Der Handelsverband hat eine Beschwerde gegen den Online-Marktplatz Temu bei der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eingebracht. Auslöser waren festgestellte Verstöße gegen das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).
„Wir wenden uns mit einer Wettbewerbsbeschwerde an die BWB, um durchzusetzen, dass Temu unlautere Praktiken abstellen muss, die den Menschen und Betrieben im Land schaden. Alleine in den letzten Wochen haben wir unzählige Verstöße von Temu gegen das UWG nachgewiesen und glasklar dokumentiert. Ein fairer Wettbewerb funktioniert nur, wenn sich die Marktteilnehmer an die Regeln halten und Zuwiderhandeln sanktioniert wird. Nachdem hier täglich zum Nachteil des österreichischen Wirtschaftsstandortes gehandelt wird und unseres Erachtens Gesetze gebrochen werden, gehen wir nun mit der Beschwerde gegen die unlauteren Geschäftspraktiken vor“, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer und Beschwerdeführer Rainer Will.
In seiner Beschwerde listet der Handelsverband zahlreiche Verstöße detailliert auf.
Falsche Behauptungen von Temu zu begrenzter zeitlicher Verfügbarkeit
Gemäß UWG ist eine Behauptung als unlauter anzusehen, mit welcher unrichtigerweise suggeriert wird, dass ein Produkt nur eine sehr begrenzte Zeit zu bestimmten Bedingungen verfügbar ist. Denn mit solchen Angaben hinsichtlich der begrenzten Verfügbarkeit können Verbraucher:innen unter vermeintlichem Zeitdruck zum Kauf verleitet werden. Genau das tut Temu, wie der Handelsverband mit zahlreichen datierten Screenshots beweist.
Auf der Website von Temu wird mit Behauptungen wie „Letzter Tag“ und „Sonderverkauf“ unter Angabe eines Countdowns der Eindruck erweckt, dass das entsprechende Produkt nur mehr für wenige Stunden zum angezeigten, vermeintlich günstigeren Preis erworben werden kann. Allerdings konnte festgestellt werden, dass das Produkt auch wenige Tage später wiederum im Zuge eines „Sonderverkaufs“ angeboten wurde, diesmal sogar zu einem noch niedrigeren Preis als beim vorherigen „Sonderverkauf“.
Oftmals kommt es augenscheinlich auch zu der Situation, dass gewisse Produkte bei Temu als vermeintliche „Sonderangebote“ beworben werden, diese nach Ablauf des „Sonderangebots“ jedoch weiterhin um lediglich einen Cent (+0,01 Euro) mehr erworben werden können. So wurden etwa Damen-Hausschuhe am 23. August im Rahmen eines bis 25. August laufenden „Sonderverkaufs“ mit dem zusätzlichen Hinweis „fast ausverkauft“ um 5,48 Euro angeboten. Am 26. August fand sich das gleiche Modell um 5,49 Euro im Shop – ohne den „fast ausverkauft“-Hinweis.
Irreführende Behauptungen zu Preisreduktionen
Auch bei den Behauptungen zu Preisreduktionen wurden Verstöße gegen das UWG festgestellt. So werden von Temu offensichtlich willkürlich sog. UVPs, also unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen, angezeigt, die vermeintlich mit dem tatsächlichen Verkaufspreis deutlich unterboten werden.
Der Handelsverband konnte etwa feststellen, dass bei Produkten in der „Überblicksansicht“ teils sehr hohe UVPs ausgewiesen wurden und die dementsprechend angezeigte Preissenkung sehr hoch ausfiel. Bei einem Klick auf „Alle Details“ des entsprechenden Produkts wurde jedoch plötzlich ein deutlich niedrigerer UVP angezeigt, wodurch auch die prozentuelle Preisreduktion deutlich niedriger ausfiel.
So wurde eine Ledertasche in der Überblicksansicht als Megaangebot um 21,99 Euro bei einem UVP von 53,49 Euro angepriesen. In der Detailansicht schrumpfte der UVP jedoch auf 24,99 Euro zusammen. Aus einer vermeintlichen Preisersparnis von 58 % wurde eine von nur noch 12 %. Ebenfalls konnte festgestellt werden, dass der angezeigte UVP zum gleichen Zeitpunkt auf zwei verschiedenen Geräten in gewissen Fällen unterschiedlich hoch ausfällt – eine klare Täuschung der Käufer:innen.
Falsche Behauptungen zu angeblicher Warenknappheit
Einen weiteren Verstoß gegen das UWG ortet der Handelsverband durch irreführende Angaben zur angeblich stückmäßig stark begrenzten Verfügbarkeit gewisser Produkte. Beispielsweise wird von Temu in vielen Fällen eine Warenknappheit vorgetäuscht, die in der Realität überhaupt nicht besteht. So ist eine Ledergeldbörse um 11,36 Euro in der Überblicksseite mit dem Hinweis „Nur 10 übrig“ versehen. Gleichzeitig ist es jedoch möglich, 99 Stück in den Warenkorb zu legen und in weiterer Folge auch zu erwerben. Gleiches gilt für zahlreiche andere Angebote, die mit Hinweisen wie „fast ausverkauft“ versehen sind. Auch bei diesen lassen sich 99 Stück erwerben – und somit exakt gleich viele Stück wie von Artikeln, die nicht mit diesem Hinweis versehen sind.
Lesetipp: ELEKTRO|branche-Chefredakteur Christian Lanner hat sich bereits im Mai mit den fragwürdigen Geschäftspraktiken der chinesischen Ramsch-Plattform auseinandergesetzt. Seinen Beitrag können Sie hier lesen.