheuristik“ oder Ankereffekt bezeichnet.
Versetzen Sie sich in ein Verkaufsgespräch: das Gespräch führt nach dem Eingehen auf den Bedarf des möglichen Kunden und den davon abgeleiteten möglichen Lösungen zum Preis. Das sofortige Anbieten der kostengünstigen Lösung macht jede Alternative automatisch teuer, denn man vergleicht mit diesem Referenzpreis. Taktisch geschickter ist ein Angebot mit einem angemessen hohen Preis, eine als mögliche Alternative zu einem noch immer vernünftigen Preis lässt sich mit dieser Referenz als vergleichsweise attraktiv verkaufen.
Tipp: Dieses Prinzip des Ankers lässt sich auch auf den Online-Shop umlegen, ein Aktionspreis wird durch die Angabe des bisherigen Vergleichspreises noch attraktiver.
Kontinuierlich im Kopf behalten werden
Thomas Saliger, Marketingleiter und Pressesprecher von XXXLutz, wurde im vergangenen Herbst für sein Lebenswerk beim „Marketing Leader Award“ ausgezeichnet. Der Erfolg hat verschiedene Gründe, das Erfinden der „Familie Putz“ (zu der es polarisierende Positionen gibt) gehört sicher dazu. Auch das „XXXL“ gilt als geschickter Schachzug, um die große Auswahl und intern den hohen Anspruch an Engagement in Richtung Kundinnen und Kunden auszudrücken.
Bei einem exklusiven Gespräch im Rahmen eines Clubabends das Marketing Club Österreich hat er im März Mosaiksteine des Erfolgs hervorgehoben. Zu den wesentlichen Faktoren zählte er die Emotionalisierung durch Geschichten (im modernen Marketing als „Storytelling“ bezeichnet) und die Kontinuität. Diese Kontinuität unterstützt die „Verfügbarkeitsheuristik“. Dieser Ansatz bezieht sich auf die geringe Bereitschaft der Konsumenten, sich im Detail mit Alternativen beschäftigen zu wollen. Man neigt dazu, sich mit einem geringen geistigen Aufwand für die im Kopf verfügbaren Marken oder Produkte zu entscheiden.
Tipp: Investieren Sie die Zeit in regelmäßige Newsletter und Postings auf den Social Media Kanälen wie Facebook oder Instagram. Das sind die regelmäßigen, kontinuierlichen Anstöße für Erinnerung im Kopf.
Zusammenfassend: Die möglichen Kunden treffen viele Entscheidungen in den unterschiedlichen Phasen der Customer Journey nach einfachen Prinzipien. Die Erkenntnisse der Psychologie liefern hilfreiche Ansätze zum Verständnis in der Vermarktung. Verknappung für Begehrlichkeit, ein Anker zur Orientierung und kontinuierliche Impulse für gedankliche Verfügbarkeit gehören zu den bewährten Regeln.
FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner
UPGROW Marketing Consulting
Leiter des berufsbegleitenden Masterlehrgangs „Digital Marketing“ der Fachhochschule St. Pölten
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