Laut aktueller KSV1870-Hochrechnung waren im ersten Quartal 2022 in Österreich 1.011 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen – das entspricht einem Anstieg bei den Firmenpleiten von 110,2 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die im Oktober 2021 eingesetzte Trendumkehr findet damit zu Beginn des neuen Jahres eine Fortsetzung.
Parallel dazu haben sich auch die vorläufigen Passiva erhöht – und zwar um 56 Prozent auf 223 Mio. Euro. Die bis dato größte Firmenpleite betrifft die Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH mit vorläufigen Passiva von 69,6 Mio. Euro. Weiters hat sich die Zahl der betroffenen Dienstnehmer auf rund 3.000 Personen verdoppelt, jene der betroffenen Gläubiger in etwa um die Hälfte erhöht.
Firmenpleiten werden wieder mehr
„Der gegen Ende des Jahres 2021 eingesetzte Turnaround im Bereich der Unternehmensinsolvenzen hat sich zu Jahresbeginn kontinuierlich fortgesetzt. Die aktuellen Zahlen befinden sich in etwa auf ‚Vor-Krisen-Niveau‘, womit zwei Jahre nach Beginn der Corona-Krise eine gewisse Stabilität im heimischen Insolvenzgeschehen erreicht wurde“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Die Entwicklungen der vergangenen Monate bestätigen, dass die über fast eineinhalb Jahre auf sehr niedrigem Niveau befindlichen Unternehmensinsolvenzen vor allem auch den staatlichen Eingriffen geschuldet waren – diese sind größtenteils mit Ende September 2021 ausgelaufen. „Die kommenden Monate werden zeigen, wie stabil das wirtschaftliche Fundament zahlreicher Unternehmen tatsächlich ist. Ist dieses nicht gegeben und besteht keine reelle Chance auf einen positiven Fortbestand des Unternehmens, erachten wir es als zielführend, frühzeitig eine Sanierung anzustreben, um zu retten, was noch zu retten ist“, so Götze.
In absoluten Zahlen gab es im ersten Quartal 2022 die meisten Insolvenzen im Bereich „Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ mit 176 Fällen, gefolgt von der Bauwirtschaft (164 Fälle) und dem Gesundheits- und Sozialwesen (115 Fälle). Knapp dahinter befindet sich die „Beherbergung und Gastronomie“ mit 114 Firmenpleiten auf Position vier.
Sämtliche Bundesländer mit Pleiten-Plus
Die KSV1870 Ergebnisse liefern für das erste Quartal 2022 ein selten einheitliches Bild in ganz Österreich. So verzeichnen alle neun Bundesländer deutlich mehr Unternehmensinsolvenzen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Wie bei den Privatkonkursen steht auch hier Tirol ganz oben: 80 Firmenpleiten bedeuten eine Steigerung von über 320 Prozent – geschuldet ist dies vor allem sogenannten „Nachholeffekten“ vergangener Monate. Dahinter folgen Vorarlberg (+ 287,5 %) und Niederösterreich mit plus 234,3 Prozent. Den verhältnismäßig geringsten Zuwachs gibt es in der Steiermark – aber auch dort sprechen wir von 43,2 Prozent mehr Fällen als noch im ersten Quartal des Vorjahres.
Auch die geschätzten Passiva deutlich gestiegen
Parallel zur Entwicklung der Firmenpleiten fallen auch die vorläufigen Passiva höher aus als im ersten Quartal 2021. Auch wenn es in den Bundesländern zu deutlich gegensätzlichen Entwicklungen gekommen ist. Insgesamt sind die geschätzten Verbindlichkeiten im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent auf 223 Mio. Euro gestiegen. Im Burgenland haben sich die Passiva von einer Million auf 29 Mio. Euro erhöht, was damit zu tun hat, dass es zuletzt mehrere verhältnismäßig große Insolvenzen gab. In Prozent ausgedrückt beträgt hier der Zuwachs 2.800 Prozent. Weiters haben sich die Verbindlichkeiten ganz besonders in Oberösterreich (+ 212,5 %), Niederösterreich (+ 206,5 %) und Kärnten (+ 180 %) erhöht. Im Gegensatz dazu verzeichnen Wien mit 57,8 Prozent und Vorarlberg mit 55,6 Prozent die deutlichsten Rückgänge – obwohl es auch in diesen Regionen mehr Firmenpleiten gibt. Mit Blick auf die bis dato größten Pleiten des Landes zeigt sich, dass es bis jetzt gerade einmal eine Insolvenz mit Passiva von über 10 Mio. Euro gegeben hat – und zwar die Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH mit einem Volumen von 69,6 Mio. Euro.
Mehr Dienstnehmer und Gläubiger betroffen
Mit zunehmenden Unternehmensinsolvenzen hat sich zuletzt auch die Zahl der betroffenen Dienstnehmer erhöht. Waren im ersten Quartal 2021 rund 1.500 Menschen von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen, so sind es heuer 3.000 Personen – das entspricht im Prinzip genau der Verdopplung der Anzahl der Insolvenzfälle selbst. Ein deutliches Plus gibt es auch auf Gläubiger-Seite zu verzeichnen: Knapp 5.600 Gläubiger (+ 51,4 %) müssen sich seit Jänner 2022 mit den Auswirkungen eines insolventen Geschäftspartners befassen.
Ausblick: Internationale Krisen als Unsicherheitsfaktor
In Anbetracht der derzeitigen vielfältigen Krisensituationen auf die heimische Wirtschaft ist eine seriöse Einschätzung der Insolvenzsituation für die kommenden Monate mit großer Vorsicht zu betrachten. Wie im privaten Bereich haben auch die österreichischen Unternehmen unter anderem mit hohen Energie- und Rohstoffpreisen zu kämpfen, die je nach Branche unterschiedlichste Auswirkungen mit sich bringen können. „Aus heutiger Sicht liegt es jedenfalls im Bereich des Möglichen, erstmals seit Ausbruch der Pandemie ein Jahresergebnis zu erzielen, das auf ‚Vor-Krisen-Niveau‘ liegt“, erklärt Götze. Für ganz Österreich wären das rund 5.000 Unternehmensinsolvenzen – abhängig auch davon, wie sehr sich der weitere Verlauf der Corona-Krise mit aktuell sehr hohen Infektionszahlen als auch der Russland-Ukraine-Konflikt auf die heimische Wirtschaft auswirken. Hinzu kommen weitere Unsicherheitsfaktoren wie etwa die Entwicklung der Inflationsrate und jene der Zinsanpassungen durch die Europäische Zentralbank.