Seit Beginn des Jahres 2022 sind die Regeln zur Gewährleistung NEU in Kraft. Im Gegensatz zu früher sind diese nun deutlich konsumentenfreundlicher gestaltet. Mitte April informierte Rechtsanwalt Stefan Adametz in einem Webinar des Bundesgremiums über die wichtigsten Eckpunkte und die besonderen Feinheiten der Neuregelung. ELEKTRO|branche.at war für Sie dabei und fasst die wesentlichsten Aspekte für den Elektrohandel zusammen.
Rund 60 interessierte Zuhörerzählte das Branchen-Webinar des Bundesgremiums für den Elektro- und Einrichtungsfachhandel. Dass das Thema den Fachhandel bewegt, merkte man da nicht zuletzt daran, dass die anschließende Fragerunde fast länger dauerte als die eigentliche Präsentation des Juristen.
Überraschend ist das freilich nicht, bringt das neue Gewährleistungsrecht doch zahlreiche Neuerungen mit sich, die es in dieser Form bislang noch nicht gab – für Gesprächs- und Handlungsbedarf ist also ausreichend gesorgt.
Gewährleistung NEU bringt Stärkung der Konsumentenrechte
Die grundlegenden Eckpunkte der Gewährleistung NEU sind bzw. waren freilich schon länger bekannt. Das neue Gewährleistungsrecht, das auf die beiden EU-Richtlinien „Warenkauf 2019/771“ und „Digitale Inhalte 2019/770“ zurückgeht, bringt eine deutliche Stärkung der Konsumentenrechte und gleichzeitig eine weitgehende Harmonisierung der europäischen Bestimmungen. „Gott sei Dank“, so brachte es Adametz im Webinar auf den Punkt „hat der Gesetzgeber beim neuen Gewährleistungsrecht auf eine weitgehende Kontinuität geachtet. Das Grundprinzip des zweistufigen Verfahrens bleibt nämlich auch in der Gewährleistung NEU gleich, was sich allerdings geändert hat, ist der Zeitrahmen und die Mangeldefinition. Letztere wurde konkretisiert und sogar mit konkreten Beispielen hinterlegt.“
Verlängerte Fristen & Zeitrahmen
Vor allem der neue Zeitrahmen bzw. die damit einhergehende Fristverlängerung hat bereits im Vorfeld für zahlreiche Diskussionen über die Gewährleistung NEU gesorgt. So tritt die so genannte Beweislastumkehr im neuen Gewährleistungsrecht nun erst nach 12 Monaten in Kraft. Bislang ging man lediglich in den ersten sechs Monaten automatisch davon aus, dass der Mangel bereits beim Kauf der Ware vorhanden war. Waren die sechs Monate abgelaufen lag es dann am Kunden, zu beweisen, dass der Mangel schon von Anfang an vorhanden war. Jetzt muss der Kunde diesen Beweis erst nach 12 Monaten antreten.
Außerdem gibt es ab sofort auch eine dreimonatige „Verjährungsfrist“, in der ein Konsument einen in der Gewährleistungsfrist aufgetretenen Mangel quasi „nachmelden“ kann. Eher nebensächlich ist da schon die Tatsache, dass der Begriff der „Wandlung“ durch den Terminus „Vertragsauflösung“ ersetzt wurde.
Umfassendere Mangeldefinition
Ein Gewährleistungsfall liegt – laut Gewährleistung NEU – immer dann vor, wenn ein „Mangel“ vorliegt. Ein „Mangel“ bedeutet, dass die erbrachte Leistung nicht der vertraglichen Vereinbarung entspricht. Dabei ist es aber auch entscheidend, welche Leistungen oder Merkmal man bei solchen Kaufverträgen typischerweise erwarten kann bzw. ob die Ware den in diesen Fällen typischen Verwendungszwecken entspricht. Und mehr noch: Das Produkt muss jetzt auch dem intendierten, vom Kunden geäußerten Verwendungszweck entsprechen. Ein gutes Beispiel dafür: Sie verkaufen einem Kunden ein Klimagerät, das für einen 20m2 großen Raum gedacht ist. Der Kunde erzählt Ihnen, dass er das Gerät für sein 50 m2 großes Wohnzimmer braucht. Sobald Sie davon Kenntnis erhalten, müssen Sie den Kunden ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Klimagerät dafür unterdimensioniert ist. Diesen Hinweis müssen Sie sich vom Kunden beim Kauf auch schriftlich bestätigen lassen. Machen Sie das nicht, könnte daraus schnell ein Gewährleistungsfall werden.
Überhaupt lasse sich feststellen, so erklärte Adametz, dass „die Mangeldefinitionen bei der Gewährleistung NEU nun wesentlich umfassender sind“ – auch eine unsachgemäße Installation bzw. Montage stellen nun einen Mangel im Sinne der Gewährleistung dar.
Digitale Leistungen & Aktualisierungspflicht
Wenn Sie Waren verkaufen, die auch digitale Elemente enthalten (z.B. Smart TVs, Smart Watch, Smartphones, smarte Kühlschränke oder ein intelligentes Lichtsystem usw.), hat der Kunden nun auch hinsichtlich der digitalen Elemente des Produkts ein Recht auf Gewährleistung. Funktionieren digitale Elemente nicht, müssen Sie sich laut Gewährleistung NEU darum kümmern, dass das Nichtfunktionieren des digitalen Elements behoben wird.
War das digitale Element nicht Teil des Kaufvertrags (z.B. eine App, die erst nachträglich auf das Smartphone heruntergeladen wurde), ist der Verkäufer für das Nichtfunktionieren der App übrigens nicht verantwortlich. In diesem Sinne könnte auch die so genannte Aktualisierungspflicht für den Handel kritisch werden. Im Zweifelsfall muss nämlich der Händler dafür sorgen, dass der Endkunde ein Sicherheitsupdate für sein Smartphone oder Smart TV erhält.
Tipp:
Solche Aktualisierungsverpflichtungen können eingegrenzt werden, allerdings ist dafür ein eigenes Unterschriftsfeld im Vertrag notwendig. Ein Hinweis in den AGB könnte zu wenig sein!
Regressforderungen
Nicht geändert wurde die Tatsache, dass der Händler, der die Gewährleistungsansprüche des Kunden erfüllt, seine Ansprüche gegen seinen Vormann in der Kette der Lieferanten anmelden kann. Neu ist hier allerdings das „volle Regressrecht“. Demnach muss der Lieferant des Händlers sämtliche aus der Gewährleistungspflicht entstandenen Nachteile ersetzen. Das heißt: Auch Aus- und Einbaukosten müssen dem Händler ersetzt werden, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen. Dieses Rückgriffrecht kann zwar vertraglich zwischen Händler und Lieferant eingeschränkt werden, allerdings müssen diese Änderungen im Einzelnen ausgehandelt werden und keiner der Vertragspartner darf durch eine solche Einschränkung „gröblich benachteiligt“ werden.
Eine Aufzeichnung (sowie die Unterlagen) des kompletten Branchen-Webinars finden Sie unter www.wko.at/branchen/handel/elektroeinrichtungsfachhandel/gewaehrleistungelektroundeinrichtungsfachhandel.html
Bitte beachten:
Laut Stefan Adametz sollten sich Händler, die sich bisher noch nicht genauer mit der Gewährleistung NEU befasst haben, jetzt folgende Punkte beachten:
- AGB anpassen
- Mängel- und Übergabelisten überarbeiten
- Datenschutzerklärung überprüfen (Datenweiterleitung wegen Aktualisierungspflicht)
- Eigene Werbeaussagen überprüfen