Das Verkaufen entlang der Customer Journey ist bis zur endgültigen Entscheidung von unterschiedlichen Einflüssen geprägt. Die Überlegungen der möglichen Kundinnen und Kunden folgen einer Mischung aus rationalen und emotionalen Parametern. Man lässt die Empfehlungen der kompetenten und vertrauenswürdigen Beratung im direkten Gespräch auf sich wirken, oft können passende Impulse zu ergänzenden Käufen zur Abrundung des Pakets führen (etwa durch Cross- bzw. Up-Selling). Im Online-Shop stimulieren passende Empfehlungen beim Einkaufen oder über E-Mail Marketing in der Nachkaufphase.
Der Besuch eines Restaurants ist vom Genuss einer schmackhaften Mahlzeit geprägt, verbunden mit dem angeregten Austausch mit der Familie, Bekannten oder Freunden. Gleichzeitig ist man oft überrascht, dass die Rechnung dann höher ist als man die Summe erwartet hat. Der spontan bestellte leichte Aperitif zum Einklang und die ursprünglich nicht geplante Suppe als wärmende Einstimmung zeigen Wirkung, und die locker angebotene Nachspeise mit der Mehlspeise des Tages zum Kaffee tragen zusätzlich zum erhöhten Aufwand bei.
Wenn es dann noch die eine oder andere flüssige Begleitung zum Anstoßen und Verdauen gab, blickt man auf ein gelungenes Essen mit der zur hohen Qualität passenden Quittung zurück. Der Gastwirt oder das Personal lächelt freundlich, das ergänzende entspannt aufgerundete Trinkgeld nimmt man mit noch freundlicherem Gesicht entgegen. So einfach geht das Verwöhnen mit Zusatzverkäufen, es werden in den Phasen der Bestellung passende Leckereien zur Abrundung angeboten.
Im Dialekt nennt man das „A bisserl was geht immer“, das wusste nicht nur der Kriminalkommissar (gespielt vom geschätzten Helmut Fischer) in der legendären Fernsehserie Monaco Franze. Das Sprichwort drückt mit einem Augenzwinkern aus, dass eine Kleinigkeit zur Einstimmung oder Abrundung durchaus als machbar eingeschätzt wird. Von der „Möchten Sie noch eine Apfeltasche dazu?“ bei McDonald’s über das kleine Verdauungsschnapserl bis zum abschließenden „Fluchtachterl“ begleiten uns die smart angebotenen Zusatzkäufe in unterschiedlichen Situationen.
Im Umfeld des Marketing & E-Commerce geht es im Kern um das Verkaufen der eigenen Produkte und Dienstleistungen in der Filiale bzw. im Online-Shop. Die möglichen Kundinnen und Kunden sind auf der konkreten Suche nach einer Lösung für ein Problem, oder sie möchten sich inspirieren lassen. Die geschickt agierenden Unternehmen ergänzen – passend zur jeweiligen Phase der Customer Journey im Kaufprozess – das den „Bedarf decken“ durch ein den „Bedarf wecken“.
Cross-Selling & Co schaffen Impulse für Zusatzverkäufe
Der Begriff „Cross-Selling“ beschreibt das zusätzliche Verkaufen von passenden Produkten an kaufende Personen. Das geht besonders gut bei Komplementärprodukten, das „komplementär“ (von französisch „complémentaire“, das steht für ergänzend) meint das Anbieten von zum Kaufobjekt passenden Ergänzungen. Amazon kann als Vorbild beim Anwenden von Cross-Selling eingeordnet werden, durch das Ausspielen von verwandten Produkten oder Angeboten mit möglichem Gefallen. Beim Kauf eines Smartphone ist das Anbieten einer schützenden Handyhülle naheliegend, die Gelegenheiten lassen sich durch viele Beispiele ergänzen: die neue Kamera wird durch passende Batterien oder eine schützende Tasche ergänzt, das Smart-TV verträgt die Erweiterung durch ein HDMI-Kabel, bzw. die Kaffeemaschine ermöglicht das Anbieten von Kaffeebohnen oder einem fürsorglichen Entkalker.
Der in diesem Zusammenhang zweite Begriff bezieht sich auf das „Up-Selling“, damit wird das Verkaufen einer höherwertigen Lösung gemeint. Diese in der Qualität bessere – und üblicherweise teurere – Alternative kann an bestehende Kunden anboten werden, aber auch beim unmittelbaren Verkaufen kann die Beratung die Überlegungen der Interessenten in Richtung Hochwertigkeit lenken. Auch beim Up-Selling lassen sich viele Anwendungsbeispiele finden. Das Smartphone wird mit einer höheren Speicherkapazität angeboten, beim Kauf eines Fernsehers wird ein Modell mit größerem Bildschirm als hochwertige Alternative dargestellt, bzw. beim Beraten zum neuen Laptop wird eine Version mit einem besseren Prozessor oder mehr Speicher als Option angesprochen.
Das seltener verwendete „More-Selling“ rundet die Möglichkeiten für Zusatzverkäufe ab. Während das Cross-Selling primär auf das zusätzliche Verkaufen von passenden anderen Produkten abzielt, bezieht sich das More-Selling auf das Ergänzen eines Produkts durch passende Dienstleistungen (wie eine Garantieverlängerung oder Installation). Als weitere Dimension umfasst diese Variante das bewusste Verkaufen von mehr Ware des gleichen Produkts, das können beispielsweise Großpackungen (z.B. der Jumbo-Pack statt der kleinen 3er-Packung bei Batterien) sein.
Die Ergebnisse von Studien bestätigen das Potenzial
Den positiven Einfluss von Cross- und Up-Selling bestätigen auch internationale Studien. Nachfolgend eine Auswahl an Forschungsergebnissen renommierter Institutionen.
Eine Studie von McKinsey untersuchte die Wirkung von unterschiedlichen Maßnahmen zur Verkaufssteigerung. Es gaben 78 % der Kunden an, dass sie personalisierte Empfehlungen als wertvollen Zusatz empfinden. Unter den Befragten gaben 45 % an, dass sie durch Up-Selling Angebote auf höherwertige Produkte aufmerksam wurden.
Eine Untersuchung der Harvard Business School ergab, dass Unternehmen mit Cross- und Up-Selling Maßnahmen bis zu 30 % Mehrumsatz in Online-Shops generieren können. Der Bereich Elektronik wird als besonders geeignet betrachtet, da sich durch das Kombinieren von einem Hauptprodukt mit passenden Zusatzartikeln eine sinnvolle Erweiterung ergibt. Der Ausblick auf bis zu rund 30 % Umsatzsteigerung wird auch durch Forrester Research und Auswertungen des Geschäfts auf Amazon bestätigt.
Ausgewählte Tipps für die Umsetzung
Wie immer liegen wichtige Erfolgsfaktoren im Detail, nachfolgend einige anregende Tipps: das angebotene Zusatzprodukt oder die höherwertige Alternative muss für die Einkaufenden einen sinnvollen Zusammenhang ergeben. Das Stichwort Relevanz spielt in jeder Kommunikation eine wesentliche Rolle, die Verbindung soll ohne lange Erklärungen naheliegend passen. Zusätzlich kann das Kombinieren von einem emotionalen Mehrwert (wie der Ausblick auf das hochwertige Dokumentieren besonderer Augenblicke über hochauflösende Bilder) und einer rationalen Argumentation (wie die sachliche Preisersparnis beim gemeinsamen Einkauf) die Wirkung verstärken.
Zusammenfassend: Das bewusste Schaffen von Impulsen über Cross- und Up-Selling kann für die Konsumenten ein sinnvoller Mehrwert sein, gleichzeitig ergeben sich für das verkaufende Unternehmen interessante Möglichkeiten für Mehrumsatz durch passende Zusatzverkäufe.
FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner
UPGROW Marketing Consulting
Lehrgangsleiter MBA General Management der FH des BFI Wien & E-Learning Group