Seit einem halben Jahr lenkt Thomas Stadlhofer – als Nachfolger von Robert Pfarrwaller – die Geschicke von Rexel Austria. ELEKTRO|branche sprach mit ihm über die zahlreichen aktuellen Herausforderungen und die Zukunft des Großhandels.
ELEKTRO|branche: Wie beurteilen Sie das erste halbe Jahr bei Rexel bzw. wie haben Sie diese erlebt? Hat sich in dieser Zeit Ihr Bild vom Unternehmen gewandelt?
Thomas Stadlhofer: Rexel war für mich schon immer ein Top-Player im internationalen Elektrogroßhandel. Das hat sich, seitdem ich dabei bin, nur bestätigt. Wir sind mit den starken Marken Regro und Schäcke, sowie unserem Tochterunternehmen Comtech sehr professionell aufgestellt und können unseren Kunden ausgezeichnete Beratungs- und Serviceleistungen bieten. Die Professionalität, die hier an den Tag gelegt wird, ist meines Erachtens einzigartig. Nach den ersten Monaten hier im Unternehmen kann ich also mit Überzeugung sagen: Es war absolut die richtige Entscheidung und es freut mich sehr, jetzt ein Teil von Rexel zu sein.
Ich hatte außerdem den Luxus, dass ich zu Beginn meiner Tätigkeit genug Zeit hatte, das Unternehmen und seine Mitarbeiter, Kunden und Prozesse kennenzulernen – das ist eigentlich nicht selbstverständlich. Die ersten zwei Monate war ich vor allem in unseren Niederlassungen, bei unseren Kunden sowie Lieferanten unterwegs.
Der Großhandel ist für Sie ja kein neues Spielfeld.
Nein ist es nicht, ich komme aus dem Großhandelsbereich und die Abläufe sind ähnlich wie im Sanitärgroßhandel. Es geht immer darum langfristige Beziehungen zu unseren Kunden und Lieferanten aufzubauen.
Gibt es große Unterschiede zwischen Elektrikern und Installateuren?
Aus Großhandelssicht sind sich die beiden Branchen, wie bereits erwähnt, sehr ähnlich. Zum Beispiel in Hinblick auf Prozessabläufe oder die Art und Weise, wie man Kundenbeziehungen aufbaut. Beide Kundengruppen sind Handwerker und haben in erster Linie das Bedürfnis, Material zu bestellen, das sie von uns dann punktgenau geliefert bekommen. Zusätzlich will man ihnen aber natürlich auch Services anbieten, um einen Mehrwert zu generieren.
Im Servicebereich ist Rexel aber ohnehin bereits gut aufgestellt.
Das stimmt, aber wir werden deswegen nicht aufhören neue Dienstleistungen zu entwickeln. Die Idee dahinter muss immer sein, Services anzubieten, die dem Elektriker helfen, seine nicht verrechenbaren Stunden zu reduzieren und seine verrechenbaren Stunden zu maximieren. Es geht um die Effizienzsteigerung im Hintergrund, sodass er auf der Baustelle arbeiten und diese Leistung auch verrechnen kann. Gute Beispiele sind hier pvXpert und die Softwareprodukte unserer Tochter Comtech. Kürzlich haben wir außerdem einen KI-Chatbot gelauncht, der direkt über unseren Webshop oder unsere App konkrete Antworten liefert. Meist reicht das für eine schnelle Frage auf der Baustelle aus. Und falls doch nicht, kann man sich ja immer noch mit einem Menschen verbinden lassen.
Chance für die Branche
Angesichts der aktuellen Situation: Wie beurteilen Sie kurz- bis mittelfristig die Lage des Großhandels bzw. der heimischen Elektrobranche im Allgemeinen?
Der Markt ist herausfordernd, aber ich bin vom Konzept Großhandel überzeugt. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Geschäfte werden in unserer Branche zwischen Menschen gemacht und die hervorragenden Kunden- und Lieferantenbeziehungen stehen hier an oberster Stelle. Wir bieten unseren Kunden und Lieferanten alles aus einer Hand: Für die einen sind wir Lager- und Logistikpartner und für die anderen Service- und Prozessmanager. Unser Angebot ist so individuell, wie die Bedürfnisse unserer Partner, das wird in den nächsten Jahren noch wichtiger sein. Unser Vorteil ist außerdem, dass wir bei Rexel auf mehreren Standbeinen stehen.
Unsere Branche erlebt gerade eine Zeit, in der Kosten massiv ansteigen und Umsätze aufgrund des volatilen Marktumfelds (etwa Einbruch der Bau-, Baunebenbranche, fehlende Investitionen der Industrie sowie massiver Preisverfall bei PV) ausbleiben. Jedes Unternehmen muss daher hinterfragen, wo die eigenen Prioritäten liegen, welche Themen man eventuell reduziert, weglässt oder gegebenenfalls auslagert. Da kommen wir als Großhändler ins Spiel. Unsere Expertise in den verschiedensten Bereichen ist stark gefragt. Sei es in der Logistik, Beratung und Planung oder durch das extrem breite Produktportfolio sowie die ständige Lagerverfügbarkeit von über 40.000 Artikeln , die wir anbieten können.
Das klingt fast so, als ob Sie in der aktuellen Situation eine große Chance für den Elektrogroßhandel sehen?
Diese Chance sehe ich auf alle Fälle. Aktuell führen wir mit ausgewählten Lieferanten tatsächlich bereits Gespräche zum Thema mehr Dreistufigkeit: also die Belieferung der gemeinsamen Kunden durch Rexel. Unsere Lieferanten haben auch eigene Kosten für Logistik und Vertrieb. Wenn dann mehr über den Großhandel abgewickelt wird, ergeben sich sowohl für unsere Lieferanten als auch für unsere Kunden Vorteile: Eine Top-Logistik mit höherer Verfügbarkeit und schnellerer Lieferung, alle Marken unserer Lieferanten werden gebündelt durch unseren Außendienst in der Region repräsentiert, und es genügt eine Bestellung und eine Lieferung für ein enorm breites Produktportfolio, das täglich von unseren Kunden nachgefragt wird.
Also mehr Effizienz zu geringeren Kosten?
Das ist der Gedanke dahinter. Ich denke, derzeit findet gerade ein Paradigmenwechsel statt. In den vergangenen Jahrzehnten war der Fokus ein anderer. Es ging darum, die Produkte herbeizuschaffen, in den Markt zu bringen und zu verteilen. Wenn allerdings die Nachfrage sinkt, muss man an der Effizienz schrauben – allen voran auch an der Kosteneffizienz. Die Kostenspirale nach oben, egal ob bei Energie oder Personal, bereitet uns allen enorme Probleme. Viele Unternehmen müssen daher jetzt darüber nachdenken, wie die Effizienz gesteigert werden kann.
Schafft das dann nicht zu große Abhängigkeiten?
Wie vorhin schon erwähnt, profitiert man in einer Partnerschaft immer von den jeweiligen Stärken – egal, ob im Geschäftsleben oder im privaten Bereich. Diese wollen wir nun genauer betrachten und gemeinsame Lösungen finden. Ich möchte mir jetzt sicher nicht anmaßen, nach einem halben Jahr die Elektrobranche neu erfinden zu wollen, aber ich glaube ganz einfach, dass man bestimmte Dinge auch einmal diskutieren kann. Wir sind mit einigen unserer Lieferanten auch in einer Wettbewerbssituation bei unseren gemeinsamen Kunden. Bei einem höheren Einschaltungsgrad des Großhandels sehe ich jedenfalls Vorteile für alle Seiten. Quasi eine Win-Win-Win-Situation für Lieferanten, Kunden und Großhandel.
Herausforderungen für den Großhandel
Wo sehen Sie die konkreten Herausforderungen für 2025? Sowohl was den Großhandel betrifft als auch in der Branche allgemein.
Wir alle wissen, dass uns mit 2025 ein herausforderndes Jahr bevorsteht. Laut Wirtschaftsprognosen ist mit einer Entspannung der aktuellen Situation erst Ende 2025 zu rechnen. Wir müssen also geduldig sein, uns auf unsere Kernkompetenzen fokussieren – also darauf, was unsere Kunden, Lieferanten und Partnern an Leistungen erwarten und sie im Idealfall mit noch besserer Qualität und individuelleren Angeboten begeistern.
Gerade in herausfordernden Zeiten ist es wichtig ein verlässlicher Partner zu sein, das stärkt das Vertrauen und die Kundenzufriedenheit. So werden kaufende Kunden im besten Fall zu Stammkunden. Ich denke aber, wir sind auf dem richtigen Weg, denn trotz der genannten Herausforderungen bekommen wir von unseren Kunden sowie Lieferanten positives Feedback. Das habe ich auch selbst in den letzten Wochen bei meinen Kunden-/Lieferantenbesuchen erlebt. Wir leisten also nach wie vor großartige Arbeit. Das macht mich sehr stolz. Fakt ist aber auch, dass es am Markt nach wie vor große Unsicherheiten gibt.
Und mit welchen Strategien wollen Sie diesen Unsicherheiten begegnen?
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Darum haben wir als Management Team neben unserer langfristigen Unternehmensstrategie auch kurzfristige Aktionen entwickelt, die genau diesen Herausforderungen entgegensteuern. Ziel ist es neben der Qualitätssteigerung unseres Leistungsportfolios, auch die Beziehungen mit unseren Partnern zu stärken. Das machen wir, indem wir uns auf unsere Kernkompetenzen fokussieren und vertiefen. Nämlich das, was wir schon gut können, noch verstärken und jenes, wo wir besser werden wollen, auch fokussiert angehen. Herausforderungen bringen auch immer Chancen mit sich. Die ergreifen wir jetzt!