Die brandneue 13. Ausgabe der bundesweiten „eCommerce Studie Österreich“ des Handelsverbandes in Kooperation mit der KMU Forschung Austria zeigt unerwartete Pandemie- und inflationsbedingte Veränderungen: ein neues Allzeit-Ausgabenhoch im Onlinehandel, einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen ökologischem Bewusstsein und Einkauf im ausländischen Distanzhandel, ein dynamisches Wachstum im Mobile Commerce sowie Stagnation bei Voice Commerce.
Online-Shopping wächst moderat um +8%
„Die österreichischen eCommerce-Ausgaben sind bis Ende April 2022 im Vorjahresvergleich um acht Prozent gewachsen und knacken damit erstmals die 10 Milliarden Euro Marke. Der relative Zuwachs hat sich allerdings zuletzt deutlich reduziert. Von den 10,4 Milliarden Euro Onlineumsatz entfallen bereits 2,4 Milliarden auf den Mobile Commerce – der rapide um 20 Prozent zulegen konnte“, kommentiert Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, die zentralen Ergebnisse der Studie.
„Vor allem das Smartphone-Shopping zeigt das geänderte Kaufverhalten und ist so beliebt wie nie zuvor. Die heimischen Webshops profitieren vom wachsenden Markt allerdings nur begrenzt, da mehr als jeder Zweite im Online-Ausland bestellt. Durch diesen milliardenschweren Kaufkraftabfluss finanzieren unsere Konsumentinnen und Konsumenten bis zu 30.000 Arbeitsplätze außerhalb Österreichs“, so Will. Immerhin sinkt die Auslandsabfluss-Quote im Vergleich zum Vorjahr minimal von 55% auf 54%.
Top-Warengruppen im Distanzhandel: Bekleidung, Elektro & Möbel
„2022 erledigen bereits 76% bzw. rund 5,8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher ihre Einkäufe im Distanzhandel. Die Top-Warengruppen sind heuer Bekleidung mit 2,1 Milliarden, Elektrogeräte mit 1,4 Milliarden und Möbel mit 0,9 Milliarden Euro Umsatz“, erklärt Studienleiter Wolfgang Ziniel, Senior Researcher bei der KMU Forschung Austria. Spannend: Die stärksten Ausgabenzuwächse verzeichnen 2022 die Sektoren Einrichtung mit +13%, Computer mit +9% sowie Elektronikgeräte mit +8%.
Retourenquote bei Bekleidung sinkt von 47% auf 43%
„Rund 14 Prozent der gesamten Einzelhandelsausgaben der österreichischen Privathaushalte fließen bereits in den Onlinehandel, ein neuer Höchstwert. Im Schnitt gibt jede Kundin und jeder Kunde [WZ1] bereits 1.930 Euro pro Jahr im Distanzhandel aus“, sagt Harald Gutschi, UNITO-Geschäftsführer sowie Vizepräsident des Handelsverbandes und Leiter der Plattform „eCommerce, Marktplätze & Versandhandel“.
Einen deutlichen Rückgang verzeichnet heuer die Retourenquote bei Bekleidung. 2021 retournierten noch 47% der Distanzhandelskäufer:innen zumindest einen Teil der bestellen Mode, 2022 sind es 43%. Auch bei Schuhen geht die Retourenquote von 30% auf 25% signifikant zurück.
„Die Gründe sinkender Retouren liegen in besseren Produktdaten und Beschreibungen, im nachhaltigeren Kundenverhalten, in schnellerer Lieferung und ehrlicheren Lieferinformationen, in der Digitalisierung aller Geschäftsprozesse inklusive Nutzung der App und im aktiven Auswahlprozess von Bestellungen vor dem Bildschirm“, ist Gutschi überzeugt.
Sprachassistenten bleiben ein Nischenprogramm
Der in den letzten Jahren medial gehypte Voice Commerce hat in Österreich hingegen weiterhin mit Schwierigkeiten zu kämpfen und konnte zuletzt kaum zulegen: „16 Prozent der heimischen Verbraucherinnen und Verbraucher nutzen internetbasierte persönliche Assistenten wie Amazon Echo oder Google Home. Allerdings verwenden nur 60.000 Menschen Alexa & Co. für Bestellungen im Onlinehandel“, so Wolfgang Ziniel.
Die Sprachassistenten bleiben beim tatsächlichen Kaufabschluss zwar ein Nischenprogramm, jedoch darf der Grad der Beeinflussung vor der Kaufentscheidung durch personalisierte Werbung und technisch immer versiertere Sprachassistenten im höchstpersönlichen Umfeld nicht unterschätzt werden.
Trend zu Regionalität & Ökologie auch beim Online-Einkauf
Umweltbewusstes, nachhaltiges Einkaufsverhalten wird auch im eCommerce immer mehr zum Thema. Die heimischen Online-Käufer:innen achten vor allem auf Regionalität und kurze Lieferwege, sie entscheiden sich bei zwei gleichwertigen Produkten für das umweltfreundlichere Angebot.
„Das ökologische Bewusstsein spiegelt sich zwar nicht in der Häufigkeit der Online-Einkäufe oder bei der Höhe der Ausgaben für Internet-Einkäufe wider, ist aber eindeutig bei den Shopping-Aktivitäten im Distanzhandel außerhalb Österreichs zu beobachten. Je wichtiger den Kundinnen und Kunden Regionalität und Nachhaltigkeit ist, desto weniger kaufen sie im ausländischen Onlinehandel ein und desto stärker bevorzugen sie heimische Händler“, bestätigt Rainer Will.
Politische Empfehlung #1
Eines zeigen die Ergebnisse der eCommerce-Studie ganz deutlich: Eine faire Besteuerung der eCommerce-Giganten aus Drittstaaten ist überfällig. Es braucht dringend die ausständige Umsetzung des Zwei-Säulen-Konzeptes, auf das sich die OECD bereits im Herbst 2021 verständigt hat. Doch derzeit treten Verzögerungen auf:
- Säule 1: Länder, in denen Digitalkonzerne viel Umsatz erzielen, aber keine Standorte haben, sollen künftig mehr Besteuerungsrechte erhalten. Hier liegt die Crux allerdings im Detail: Die Besteuerung sollte eigentlich 2023 starten, doch die technische Vorarbeit ist ins Stocken geraten und wird sich mindestens um ein Jahr verspäten. Der Handelsverband fordert eine zeitnahe Implementierung, immerhin geht es hier um Mehreinnahmen von 150 Milliarden Dollar.
- Säule 2: Die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15% auf Gewinne von großen Konzernen ist überfällig. Dem unsolidarischen Geschäftsmodell von Steueroasen muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden, auch hier ist die OECD gefordert. Auf EU-Ebene gibt es zwar bereits einen Gesetzesvorschlag für Säule 2, allerdings hat Ungarn erst letzten Freitag als einziges Mitgliedsland die Einführung einer Mindeststeuer für Konzerne in der EU abgelehnt.
Politische Empfehlung #2
Eine faire Besteuerung aller Marktteilnehmer ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist eine Entdiskriminierung des stationären Handels in Österreich. Der Handelsverband unterstreicht seine Forderung nach einer sofortigen Abschaffung der Mietvertragsgebühr sowie nach flächendeckend verfügbaren Kinderbetreuungseinrichtungen im ganzen Land.
Beide Maßnahmen würden beschäftigungsintensive österreichische Betriebe entlasten und die akute Arbeitsmarktkrise abmildern. Hierzu wurden am 21. Juni im Wirtschaftsausschuss des österreichischen Parlaments, bei dem der Handelsverband Empfehlungen zur Stärkung der Branche geben durfte, positive Signale von allen Parteien geortet.
Die vollständige „eCommerce Studie Österreich 2022“ können Sie hier bestellen.