Mit der seit Jahresanfang gültigen Elektrotechnik-Ausbildungsverordnung wurde der Modul-Lehrberuf Elektrotechnik den neuesten technologischen Anforderungen angepasst. Das neue Berufsbild wird österreichweit gleich sein.
Viel hat sich nicht geändert könnten manche auf den ersten Blick sagen: Grundmodul, vier Hauptmodule und wer Lust auf mehr hat, kann sich in Spezialmodulen tiefergehend ausbilden lassen. „Das stimmt nicht, es hat sich gewaltig viel getan“, klären Bernhard Pabinger und Wolfgang Reiter vom Arbeitsausschuss Aus- und Weiterbildung der Bundesinnung im ELEKTRO|branche-Gespräch auf. „PV-Anlagen, Ladestationen, Batteriespeicher, Robotik, digitale Medien wie Tablets, Smartphones und vieles andere mehr wurden ins erneuerte Lehrbild eingebracht. Da wurde den neuen Technologien entsprechend gewaltig aufgerüstet.“
Dieser Umstand spiegelt sich auch in den Modulen wider, die nun anders gegliedert sind als im alten Lehrberuf Elektrotechnik. Eine Übersicht dazu bieten die Grafiken, für genauere Inhalte muss man dann leider schon den Gesetzestext lesen (BGBl. II Nr. 386/2023).
Das alte Berufsbild war – wie man so schön sagt – der „typische Elektriker“ mit Stemmen, Kabelziehen und ein bisschen Steuerung programmieren. Das Neue beinhaltet auch innovative Technologie und Digitalisierung. Allein die reine Seitenzahl der Verordnungen (alt: 19 / neu: 43) zeigt, dass da viel dazu gekommen ist. Das könnte vielleicht auch ein zusätzlicher Anreiz für Mädchen diesen vielfältigen Zukunftsberuf zu ergreifen.
Elektrotechnik als Musterberuf für NQR
Treibende Kraft hinter den Anpassungen an die Anforderungen durch neue Technologien und Themen war und ist BIM Christian Bräuer: „Mit der neuen Verordnung wurde in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium ein moderner Lehrberuf mit Perspektiven entwickelt, der auch dem Nationalen Qualifikationsrahmen NQR entspricht.“ Das beginnt beim Einchecken in die Arbeitswelt (NQR3), geht weiter mit Level 4 bei erfolgreicher Lehrabschlussprüfung. NQR5 wird für Absolventen der Spezialmodule als äußerst qualifizierte Fachkräfte gelten. Im Level 6 ist auf Bachelor-Niveau die Befähigungsprüfung und Absolventen der Lehre mit Matura können mit dem Master of Science (MSc) sogar NQR7 erreichen.
Unser Beruf kann als erster Beruf überhaupt einen konsistenten Weg vom Beginn der Lehre bis ganz nach oben sicherstellen. Das war ein wichtiger Schritt, der dank Ministerium, WKO und meinen unermüdlichen Innungs-Kollegen erreicht wurde.
Christian Bräuer
Ziel des NQR ist vordringlich die Schaffung von Transparenz und Vergleichbarkeit nach dem Prinzip der „Gleichwertigkeit aber nicht Gleichartigkeit“ zwischen Bildungsabschlüssen („Qualifikationen“) im nationalen und vor allem auch europäischen Kontext. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich in welcher Bildungseinrichtung ein Abschluss erworben wurde. Maßgeblich für die Einstufung in acht Level sind die Lernergebnisse, die durch eine Qualifikation zertifiziert werden. Abhängig vom konkreten Profil einer Qualifikation können sich diese Lernergebnisse auf eine wissenschaftliche Disziplin, ein Studienfach oder auf einen konkreten Beruf bzw. ein Berufsfeld beziehen.
Wissen, wo es hingehen soll
„Elektrotechniker ist und bleibt ein sehr vielseitiger Beruf. Da ist die ganze Ausbildung nur eine Grundlage für zukünftige Tätigkeiten“, betont Pabinger. In den ersten zwei Jahren im Grundmodul gibt es eine Basisausbildung, die gegenüber dem alten Lehrplan bereits verändert ist. So kamen ansatzweise die Themen Digitalisierung und Steuerung hinzu, bei Installationsschaltungen mit einem Hauch von Smart Home.
Bei den Hauptmodulen (Lehrzeit 1,5 Jahre) trifft der Lehrling dann eine erste Entscheidung über seine Zukunft, aber auch der Lehrbetrieb muss wissen, wo er seine Lehrlinge einordnet – in Elektro- und Gebäudetechnik (H1), Energietechnik (H2), Anlagen- und Betriebstechnik (H3) oder Automatisierungs- und Prozessleittechnik (H4). Wolfgang Reiter: „H4 beinhaltet auch das Thema Robotik, das es vorher nicht gab.“
Welcher Bereich angeboten wird, hat nichts mit der Größe des Unternehmens zu tun. Die Befähigungsprüfung erlaubt einem Lehrherrn jedenfalls, alle Hauptmodule anzubieten, ein Lehrling darf jedoch nur eines bzw. zwei auswählen.
Spezialmodul vertieft das Wissen
Nach Abschluss eines Hauptmoduls können sich Lehrlinge spezialisieren. Vier Module – Smart Home (S1), Gebäudetechnik (S2), Erneuerbare Energien und Elektromobilität (S3) sowie Netzwerktechnik (S4) – sind für typische Elektroinstallationstechniker wählbar. Sechs weitere betreffen nur die Eisenbahnelektrotechnik.
Gegenüber dem alten Lehrberuf wurden die Spezialmodule modernen Anforderungen angepasst.
S1 beinhaltet die gesamte digitale Gebäudesystemtechnik, das Modul Gebäudetechnik (S2) beinhaltet jetzt auch die Errichtung, Programmierung, Prüfung, Dokumentation und Inbetriebnahme von Anlagen der Gebäudesystemtechnik, insbesondere für Klima-, Heizungs- und Lüftungsanlagen. Man muss sich übrigens nicht sofort entscheiden, ob bzw. welches Spezialmodul angestrebt wird. Allerdings können auch nicht alle Haupt- und Spezialmodule wahllos kombiniert werden.
Gewaltige Aufgabe für Berufsschulen und WIFI
Die viel umfangreicheren Inhalte des neuen Lehrberufs setzen Berufsschulen und WIFI jetzt gehörig unter Druck und bringen auch Veränderungen bei der Lehrabschlussprüfung (LAP) mit sich. Um dem NQR zu entsprechen, arbeitet die Bundesinnung bei der Erstellung der Prüfungsfragen und -aufgaben mit dem Institut der Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW) zusammen. „Die Prüfung wird garantiert schwieriger“, betont Reiter, der zudem darauf hinweist, dass es künftig einen österreichweit einheitlichen Fragenkatalog geben wird. „Ohne Vorbereitungskurs wird man die LAP nicht schaffen.“
Was zur Prüfung auch notwendig sein wird, sind gute Deutschkenntnisse, denn die LAP wird künftig viele Textaufgaben enthalten, die der Prüfling sinnerfassend lesen können muss. Auch wenn vielleicht das Niveau der Schulbildung schwächelt, „… bei uns wird das Niveau der Ausbildung höher – aber das muss so sein. In diesem Beruf mit innovativen Technologien geht es nicht anders“, gibt Reiter zu bedenken.
Eine Situation, die auch Berufsschulen und WIFIs herausfordert, müssen doch viele Labors an die gestiegenen Anforderungen – etwa bei Photovoltaik, Energietechnik oder Robotik – angepasst und möglicherweise erneuert werden. So wird beispielsweise auch bei Schutzmaßnahmen mehr in die Tiefe gegangen – auch bei den Prüfungen. Dazu hat die Bundesinnung auch Prüfverteiler entwickelt. Derzeit werden vom Ausschuss Aus- und Weiterbildung österreichweit Info-Gespräche mit Berufsschulen und WIFIs geführt, um rechtzeitig aufzurüsten bzw. die dafür notwendigen Budgets beim Land anzufordern.
Neuer Lehrberuf ab sofort, neue LAP ab Anfang 2025
Alle neuen Elektrotechnik-Lehrlinge müssen seit dem 1. Jänner 2024 nach der neuen Ausbildungsverordnung BGBl. II Nr. 386/2023 ausgebildet werden. Ausbildungen nach dem alten Berufsbild (Elektrotechnik-Ausbildungsordnung BGBl. II Nr. 195/2010, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 148/2018) können bis zum Ende der vereinbarten Lehrzeit (ohne Lehrzeitunterbrechung) weitergeführt werden. Lehrlinge, die gemäß dieser Verordnung ausgebildet werden und deren vereinbarte Lehrzeit vor dem 1. Jänner 2025 endet, können bis ein Jahr nach Ablauf der vereinbarten Lehrzeit zur Lehrabschlussprüfung nach dem alten Berufsbild antreten.
Die Ausbildung von Lehrlingen in einem Spezialmodul gemäß der neuen Verordnung ist frühestens ab dem 1. September 2026 möglich. Lehrlinge, die zu Beginn ihrer Lehrzeit gemäß der Elektrotechnik-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 195/2010, in der Fassung BGBl. II Nr. 148/2018 ausgebildet wurden oder gemäß dieser Verordnung ausgebildet werden und deren Ausbildungszeit in Grund- und Hauptmodul vor dem 1. September 2026 endet, können in einem Spezialmodul gemäß der Elektrotechnik-Ausbildungsordnung BGBl. II Nr. 195/2010 in der Fassung BGBl. II Nr. 148/2018 ausgebildet werden.
Großer Zuspruch bei der Jugend
„Elektrotechnik ist ein herausfordernder, hochwertiger Beruf, bei dem man gutes Geld verdienen und der dank der neuen Ausbildung auch ein Sprungbrett für vielseitige Tätigkeiten sein“, weist Pabinger darauf hin, welche Möglichkeiten Absolventen zukünftig offenstehen. BIM Christian Bräuer hatte ja schon auf den e-Players aufgezeigt, dass der Lehrberuf Elektrotechnik mittlerweile auf Platz 1 bei den Jugendlichen steht. Derzeit werden rund 8.000 ausgebildet, benötigt werden jedoch noch viel mehr. „Wir benötigen Arbeitskräfte, die bei den innovativen Themen mehr als nur Kernkompetenzen mitbringen“, zeigt Bräuer auf, warum man das Berufsbild überarbeitet hat.
Es muss nicht nur quantitativ passen, viel wesentlicher ist eine qualitativ hochwertige Ausbildung. Die Arbeitskräfte, die wir benötigen, sind absolute Spezialisten, die die Herausforderungen der nächsten Jahre lösen müssen.
Christian Bräuer