Die E-Commerce Vermarktung bringt Vorteile für beide Seiten, die Händler ersparen sich große Verkaufsflächen und die interessierten Konsumenten können gemütlich ohne Autofahrt einkaufen. Das Thema Nachhaltigkeit relativiert die Verlagerung vom Shopping ins Internet: vor allem die Logistikkosten zum Überbrücken der Distanz und die damit verbundenen CO2-Emissionen bringen zum Nachdenken. Der Artikel gibt Anregungen zum Integrieren nachhaltiger Maßnahmen bei Online-Shops.
Beim aufmerksamen Beobachten der Landschaft steigt der Respekt vor den Wasserläufen durch breite Täler oder tief eingeschnittene Schluchten, aufgrund der überblickbaren Geschwindigkeit eignen sich Wandern oder Laufen besonders gut. Wasser findet immer seinen Weg, dem Gesetz der Schwerkraft folgend von oben nach unten. Ein kleines Bachbett zieht im Zeitablauf Spuren durch die Gegend, mit dem Einfließen von Nebenarmen wird die Wasserrinne zum Fluss oder mächtigen Strom. Der bewusste Eingriff in natürliches Fließen war eine Maßnahme mit unterschiedlichen Zielen, vom Schutz vor Überschwemmungen bei Unwettern bis zum Schaffen von Wohnraum in Ufernähe. Derzeit gibt es ein Umdenken in Richtung Renaturierung.
In den letzten Jahren haben sich unsere Einkaufsgewohnheiten verändert: man sitzt locker auf der Couch im Wohnzimmer, im bequemen Bürosessel oder beim Warten auf den Termin bei einem Dienstleister. Mit dem Smartphone sucht man über Suchmaschinen bzw. auf E-Commerce Plattformen nach attraktiven Angeboten bzw. Impulsen für Geschenke oder die Ausstattung im eigenen Heim. Die Anteile der Einkäufe über Online-Shops gewinnen an Stellenwert, wobei leider ein beträchtlicher Teil bei Anbietern außerhalb der österreichischen Wertschöpfung landet. Es stellt sich die Frage, ob dieser größer werdende „Rinnsal“ neben den noch immer sehr wichtigen stationären Geschäften zum reißenden Fluss wird.
Diese Überlegungen betreffen die wirtschaftlichen Fragen rund um Wertschöpfung und Kosten wie Retouren, im Umfeld der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit sind beide Seiten – anbietende Unternehmen mit Online-Shop und kaufende Konsumenten – gefordert. Was zählt mehr, Komfort oder Verantwortung? Beziehungsweise wie lassen sich beide Parameter verbinden?
Von der Nachhaltigkeit zum verantwortungsvollen Vermarkten
Der Begriff Nachhaltigkeit wird ursprünglich Hans Carl von Carlowitz zugeordnet, er kritisierte zu seiner Zeit den Raubbau der Wälder. In seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ (Anweisung zur wilden Baumzucht) notierte er schriftlich, dass nicht mehr Holz geschlagen werden darf, als durch planmäßige Aufforstung ausgeglichen werden kann. Dieses Konzept der „nachhaltigen Nutzung“ mit Blick auf folgende Generationen wurde im Zeitablauf zu „nachhaltig“. Heute wird die Nachhaltigkeit mit dem Drei-Säulen-Modell der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension (englisch abgekürzt ESG) verbunden.
Die bisherigen Untersuchungen zu Nachhaltigkeit im E-Commerce liefern ein gemischtes Bild. Eine Studie der „European Environment Agency“ im Jahr 2022 ergibt, dass Online-Shopping unter bestimmten Voraussetzungen eine bessere CO2-Bilanz als der stationäre Handel aufweisen kann. Dazu gehört das Vermeiden von unnötigen Autofahrten der einkaufenden Personen. Dem gegenüber steht eine Untersuchung des Umweltbundesamtes in Deutschland mit dem Blick auf rund 300 Millionen Paketen, welche mit steigender Tendenz pro Jahr retourniert werden und damit hunderttausende Tonnen CO2 freisetzen.
Ansätze für Nachhaltigkeit im E-Commerce
Die Vermarktung über digitale Shops ist eine vergleichsweise junge Disziplin, mit Potenzialen für die Optimierung in unterschiedlichen Dimensionen. Nachfolgend eine (vielfältige, aber sicher nicht vollständige) Übersicht zu möglichen Ansätzen für nachhaltiges Betreiben eines Online-Shops:
- Technische Rahmenbedingungen: Webhosting ist die Basis für den öffentlichen Auftritt. Bei der Auswahl vom Server-Partner kann der Blick auf den Einsatz von grün produziertem Strom, das Nutzen von Abwärme im Rechenzentrum oder das Betreiben von einem Server in der EU mit gleichzeitiger Stärkung vom Datenschutz gelegt werden. Auch die Gestaltung der Website bzw. des Online-Shops (z.B. Bilder mit reduziertem Datenformat für geringere Ladezeiten, welche gleichzeitig die User-Experience unterstützen) kann Server-Ressourcen und damit Energie sparen. Der soziale Aspekt von ESG kann durch die Umsetzung mit Barrierefreiheit, welche der Gesetzgeber ab 2025 verpflichtend vorschreibt, abgedeckt werden.
- Sortiment: Bei der Auswahl der über den Online-Shop vertriebenen Produkte kann – mit Einschränkungen (Limitationen, da gewisse Produkte aufgrund der Markenstärke Muss-Artikel sind) – eine Gewichtung in Richtung Angebote mit nachhaltiger Zertifizierung durch die Lieferanten gelegt werden. Beim Recherchieren können die Interessenten durch die Integration einer Such- und Filterfunktion für nachhaltige Lösungen gelenkt werden.
- Verpackung: Die per Postversand verschickten Pakete sind ein wesentlicher Treiber der Abfallwirtschaft. Der naheliegende Ansatz bezieht sich auf eine dem zu schützenden Produkt angepasste Größe der Verpackung, zusätzlich soll Überdimensionierung durch das Vermeiden von unnötiger Luft oder überdurchschnittlichem Füllmaterial vermieden werden. Weitere Ansätze betreffen Maßnahmen wie das Verwenden von umweltfreundlichem Recyling-Material, das Vermeiden von Plastik als Füllmaterial oder der Einsatz von innovativen Verschlusslösungen für den Verzicht auf zusätzliche Klebebänder.
- Versand: Die Überbrückung der Distanz zwischen dem Lager des Anbieters und den bestellenden Käufern inkl. der „letzten Meile“ ist ein wesentlicher Treiber für Kosten bzw. CO2-Emissionen. Die Liefermeilen können durch einen attraktiven regionalen Online-Shop Betreiber reduziert werden, die räumliche Nähe und damit verbundene Nachhaltigkeit können durch Kommunikation auf der Plattform bewusst gemacht werden. Beim Post-Dienstleister kann auf Anbieter mit nachhaltigen Maßnahmen wie E-Autos für den Transport gesetzt werden. Das bewusste Anbieten von Click & Collect kann die kilometerschonende Mitnahme auf der Heimfahrt der kaufenden Personen unterstützen, auch die Sendungszusammenführung beim spart Einzelfahrten.
- Retouren: Das Reduzieren der Retouren – d.h. das Zurückschicken von Sendungen mit nicht benötigten oder passenden Produkten durch die Kunden – wird in einem eigenen Artikel vertiefend behandelt. Zu den wichtigen Maßnahmen zählen realistische Produktbeschreibungen und -darstellungen bzw. die Integration von Kundenbewertungen.
Zusammenfassend: Die Convenience des Bestellens von der Couch im Wohnzimmer oder unterwegs mit Smartphone führt zu Impulsen beim Einkaufen. Die damit verbundenen Mehrkosten bei Parametern wie Verpackung und Versand schaden der Nachhaltigkeit, durch geschickte Maßnahmen kann die Balance aus Komfort und Verantwortung verbessert werden.

FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner
UPGROW Marketing Consulting
Lehrgangsleiter MBA General Management der FH des BFI Wien & E-Learning Group